Takao-san: der Hausberg Tōkyōs
Wandern wird mehr und mehr zu einer beliebten Freizeitaktivität für die modernen japanischen Stadtbürger. Aber was ist es, das Wandern so attraktiv macht? Ist es das Erfolgsgefühl, wenn man einen Gipfel erklommen hat? Die atemberaubende Aussicht auf die Natur? Aber Moment: Wenn man die Gelegenheit hätte, von einem Wanderer eine ehrliche Antwort auf diese Frage zu bekommen, würde sie sicher Folgendes beinhalten: „Gutes Essen, Trinken und heiße Quellen.“ Das Essenzielle kommt also erst nach dem Aufstieg.
Der Takao-san befriedigt alle diese Gelüste. Er ist 599 m hoch und liegt in der Stadt Hachiōji, südwestlich von Tōkyō. Der heilige Berg steht auf jeder Wanderliste ganz oben und hat sogar drei Michelin-Sterne. Die rund 2,6 Millionen Besucher jedes Jahr (mehr als irgendwo sonst auf der Welt!) sprechen für sich. Der Berg ist allemal einen Besuch Wert.
Auf jeder der zahlreichen Wanderrouten ist der Gipfel innerhalb weniger Stunden erreichbar. Noch schneller geht es natürlich mit der Seilbahn. Sobanudeln schlürfend und die Aussicht genießend spürt man am Gipfel angekommen nur ein Gefühl: „Ich bin in Japan!“ Der Biergarten ist praktischerweise einen Fußmarsch von null Minuten von der Seilbahn-Station entfernt.
Zwar ist ein Minimum an Vorbereitung notwendig, allerdings fühlt man sich hier mit modernster und stattlicher Ausrüstung eher fehl am Platz. Ich selbst habe schon gemütlich plaudernde Mädchen mit hübschen Handtaschen und hohen Sneakers den Berg hinaufsteigen sehen – als würden sie einen Abstecher zu McDonald’s machen.
Seit 2015 kommen auch Warmbader auf ihre Kosten: Die heiße Quelle Keio Takaosan Onsen / Gokurakuyu (am Bhf. Takaosanguchi) lädt zu einem erquickenden Bad nach dem Wandern ein. Auch spontan ist der Besuch kein Problem, da es einen Handtuchverleih sowie Duschseife etc. gibt. Ein Hinweis: Laut Website ist der Besuch des Onsen mit Tattoos nicht gestattet.
Schwierigkeit: leicht
Dauer: 2-3 Stunden
Oze: Pfade durch geheimnisvolle Natur
Welche Qualitäten erwartet ein Wanderer von der Natur, in der er sich aufhält? Man kann grundsätzlich zwischen zwei Aspekten unterscheiden: majestätisch und mysteriös. Oze bitet Letzteres und davon jede Menge.
Der Oze-Nationalpark erstreckt sich über die vier Präfekturen Fukushima, Tochigi, Niigata und Gunma; unter Besuchern ist das rund eine Millionen Jahre alte Ozegahara-Feuchtgebiet besonders beliebt. Es liegt rund 140 km nördlich von Tōkyō. Die von Bergen umgebene Umwelt des Gebiets ist streng reguliert. Es gibt keine Seilbahn oder dergleichen. Über Holzstege, die sich durch das Gebiet schlängeln, können Besucher jedoch in die eindrucksvolle Natur eintauchen, ganz ohne Anstieg. Einen Anblick wie diesen gibt es nur einmal in Japan.
Man muss allerdings dazu sagen, in Oze zu wandern, ohne vom Regen erwischt zu werden, ist ein schweres Unterfangen. Bei meinem ersten Ausflug trug ich dünnbesohlte Converse-Sneakers, was man mir nachsehen möge, da ich damals noch ein blutiger Wanderanfänger war. Der nasse, teils schräge Holzsteg unter meinen Füßen fühlte sich an wie das Laufband im Fitnessstudio. Hören Sie auf meinen Rat: Seien Sie nicht übermütig, wenn Sie am Ende nicht so schluchzen wollen wie ich damals.
Schwierigkeit: mittel
Dauer: 6-8 Stunden (oder mehr)
Hodo-san: Feine Auswahl lokaler Spezialitäten
Wenn Sie sich in Tōkyō aufhalten, kann ich Ihnen einen Besuch in Saitama – einer Nachbarpräfektur Tōkyōs – wärmstens empfehlen, selbst für nur einen Tag. Ich übertreibe nicht, wenn ich sage, dass Saitama ein Paradies für Wanderer kleiner Berge ist. (Und das sage ich nicht nur, weil ich in der Präfektur Saitama geboren wurde!)
