Acht Uhr abends. In dem Onsen-Ort Utoro ist die Sonne untergegangen und während die meisten Einheimischen und Besucher des kleinen Hafenstädtchens den Tag langsam ausklingen lassen, werden so manche Waldbewohner erst richtig aktiv – die perfekte Gelegenheit also, sich auf eine nächtliche Tierentdeckungstour zu begeben.
Das Shiretoko Nature Office bietet entsprechende Touren an und so ist man innerhalb weniger Minuten von Utoro aus mit dem Minibus bereits inmitten einer dicht bewaldeten Landschaft, in der zahlreiche Tiere ihren Lebensraum haben. Während der Minibus langsam seine Runden durch den Wald zieht, schauen die Teilnehmer der Tour gespannt mit Fernrohr und Taschenlampe aus dem Fenster – auf der Suche nach leuchtenden Augen oder Bewegung zwischen den Bäumen.
Auch wenn es erst ein wenig dauert, so zeigt sich schon bald der erste Ezo-Hirsch (ezoshika). Dass es offenbar ein Männchen ist, lässt sich vor allem an seiner Größe – Hokkaidōs Hirsche sind ohnehin größer als ihre Artverwandten auf Honshū – und dem prächtigen Geweih erkennen. Um ihn näher betrachten zu können, wird der Minibus langsamer und hält schließlich an. Wenige Augenblicke später erscheinen dann ein wenig tiefer im Wald weitere Tiere hinter den Bäumen – ebenfalls Ezo-Hirsche.
Die Fahrt geht weiter und nach einiger Zeit erwartungsvollen Suchens erscheint schließlich ein Fuchs, der am Straßenrand entlang huscht. Es handelt sich bei diesem vergleichsweise kleinen Raubtier mit rotbraunem Fell um einen Nordfuchs (kita kitsune), der eine Unterart des Rotfuchses ist und sich manchmal auch tagsüber zeigt, sogar in Stadtnähe. Nachts ist er jedoch besonders aktiv. Tatsächlich gibt es kaum einen Moment, in dem er sich nicht hin und her bewegt, was eine genauere Beobachtung beziehungsweise eine Fotoaufnahme gar nicht so einfach macht.
Auch wenn diesmal leider keine weiteren Tiere zu sehen sind, so bietet sich während einer solchen Tour zudem die einzigartige Gelegenheit, einen Riesen-Fischuhu (shimafukurō) zu entdecken. Von dieser bis zu 60 cm großen Eulenart gibt es weltweit nicht einmal mehr 1.000 Exemplare, weshalb sie vom Aussterben bedroht ist. Zudem zeigen sich in dieser Gegend häufig Braunbären (higuma), von denen es in Shiretoko besonders viele gibt. Da Hirsche sich jedoch von ihnen fern halten, ist es eher unwahrscheinlich, beiden Tiere an einem Abend hier zu begegnen.
Ein abschließender Höhepunkt des nächtlichen Ausflugs ist schließlich noch ein kurzer Fußweg – natürlich in Begleitung der Reiseleitung – in den Wald: Von hier aus ist die Aussicht auf den Sternenhimmel einfach traumhaft.
Dieser Text wurde als Ergänzung für die Januar-Ausgabe des JAPANDIGEST verfasst. Eine Übersicht über weitere Artikel finden Sie hier:
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