Die Stadt Gero liegt eine zweistündige Zugreise von Nagoya entfernt, in der Präfektur Gifu. Wir sind Gäste in einem der größten Hotels der Stadt, dem Suimeikan Ryokan. Ein Ryokan ist ein Hotel im Stil eines japanischen Gasthauses, dessen Räume, Tatami-Matten und Papier-Schiebewände ein ganz besonderes japanisches Flair bieten. In unserem Zimmer steht auf einem flachen Tisch schon etwas heißer Tee bereit. Doch als erstes legen wir die Hotelkleidung, die Yukata, an. So wie wir unsere Outdoor-Kleidung ablegen, so streifen wir auch die Last der vergangenen Reisetage ab, denn nun heißt es „entspannen“. Und wo kann man dies besser als im heißen Wasser natürlicher Quellen.
Die Baderäume eines Onsen sind meist besonders in Szene gesetzt. Von Außenbecken mit Blick auf die Berge oder auf einen liebevoll gestalteten Garten, bis hin zu Badewannen aus Zedernholz ist alles dabei. Aufgrund seines hohen Mineralgehalts werden dem Badewasser, vulkanischen Ursprungs, seit Jahrhunderten heilende Wirkungen zugesprochen. Man sollte sich aber wegen des „vulkanischen Ursprungs“ nicht zu viele Sorgen machen, da das Quellwasser auf eine badetaugliche Temperatur von 40-42 Grad heruntergekühlt wird.
Köstliche Speisen im Ryokan
Nachdem wir uns genügend aufgewärmt haben, sind wir schon auf dem Weg zum Abendessen. Es wird ein Mehrgängemenü geben, bestehend aus Sushi-Spezialitäten, Wagyū-Rindfleisch und anderen Kleinigkeiten. Generell ist die japanische Küche sehr verspielt und es gleicht einer kulinarischen Entdeckungsreise, auf der sich immer wieder ungeahnte Köstlichkeiten finden lassen. Wer jedoch lieber auf tierische Produkte verzichtet, dem sei an dieser Stelle gesagt, dass Hotels in Japan sehr kundenorientiert sind: Auf Wunsch werden die Menüs auch vegetarisch, vegan oder nach religiösen Vorgaben zubereitet.
Während wir das Abendessen genossen, wurden schon zwei Futonbetten in der Mitte unseres Zimmers ausgebreitet. Doch bevor wir uns versehen, sitzen wir nach einer kurzen Verdauungspause schon wieder im Außenbecken des Hotel-Onsens und betrachten den hellen Sichelmond, wie er sich am schwarzen Nachthimmel präsentiert.
Historische Reetdachhäuser und angenehme Fußbäder
Es ist früh an diesem Tag, als wir mit dem Taxi aufbrechen. Wir sind auf dem Weg zum „Gasshō-Mura“, ein Freilichtmuseum, in dem sich traditionelle Bauernhäuser der Hida-Region finden lassen. Die Häuser erinnern von ihren Dächern her ein bisschen an Reetdachhäuser. Im Inneren finden sich jedoch Tatami-Matten, Schiebewände und eine Feuerstelle, an der es recht zugig ist. Wir bekommen schnell einen Eindruck davon, wie kalt und beschwerlich das Leben hier früher gewesen sein muss.
Draußen, im Zentrum mehrerer Häuser, befindet sich das „Gasshō Ashiyu“, ein Onsen-Fußbad. Etwas fröstelnd sitzen wir bis zu den Knien im warmen Wasser der heißen Quelle und recht schnell kehrt die Wärme zurück in unsere Körper. Vom Fußbad aus betrachten wir den kleinen Teich nebenan, in dem sich friedlich ein Wasserrad dreht, während auf den moosbewachsenen Reetdächern der Schnee schmilzt und zu leichten Dampfschwaden gen Himmel aufsteigt. Im Frühjahr und Herbst soll sich ein Ausflug zum Dorf besonders lohnen, so sagt man. Denn je nach Jahreszeit ist dort entweder die Kirschblüte am Blühen oder die bunten Fächerahorne präsentieren ihr Herbstlaub, während man oberhalb des Dorfes durch die Waldanlage „Saijiki no Mori“ spaziert.
