Japan - mit dem zug von Nord nach Süd 19-Tage-Studienreise

Die Yamanote-Linie: Tōkyōs grüne Pulsader

Diana Casanova
Diana Casanova

In ganz Tōkyō existieren fast 900 Bahnstationen, die von über 50 verschiedenen Linien angefahren werden. Neben dem Shinkansen ist die Yamanote-Linie die wohl bekannteste Bahnlinie Japans, die in einer scheinbar ewigen Dauerschleife die Knotenpunkte der Stadt miteinander verbindet.

Yamanote Linie
Die ikonische Yamanote-Linie. Hier zusehen der Elektrotriebzug der modernen Baureihe E235. © Photo AC / たろとれ

An der leuchtend grünen Farbe erkennt man die Züge der Yamanote-Linie in Tōkyō sofort. Laut der Betreibergesellschaft Japan Railways (JR) nutzen sie durchschnittlich 3,5 Millionen Menschen – und das täglich. Die Besonderheit ist ihre Strecke, die in einer ovalen Kreisform verläuft. Alle zwei bis vier Minuten fährt eine Bahn in beide Richtungen ab und steuert insgesamt 30 Stationen (darunter die wichtigen wie Shinjuku, Shibuya, Tōkyō und Ikebukuro) an. Für eine ganze Runde auf der etwa 35 km langen Strecke benötigt sie ca. 59 Minuten.

Da sie also quasi ständig im Kreis fahren, unterscheidet man die Züge nicht anhand ihrer Endstation, sondern anhand ihrer Fahrtrichtung im Uhrzeigersinn (sotomawari, „äußerer Kreis“) und gegen den Uhrzeigersinn (uchimawari, „innerer Kreis“). Eine Endstation gibt es aus technischen Gründen trotzdem, die Station Ōsaki, wo sich das Betriebswerk von JR befindet. Dort finden zwischen 01:18 Uhr und 04:26 Uhr – der kurze Zeitraum, in dem die Ringlinie nicht operiert – alle Wartungsarbeiten statt.

Strecke der Yamanote Linie
Die Strecke der Yamanote-Linie gleicht eher einem Oval. © Wikipedia / Brancacube (CC BY-SA 4.0)

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Bescheidene Anfänge, rasantes Wachstum

Ursprünglich diente die Yamanote-Linie nicht dem Personenverkehr, sondern dem Frachttransport. Ihr historischer Vorgänger wurde ab 1885 von der privaten Nippon Railway Company eingesetzt und beförderte maximal 50 Passagiere pro Tag. Zwei Linien verbanden die für den Handelsverkehr zentralen Bahnhöfe Ueno (via Akabane) im Norden mit Shinagawa im Süden der Hauptstadt. Mit dem Bevölkerungswachstum nahm auch die Bedeutung und Nutzung der Bahnstrecke zu. 1903 eröffnete eine weitere Linie, der „obere“ Teil der heutigen Yamanote-Strecke, welche die Bahnhöfe Ikebukuro und Tabata miteinander verband. 1909 wurden die bestehenden Strecken zusammengeführt, ein Jahrzehnt später stieß der wichtige Umschlagplatz Tōkyō als Station hinzu. Bis 1925 operierte die Linie in einer Art 6-Form, als schließlich die Lücke zwischen Tōkyō und Ueno geschlossen wurde – die Kreisform war komplett.

Die Yamanote-Strecke im Wandel: So wurde sie zwischen 1885 und 1932 ausgebaut.
Die Yamanote-Strecke im Wandel: So wurde sie zwischen 1885 und 1932 ausgebaut. © Wikipedia / Mixtures "The construction of the Yamanote Line and current JR lines" (CC BY 3.0)

In der Wiederaufbauphase nach dem Zweiten Weltkrieg avancierte die Yamanote-Linie zu einem der wichtigsten Transportmittel der Hauptstadt. 1971 wurde zudem endlich ihr Namensdilemma gelöst: Lange Zeit war die Linie sowohl unter dem Namen Yamanote als auch Yamate bekannt. Das liegt an den Schriftzeichen, die auf beide Weisen gelesen werden können. Der staatliche Nachfolger der Nippon Railway Company, Japanese National Railways (welche 1987 privatisiert und zu Japan Railways wurde), taufte die Linie offiziell Yamanote – auch um sie von der Station Yamate im nahegelegen Yokohama zu differenzieren.

Doch warum heißt sie überhaupt so? Da die Yamanote-Züge ursprünglich zum Frachttransport eingesetzt wurden, legte man die Gleise im weniger bewohnten, hügeligen Teil der Stadt – dem yama no te („Oberstadt“; „in Richtung der Berge“).

Yamanote Linie ältere Baureihe
Ein älteres Modell der Baureihe E231, das mittlerweile nicht mehr eingesetzt wird. © Photo AC / しろかね

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Modern, effizient, (manchmal) überfüllt

Heutzutage ist die Yamanote-Linie eine der modernsten Bahnlinien Japans. Stets mit der neuesten Technik ausgestattet, sind die Elektrozüge voll klimatisiert, die automatisierten Ansagen werden sowohl auf Japanisch als auch auf Englisch durchgeführt. Seit 2018 testet JR sogar autonom fahrende Züge und plant, diese Technologie bis 2028 vollständig auf der Strecke einzuführen. Diese durfte sich kürzlich zudem über Zuwachs freuen: Der futuristische Bahnhof Takanawa Gateway, entworfen vom japanischen Architekten Kuma Kengo, wurde 2020 im Rahmen der Olympischen Spiele in Tōkyō feierlich eingeweiht – passenderweise neben Tōkyōs ältestem Bahnhof Shinagawa, der 1872 erbaut wurde.

Bahnhof Takanawa Gateway
Hightech-Bahnhof Takanawa Gateway: Dort kommen technische Innovationen wie Künstliche Intelligenz und vollautomatisierte Kioske zum Einsatz. © Photo AC / makoto.h

Für Touristen ist die Ringlinie der ideale Weg, um alle großen Sehenswürdigkeiten Tōkyōs schnell zu erreichen. Da sie Teil des JR-Streckennetzes ist, deckt der Japan Rail Pass außerdem alle Fahrten mit ihr ab! Von einer Fahrt während der berüchtigten japanischen Rushhour ist dennoch abzuraten: Die berühmten Bilder von Bahnangestellten, die Fahrgäste in überfüllte Waggons pressen, damit sich die Türen schließen können, stammen vermutlich von der Yamanote-Linie. Dennoch ist sie, wie auch die meisten Züge in Japan, äußerst zuverlässig und verspätet sich nur sehr selten.


Dieser Artikel erschien in der JAPANDIGEST September 2022-Printausgabe und wurde für die Veröffentlichung auf der Website nachbearbeitet. 

Verwendete Creative Commons-Lizenzen: 

CC BY-SA 4.0

CC BY 3.0

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