Ausgehend von der Seibu Chichibu-Linie, deren Strecke den Westen Saitamas durchzieht, können Sie von jeder Station Ihre Wanderung starten. Besonders zu empfehlen ist jedoch der Hodo-san, mit knapp 500 m Höhe und zentral in der Region Chichibu gelegen. Der Parkplatz am Fuß des Bergs ist per Seilbahn direkt mit dem Gipfel verbunden. Von dort reicht der Blick über Saitama bis nach Tōkyō, sofern das Wetter es zulässt.
Was den Hodo-san jedoch so außergewöhnlich macht, ist die Fülle lokaler Spezialitäten, die dort angeboten werden. Im Sommer müssen Sie auf jeden Fall Kakigōri – geschabtes Eis – probieren. Sobanudeln sind immer eine gute Wahl und mit Warajikatsu probieren Sie eine Schnitzelvariante ostasiatischer Art.
Außer zu Schlemmen bietet die Gegend noch zahlreiche andere Aktivitäten – wie zum Beispiel Raften oder Gleitschirmfliegen – je nach Lust und Laune. Übrigens, ein paar Minuten unterhalb des Gipfels befindet sich der Chichibu Hodo-san Zoo, der als Attraktion gilt. Besucher empfinden die dort herrschende „lokale Atmosphäre“ (oder besser gesagt: „heruntergekommene Atmosphäre“) vielleicht als Abwechslung.
Schwierigkeit: leicht
Dauer: 2-4 Stunden
Arafune-yama: Säbelzahn-Raumschiff
Falls der Artikel Sie bisher noch nicht davon überzeugt hat, anders als trockene Blogeinträge zu sein, wird dieser Berg es veilleicht tun: Während eines Urlaubs sind ein Freund und ich die Bundesstraße 254 in der Präfektur Ibaraki entlang gefahren, als sich vor uns plötzlich die massive Form eines Berges mit sägezahnartigen Kanten auftat. Die Umrisse waren beeindruckend; wie ein Raumschiff, das in den Bergtälern gelandet ist: Der Arafune-yama.
Wir parkten den Wagen und entschieden uns, den Berg spontan zu besteigen. Wir merkten schnell, dass weder Technik noch Kraft nötig waren, um den Berg – trotz seines wilden Erscheinens – zu bezwingen. Während des Aufstiegs auf die 1.423 m Höhe begegneten wir vielen Familien-Wandergruppen. Nach etwa zwei Stunden erreichten wir den ausladenden Gipfel und näherten uns der gezackten Klippe – glücklicherweise haben wir beide keine Höhenangst. Denn vom Gipfel des Arafune-yama, blickten wir Schwindel erregende 200 m in die Tiefe – ohne Zaun, wohlgemerkt! Übrigens, seinen Namen erhielt der Arafune-yama bezeichnenderweise von einem die stürmischen Wellen durchbrechenden Schiff.
Der einzige Nachteil ist die erschwerte Anreise ohne öffentliche Verkehrsmittel. Ich empfehle, mit dem Auto zum Arafune-yama zu fahren; einen Parkplatz finden Sie allemal. Es gibt auch einige Buslinien, die an dem Berg vorbeiführen, auch wenn oft gesagt wird, dass das Busfahren eine der größten Herausforderungen für Japanreisende darstellt.
Schwierigkeit: mittel
Dauer: 2-5 Stunden
Tanigawa-dake: Trekking durch alpine Natur
Die oben genannten Wanderrouten sind für erfahrene Wanderer möglicherweise zu seicht, zu guter Letzt also noch eine anspruchsvollere Strecke. Auch innerhalb eines Tages ist es möglich, einen etwas höheren Gipfel zu erklimmen. Doch aufgepasst: Die Route auf den Tanigawa-dake mit seinen 1.977 m Höhe kann sogar als Trekking-Route bezeichnet werden. Eine Seilbahn bietet zwar die Möglichkeit, den Weg zum Gipfel abzukürzen, aber auch die restliche Strecke ist nicht unbedingt ungefährlich.
Wegen seiner niedrigen Baumgrenze um 1.600 m gedeihen auf dem Tanigawa-dake allerlei alpine Pflanzen. Unter anderem verzaubern dort verschiedene Liliensorten und Echtes Mädesüß die Landschaft. Auf der anderen Seite bedeutet dies auch: immer gut auf stürmisches Wetter vorbereitet sein.
Wenn Sie mich fragen, ist der Tanigawa-dake wohl das genaue Gegenteil des Takao-san. Alles in allem verspricht er ein spannendes Bergsteig-Erlebnis, wenn auch nicht gefüllt mit „luxuriösen“ Sightseeing-Eindrücken.
Schwierigkeit: schwer
Dauer: 6-8 Stunden
Das Wort zum Schluss
Mit jeder dieser Wanderrouten können Sie die japanische Natur und Wanderkultur erleben. Bitte vergessen Sie jedoch nicht, die Strecke entsprechend Ihrer persönlichen Fähigkeit und Ausdauer auszuwählen und das angekündigte Wetter in Betracht zu ziehen.
JAPANDIGEST wünscht fröhliches Wandern.
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