Märkte in anderen Ländern sind immer etwas Besonderes, erst recht außerhalb von Westeuropa oder den USA, wo eine echte Marktkultur kaum noch existiert. In Japan sind es die Fischmärkte, die viel über das Land aussagen. Fischmärkte existieren in jeder kleinen Stadt, solange diese über einen Fischereihafen verfügt – und solche Städte gibt es bekanntermaßen viele. Doch was geht in einem japanischen Fischmarkt vor?
Touristenfang Thunfischauktion
In erster Linie sollte man dazu verstehen, dass Fischmärkte weniger für Privatkunden gedacht sind. Es gibt auch zahlreiche Ausnahmen, bei denen auch ganz normale Durchschnittsverbraucher die Ware begutachten und erstehen können, doch das wahre Geschehen spielt sich entweder hinter den Kulissen oder bei den lautstarken Aktionen ab, bei denen der Auktionator in einer kaum verständlichen Laut- und Zeichensprache ganze Ladungen oder eben große Einzelexemplare versteigert. Spektakulär sind da in erster Linie die Thunfischauktionen, denn die Thunfische werden weniger und damit auch teurer, weshalb ein ausgewachsener Thunfisch heute schon mal mehrere hunderttausend Euro kosten kann. Diesbezüglich gibt es zum Glück auch erfreuliche Nachrichten – früher oft als nicht realisierbar abgetan, züchtet man heute in Japan Thunfische, um die natürlichen Bestände zu schonen.
Die Thunfischauktionen von Tsukiji waren einst ein Geheimtipp für Japanbesucher, doch der Tipp ist schon lange nicht mehr geheim, und die stetig steigenden Besucherzahlen sowie die bedauernswerte Tatsache, dass einige Besucher nicht nur im Weg herumstehen, sondern sogar die Ware mit bloßen Händen anfassen, führte zur Einführung von Quoten bei der Auktion: Nur noch 120 Besucher pro Tag werden zugelassen. Diese 120 Besucher werden morgens um 5 Uhr bestimmt, nach Reihenfolge des Erscheinens. Wer nicht unter den 120 Ersten ist, kann wieder umdrehen und weiterschlafen.
Umsiedlung Tsukijis unvermeidbar
Tsukiji hat mit weiteren Problemen zu kämpfen: Das Marktgelände ist alt, sehr eng bebaut und alles andere als stabil. Das wurde tragisch-eindrucksvoll durch einen Großbrand am 3. August 2017 bewiesen. Das Alter sorgt zudem auch für wachsende Sorge um die hygienischen Zustände in Tsukiji. Die Rede ist dabei auch von ganz besonderen “Leichen im Keller”: Auf dem Gelände sollen die Überreste von drei Walen verscharrt worden sein, die 1954 in der Nähe des Bikini-Atolls – unmittelbar nach einem Kernwaffenversuch – gefangen wurden.
Diese und andere Sorgen führten schon vor etlichen Jahren dazu, die Umsiedlung von Tsukiji nach Toyosu zu beschließen. Toyosu liegt nur gut zwei Kilometer Luftlinie entfernt von Tsukiji auf einer der Neulandinseln. Die Markthallen wurden schon vor geraumer Zeit fertiggestellt, doch bei abschließenden Untersuchungen musste man nun feststellen, dass man die Altlastenproblematik auf Toyosu unterschätzt hat: Dort stand früher ein Gaswerk, und es hinterließ Benzen und andere Gefahrenstoffe im Boden, die nun durch das Grundwasser in die nagelneuen Markthallen gelangen. Zurecht sorgten und sorgen sich die Fischhändler von Tsukiji, womöglich vom Regen in die Traufe zu geraten. Unzählige Sushi- und andere Restaurants in der Gegend um Tōkyō stehen dann auch vor einem Problem: Das Gütesiegel tsukiji chokusō (“Direkt aus Tsukiji geliefert”) muss umgeändert werden.
Doch der Umzug wird kommen – dies ist eine der Hauptaufgaben der relativ neuen Gouverneurin von Tōkyō, Koike. Und so viel steht fest: Tsukiji ist aufgrund seiner Enge und des Lärms und der ganzen Geschichte für Besucher wesentlich attraktiver. Man muss dazu nicht einmal den Auktionen beiwohnen – auch ein Bummel über das Gelände am Morgen ist auf jeden Fall empfehlenswert. Dank der zahllosen, oft chaotisch gestalteten Verkaufsstände und Restaurants ist immer und überall etwas zu entdecken. Wem jedoch der Rummel zu groß ist, der kann auch Markthallen in anderen Städten besuchen. Dort ist zwar alles eine Nummer kleiner, aber im Wesentlichen ist alles dasselbe.
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