Shōdoshima: Die Insel der Oliven

Marie-Louise Helling
Marie-Louise Helling

Tiefe Schluchten, leckere Sojasauce und saftige Oliven: nordwestlich von Shikoku gelegen, bezaubert die kleine Insel Shōdoshima mit weißen Sandstränden, einheimischen Produkten und saftig grünen Reisterrassen.

Windmühle von Shōdoshima
Die Windmühle von Shōdoshima: Ein Symbol für die Partnerinsel Milos in Griechenland. © photo-ac / ゲンキーニ

Zwischen Honshū und Shikoku liegt das malerische Shōdoshima. Mit ihren 28.000 Einwohnern gehört die Insel zur Präfektur Kagawa und ist nach Awaji die zweitgrößte Insel im Seto-Binnenmeer. Direkt neben Shōdoshima und der westlich gelegenen Nachbarinsel Maeshima befindet sich die weltweit schmalste Meerenge, die Dobuchi-Straße. An ihrer engsten Stelle misst sie nur 9,93 Meter. Shōdoshima weckt mehr und mehr touristisches Interesse und wurde als einer der Standorte des großangelegten internationalen Kunstprojekts Setouchi Triennale ausgewählt. Auf der gesamten Insel verteilt finden sich 25 Kunstwerke von berühmten zeitgenössischen Künstler:innen.

Widersprüchlich scheint auf den ersten Blick nur der Name der Insel – 小豆島 –, der wörtlich übersetzt „Azukibohneninsel“ bedeutet. Statt Bohnen werden dort aber seit 1908 erfolgreich Oliven angebaut und kultiviert, deren Import aus den europäischen Ländern nach Japan erfolgte. Seit 1989 hat sie eine Partnerinsel im fernen Westen: die Insel Milos in Griechenland, dem Land der Oliven. Ein Blick ins Altjapanische verrät, dass die Schriftzeichen 小豆 jedoch nichts mit Bohnen zu schaffen haben, sondern auf das Kojiki („Aufzeichnung alter Geschehnisse“) hindeuten. Diese erste schriftliche Quelle Japans aus dem Jahre 712 weist das heutige Shōdoshima als zehnte Schöpfungsinsel aus, die von den Göttern Izanagi und Izanami erschaffen worden sei.

Die Kankakei-Schlucht

Im Zentrum der Insel zwischen den Berghöhen Hoshigajo und Shihozashi im Setonaikai-Nationalpark liegt die zerklüftete Kankakei-Schlucht, die zu den drei schönsten Japans zählt. Ihre Entstehungszeit erstreckte sich auf über zwei Millionen Jahre und geht über 15 Millionen Jahre zurück in die Vergangenheit. Durch Aufschiebung und Faltung des Erdmantels in Kombination mit der natürlichen Erosion entstanden diese eindrucksvollen Felsformationen. Der Hoshigajo ist mit seinen 812 Metern der höchste Berg der Insel. Eine Seilbahn passiert die Höhenmeter von 295 Meter bis 612 Meter in nur sechs Minuten für 750 Yen (ca. 5,50 Euro). Sie ist das ganze Jahr über fünfmal pro Stunde von 8:30 bis 17 Uhr in Betrieb. Zur Herbstsaison fährt sie sogar zehnmal pro Stunde ab 8 Uhr.

Von der oberen Aussichtplattform bietet sich ein atemberaubender Ausblick auf die Schlucht, das Binnenmeer und die Küstenlinie von Shikoku. Am stärksten besucht ist die Seilbahn zur Herbstzeit, wenn sich die Blätter der Ahornbäume in warme Rot- und Orangetöne färben. Weniger frequentiert sind die Wanderwege, die bis zur Spitze des Berges führen. Sie schlängeln sich an kleinen Schreinen und alten, verfallenen Burgruinen aus dem 14. Jahrhundert vorbei. Am Ende des Weges, am höchsten Punkt des Berges, befindet sich der Azuki-Schrein, wo der Schutzgeist der Insel, Onudehime, wohnen soll.