Unsere nächste Station ist der Onsenji-Tempel. Doch der Aufstieg zur Tempelanlage mit seinen über einhundert Treppenstufen lässt jeglichen Gedanken an die Kälte verfliegen. Während wir etwas verschnaufen und den schönen Ausblick genießen, liegt Gero bei bestem Sonnenschein vor uns, an diesem glasklaren Tag. Friedlich von immergrünen Bäumen umgeben steht das ehrwürdige Hauptgebäude der fast tausend Jahre alten Tempelanlage vor uns.
Wir bewundern die schön verzierten Gebäude mit ihren eindrucksvollen Holzarbeiten, während im Hintergrund jemand Mantras rezitiert. Hier betet man für Gesundheit und dass die heißen Quellen von etwaigen Leiden befreien mögen – eine schöne Vorstellung, wie wir finden.
Zen-Meditation im Tempel
Der letzte Teil unserer Reise führt uns nach Nakatsugawa. Wir sitzen im Taxi, um den Zenshōji-Tempel zu erreichen. Der örtliche Mönch erklärt uns, dass das Spezialgebiet des Tempels Zazen sei. „Zazen“ setzt sich aus den Zeichen für „sitzen“ (za) und „Leerung des Geistes“ bzw. „Zen“ zusammen. Nachdem wir es nach einer ausführlichen Erklärung selbst ausprobieren, lässt sich Zazen in drei Phasen zusammenfassen. Zuerst beginnt man in der Lotus-Sitzhaltung, die möglichst beibehalten werden soll. Die Augen sind leicht geschlossen, der aufrechte Rücken wird durchgestreckt, die Hände fallen sanft im Schoß zusammen und bilden eine ovale Form. Danach atmet man, ähnlich wie beim Yoga, kontrolliert durch die Nase ein und durch den Mund aus.
Nun konzentriert man sich beständig auf die Atmung, wobei man automatisch in einen meditativen Zustand verfällt. Zazen zielt im Grunde darauf ab, dass man den Geist „kultiviert“, um die Wahrheit der Dinge und des Seins zu sehen und sich überflüssiger Gedanken zu entledigen. Nachdem die Zeit wie im Flug verstrichen ist, fühlen wir uns mental erfrischt. Der Mönch erzählt uns noch davon, dass es eine Partnerschaft mit zwei weiteren Tempeln gäbe. Im nahegelegenen Kōfukuji-Tempel könne man sich in Kalligrafie üben und der Iōji-Tempel sei auf Teezeremonien spezialisiert.
Unterwegs auf altertümlichen Pfaden
Unser vorletztes Ziel ist die Nakasendō, diese war eine Handelsroute im alten Japan. Von Tōkyō beginnend führte sie durch die Bergregionen Zentraljapans bis nach Kyōto. Wir bewandern heute den Abschnitt zwischen den Dörfern Ochiai-juku und Magome-juku. Der Pfad, auf dem schon die alten Samurai marschierten, führt uns durch immergrüne Nadelwälder an kleinen Schreinen vorbei, zu Dörfern, von dessen Feldern aus man einen famosen Ausblick auf die „Südalpen“ Japans genießen kann. Obwohl dies eine einfach zu bewältigende Wanderstrecke ist, erinnern wir uns beim Gedanken daran, wie die Menschen früher diese Pfade monatelang bereisen mussten, wieder daran, wie beschwerlich das Leben im alten Japan gewesen sein musste.
Das Bergdorf Magome-juku gewährt uns einen Anblick, wie wir ihn noch nie zuvor gesehen haben. Ein Pfad aus Natursteinplatten schlängelt sich bergaufwärts durch das Dorf. Die Gasthäuser, Restaurants und Cafés im traditionellen Stil wechseln sich regelrecht gegenseitig ab. Entlang des Weges plätschert ein kleiner Fluss, der an einigen Stellen auf Wasserräder umgeleitet wird. Als hätte man uns in einen alten Samurai-Film katapultiert, ist es genau das, was wir zum Abschluss unserer Reise gebraucht haben. Wir rasten noch eine Weile auf einer Bank, mit bestem Blick auf das vor uns liegende Gebirgsmassiv, bevor die Sonne schon wieder untergeht.
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