Auch wenn der letzte Hauch des Winters oft ein anderes Bild vermitteln mag: Ist der späte März einmal erreicht, ist auch der Frühling nicht mehr fern. Dann sieht jeder der Kirschblütensaison entgegen, egal ob betagte Damen oder junge Punks, alle freuen sich auf das Blühen der Sakura.
Sobald die ersten Knospen an den Kirschbäumen zu erkennen sind, tauchen auch die Takoyaki-Wägelchen, einer nach dem anderen, an den schönsten Hanami-Spots der Stadt auf und die Bäume werden mit Laternen geschmückt. Aufgrund ihrer hohen Kirschbaumdichte bieten diese Orte eine spektakuläre Aussicht auf die sich nähernde mankai, die volle Blüte der Sakura.
Eigentlich ist Hanami eine Gelegenheit, über die Schönheit der Natur und ihre Vergänglichkeit zu sinnieren, doch kann die Periode auch sehr anstrengend für die Leber sein. Natürlich sieht man Menschen unter den Kirschbäumen sitzend ihr Bentō genießen, doch ist der Verzehr von kopiösen Mengen an Alkohol zentral für die Erfahrung der Kirschblütenschau.
Es gibt immer wieder Leute, die bis zum Äußersten gehen, um einen guten Platz für das Hanami zu erhaschen. Für viele nach dem Studium erstmals Angestellte bringt die Hanami-Zeit Anfang April eine der ersten Pflichten: das basho tori. Der Anblick frisch gebackener Angestellter, die von früh morgens bis in die Abendstunden einsam auf Plastikdecken verharren bis ihre Kollegen nach Feierabend dazu stoßen, ist kein seltener.
Auf der nachfolgenden Karte sind die beliebtesten Orte Hiroshimas aufgeführt, an welchen man u.a. schrecklich-schönem Karaoke lauschen kann, Augenkontakt mit dem größten Trunkenbold des Parks vermeidet oder einfach nur die zeitgebundene Anmut der Natur bewundert, die sanft die komatösen Körper der Hanami-Feiernden mit Kirschblüten bedeckt. Falls einem allerdings doch eher nach Ruhe und Frieden ist, dann bereitet man sich am besten ein eigenes Bentō vor und reist zu einem der vielen kleineren und unbekannteren Fleckchen von Kirschbäumen in der Stadt, welche schlicht zu klein sind, um als “Hanami-Spot” zu gelten. Viele dieser ruhigeren Orte kann man entlang der zahlreichen Flüsse Hiroshimas auffinden. Alternativ bietet die Flucht in die Berge sich für die Suche nach einem perfekten Platz für den Genuss der ungezähmt schönen yamazakura an.
Friedenspark Hiroshima
Die zentrale Lage zwischen dem Friedensdenkmal Hiroshimas und dem Friedensboulevard sowie seine 300 die Ufer des Flusses Motoyasu säumenden Kirschbäume machen den Friedenspark Hiroshima zu einem sehr begehrten Ort für Hanami. In größeren Gruppe oder am Wochenende muss man hier sehr früh mit Platzdecken aufwarten und diese unerbittlich verteidigen, um hier einen guten Platz zur Kirschblütenschau zu ergattern.
Es ist zu erwähnen, dass einige Überlebende des Atombombenangriffs das Feiern an Orten, die sie als Massengräber verstehen, für geschmacklos halten. Die zur Hanami-Zeit gängigen Menschenmassen zeigen jedoch, dass dies keine universell gültige Meinung ist. Es ist jedoch zu empfehlen, sich hier nicht zu sehr gehen zu lassen und auf das gründliche Einsammeln von anfallendem Müll zu achten.
Burg Hiroshima
Das Areal der Burg Hiroshima und die Bänke des Burggrabens sind hervorragende Plätze, die rund 350 hier angesiedelten Kirschbäume zu betrachten, welche zu Anfang April ihre Knospen öffnen. Die Kulisse bietet weiterhin Hintergrund für besonders schöne, „typisch japanische“ Fotos.
Chuō-kōen: Der Zentralpark Hiroshimas und Motomachi POP’La Dori
Im Chuō-kōen gibt es zahlreiche Sakura, die den grasbewachsenen Hügel des Parks umringen. Der jedoch bei weitem beste Hanami-Spot der Anlage ist die breite Grasfläche entlang des Flusses Ota. Erst kürzlich wurde dieser Abschnitt zu”POP’La Dori” umbenannt und befindet sich am westlichen Rand des Parks. Der entlang der Grasfläche verlaufende Fußgänger- und Fahrradweg wird von herrlichen Kirschbäumen gesäumt.