Der höchste Berg der Insel: Ein fantastischer Ausblick über die Insel und das weite, blaue Meer. © photo-ac / 4ChaN

Regionalprodukt Sojasoße

Die Geschichte der Sojasoßen-Produktion der Insel begann in der ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts: Das umliegende Meer bot die Möglichkeit ausreichend Salz zu erzeugen, das zur Herstellung der Soße unverzichtbar ist. Von Shōdoshima war das Handelszentrum Ōsaka zusätzlich auf den Wasserwegen gut zu erreichen, was den Markt florieren ließ. Auch heute noch wird traditionell in den Holzfässern der 20 Brauereien auf Shōdoshima exzellente Sojasoße hergestellt. Jede der Brauereien kreiert dabei seinen ganz eigenen Geschmack. Die renommiertesten Brauereien sind die Unternehmen Morita und Yamaroku Shōyu. Letztere benutzt weiterhin 150 Jahre alte Holzfässer, die einen besonders würzigen Geschmack erzeugen. 1904 gründete Morita das Marukin Soy Sauce Museum auf Shōdoshima. Dort erwarten den Besucher faszinierende Erlebnisse rund um die Sojasoße: von spannenden Eissorten zum Probieren, Führungen zum Herstellungsprozess oder besondere Veranstaltungen. Der Eintritt kostet 500 Yen (3,50 Euro) und das Museum ist täglich von 9 bis 16 Uhr geöffnet. In der Nähe finden sich diverse tsukudani-Läden, wo in Sojasoße eingelegte Speisen erworben werden können.

Der Olivenpark

Im oribu-koen („Olivenpark“) wurden zum ersten Mal in ganz Japan Oliven kultiviert. In der sanften Brise, die von Meer hinüberweht, dreht sich das Rad der Windmühle im Park. Die üppigen Olivenhaine und ein mediterranes Flair lassen den Besucher vom weit entfernten Griechenland träumen. Hier wurden auch Szenen für den Live-Action Film „Kiki‘s kleiner Lieferservice“ (2014) gedreht. Heute beherbergt Shōdoshima die größte Olivenplantage des Landes. Die Oliven werden noch von Hand gepflückt und das hier produzierte Olivenöl gilt als besonders qualitativ hochwertig. Es kann in den Restaurants der Insel gekostet werden. Am besten soll es zusammen mit der regional hergestellten Tenobe-Sōmen-Nudelsuppe schmecken. Außerdem züchten die Betreiber des Parks 130 verschiedene Kräuter: Im lokalen Kräuterladen Corico verkauft die Protagonistin Kiki im Film Brötchen und nimmt ihre Bestellungen entgegen. Der Laden bietet Kurse zum Einlegen von Oliven, verfeinert mit Kräutern und Gewürzen, nach vorheriger Reservierung an. Der Eintritt in den Park ist kostenlos. Cafés und ein Onsen laden zudem zum Entspannen ein.

Der Olivenpark und verhexte Besen: Ein märchenhafter Ort für Fans von Kiki's kleiner Lieferservice und Griechenland-Liebhaber. © photo-ac / ゲンキーニ

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Dämonen und Engel

Auch die sogenannten yōkai („Dämonen“) bewohnen die Insel Shōdoshima. Zum Glück nur innerhalb des makabren und dennoch unterhaltsamen Yōkai-Kunstmuseum mit einem Eintrittspreis von 2.900 Yen (25 Euro). Wer keine Lust aufs Gruseln hat, dem sei stattdessen die Straße der Engel ans Herz gelegt. Unweit vom Museum am Hafen Tonoshō wartet ein romantisches Fleckchen Natur auf frisch verliebte Paare. Dabei handelt es sich um eine nur bei Ebbe begehbare Sandbank, die Shōdoshima mit seiner kleinen Nachbarinsel verbindet. Der 500 Meter lange Strand ist legendenumwoben: Wenn ein Liebespaar Hand in Hand darüber schreitet, dann werden die Engel die Beziehung segnen und sie wird für immer und ewig halten.

Die Engelsstraße: Ein idyllischer Platz für Paare, die ihre Liebe stärken wollen. © photo-ac / Keith0319

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