Hakushima Kuken-chō
Ein bei den Anwohnern beliebter Ort für Hanami ist das für gewöhnlich ruhige Stück Ufer längs des Kyōbashi-gawa. Die Naherholungszone erstreckt sich von der Brücke Kōhei-bashi, nahe des Big Wave Sportzentrums, bis hinunter zur Brücke Tokiwa-bashi, welche direkt hinter den Eisenbahnbrücken der Sanyō-Line liegt.
Die Straße direkt oberhalb des schmalen Parks, zwischen der Kōhei-bashi und der Ushita-ōhashi, verwandelt sich zur Kirschblütensaison in einen wahren Sakura-Tunnel, wenn die überhängenden Äste der Bäume ihre Blüten auf die Straße regnen lassen. Da es hier jedoch keinen Bürgersteig gibt und Autos die Straße in raschem Tempo befahren, ist als Fußgänger Obacht geboten.
Wandelgarten Shukkei-en
Kirschblüten sind am schönsten, wenn sie im Sonnenschein vor blauem Himmel erstrahlen. Spielt das während des Hanami oft unberechenbare Wetter jedoch nicht mit, sorgt der Shukkei-en dennoch für eine besondere Atmosphäre. Im Wandelgarten genießen Sie die Blüten der Sakura bei einer Tasse japanischem Tee und am ersten Sonntag im April sind während der jährlich stattfindenden Teezeremonie des Gartens auch einige hübsche Kimonos zu bestaunen. Sind Sie hingegen auf der Suche nach gelassener und ruhiger Reflexion, wofür der Park natürlich wie geschaffen ist, sollten Sie ihn an den Wochenenden meiden.
Auch die nächtliche Beschauung der Kirschblüte, yozakura, ist ein besonderes Highlight.
Neben der Kirschblüte ist die Hanami-Saison die Zeit schlechthin, frisch vermählte Paare bei der Aufnahme ihrer Hochzeitsfotos in prachtvollen Gewändern bewundern zu können.
Hijiyama-kōen
Mit etwa 1.300 Kirschbäumen, die die Pfade des Parks auf seiner Hügelkuppe säumen und von wo aus ein fantastischer Blick auf die Stadt genossen werden kann, ist der Hijiyama-kōen einer der besten Hanami-Spots Hiroshimas. Die Gegend um den Henry Moore’s Arch, gleich gegenüber des Hiroshima City Museum of Contemporary Art, bietet eine beliebte Kulisse für Fotos. Weiterhin ist der offene Platz neben der Manga-Bibliothek, trotz seiner kahlen Rasenflächen, bei Familien sehr beliebt. Unter den Kirschbäumen der sich um den Hügel windenden Pfade kann man zum Hanami zahlreiche Picknickgemeinschaften beobachten. Hijiyama-kōen ist ebenfalls ein yozakura-Spot, was den Park auch abends sehr lebendig macht. Dennoch wird von den örtlichen Betreibern erwartet, das Gelände bis 23 Uhr zu räumen.
Holzbogenbrücke Kintai-kyō in Iwakuni
Der Hanami-Spot der Kintai-kyō liegt zwar weder in der Präfektur noch der Stadt Hiroshima, doch warum sich an Grenzen binden, wenn es doch so nah und so schön ist? Noch dazu wurde die sich in Iwakuni befindende Holzbogenbrücke von den Lesern GetHiroshimas auf Platz 1 der besten Hanami-Spots Hiroshimas gewählt. Die historische Brücke ist wenigstens einmal im Jahr einen Besuch wert; selbst bei bewölktem Himmel oder Regen. Auch wenn es dunkel wird, bleibt die dann beleuchtete Kintai-kyō eine beliebte Sehenswürdigkeit.
Friedenspagode Futaba-yama
Auf dem flachen Plateau der silbernen Friedenspagode am Berg Futaba-yama, nördlich des Shinkansen-Bahnhofs, befinden sich mehrere Kirschbäume die zum Picknick einladen. Zudem bietet die erhöhte Lage der Sehenswürdigkeit eine wundervolle Aussicht über den Stadtkern Hiroshimas. Die Friedenspagode ist eine hervorragende Gelegenheit für Leute, die das Hanami gerne mit einer Wanderung verbinden möchten. Der Weg den Berg hinauf führt unter rund 100 zinnoberroten torii-Schreintoren und einem herrlichen Wald hindurch. Am Fuß des Bergs liegt das „Steak & Coffee“ Restaurant Mahogany, das mit einem großen, bei Tag und Nacht von prächtigen Sakura beschatteten Balkon aufwartet.
Mitaki-dera
In der Tempelanlage des Mitaki-dera finden sich vereinzelte Kirschbäume, die besonders in der Ansicht der von blühenden Sakura umringten Tahōtō-Pagode bekannt sind. Noch beeindruckender sind jedoch die üppigen Blüten, die bergauf in Richtung des Tempels erblühen.
Der sonst eher unscheinbare Park (kaum mehr als ein Fleckchen Erde) explodiert schier vor weißen und pinken Kirschblüten und wird oft durch Familien-BBQs gefüllt. Der Mitaki-dera ist auch bei Regen ein sehr angenehmes Ausflugsziel.
Ebayama-kōen
Der südlich des Stadtzentrums gelegene Park Ebayama-kōen gewährt vor allem Sicht auf den eher industriellen Teil Hiroshimas sowie die Seto-Inlandsee, Miyajima und andere Inseln. Die nächtliche Beleuchtung ebenso wie die unkonventionell geformten Toilettenhäuschen tragen ihren besonderen Teil zur Atmosphäre bei.
Zwar gibt es im Park nur etwa 150 Kirschbäume, doch beinhalten diese auch eine in Japan sehr seltene Art namens Hiroshima Ebayama-zakura, welche erst 1944 entdeckt wurde.
Ushita-Sōgō-kōen
Am besten bekannt für seinen im Spätfrühling und Herbst blühenden Rosengarten, gibt es im Ushita-Sōgō-kōen auch zahlreiche Kirschbäume zu bewundern. Die hochgewachsenen Sakura sind während der Hanami-Saison geradezu von pink-weißen Blüten überladen. Trotz seiner großen Anzahl an Kirschbäumen und zahlreichen Sitzgelegenheiten auf dem Rasen, Bänken oder in Gartenpavillons, ist der Park für gewöhnlich eher ruhig. Auch Getränkeautomaten stehen am lokalen Naturzentrum bereit, jedoch mangelt es der Anlage an Toiletten, was man vor seinem dortigen Besuch beachten sollte. Der hügelseitig gelegene Ushita-Sōgō-kōen befindet sich nur 3 km von Hiroshimas Hauptbahnhof und dem Stadtzentrum entfernt.
Spätblüher
Möchte einen das Hanami-Feeling einfach nicht loslassen oder ist man schlicht ein bis zwei Wochen nach der Hauptblüte in Hiroshima, gibt es zum Glück noch ein paar Möglichkeiten das Hanami nachzuholen. Wer hingegen auch diese nicht wahrnehmen kann, dem sei gesagt, dass die den Erdboden bedeckenden Kirschblüten ebenso wunderschön anzusehen sind wie auf den Bäumen.
Zweigstelle Hiroshima der japanischen Münzprägeanstalt
Zum Hanami öffnet die Münzprägeanstalt Hiroshimas jährlich ihre Tore für eine Woche, um auch der Öffentlichkeit Zugang zu den sich auf dem Gelände befindenden mannigfaltigen Arten der Sakura zu gewähren. Ganze 60 verschiedene Sorten an Kirschbäumen gibt es in der Prägestätte zu bestaunen, jede ihre ganz eigenen Formen und Farbschattierungen zur Schau stellend. Abends ist das Gelände bis 20 Uhr geöffnet und auch hier werden die Kirschblüten beleuchtet. Der Eintritt ist frei, mehr Details finden Sie hier.
Haji-Damm
Der durch Menschenhand angestaute See Yachiyo nördlich von Hiroshima bietet während des Hanami mit etwa 6.000 blühenden Kirschbäumen einen fantastisch schönen Ort, die späte Saison zu genießen. Nach Einbruch der Dunkelheit werden noch viele der sich am See befindlichen Bäume von rund 400 Laternen beleuchtet. Der See ist insbesondere für Familien ein beliebter Hanami-Spot. Die Blütezeit der Sakura beginnt hier etwas später als in der Stadt und dauert, je nach Wetter, auch etwas länger an.
Botanischer Garten Hiroshima
Das sakura matsuri des Botanischen Gartens Hiroshima stellt den ganzen April über seine unvergleichliche Vielfalt an Kirschblüten zur Schau. Da der botanische Garten über die größte Auswahl verschiedener Kirschbäume der gesamten Präfektur verfügt, kann man hier den ganzen Monat lang die anmutigen Farben der mankai beobachten. An den ersten Wochenenden im April hat der Garten auch nachts geöffnet und die Kirschbäume erstrahlen dann, beleuchtet von zahlreichen Licht- und Kerzendekorationen, in einer außergewöhnlich eindrucksvollen Weise.
Dieser Artikel wurde am 24. März 2018 von Paul Walsh für GetHiroshima verfasst und für die Veröffentlichung auf JAPANDIGEST von Nils Gärtner übersetzt und nachbearbeitet.
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