Japan - mit dem zug von Nord nach Süd 19-Tage-Studienreise

Takachiho: Wo die Götter wohnen

Marie-Louise Helling
Marie-Louise Helling

Als die Wohnstätte uralter mystischer japanischer Götter bekannt, bietet sie beeindruckende Naturformationen und frischgefangenen Fisch aus glasklaren Flüssen: Umgeben von majestätischen Bergen liegt die beschauliche Stadt Takachiho. Es wird erzählt, dass sich dort die wohl berühmteste Legende der shintoistischen Mythologie ereignete.

Die Takachiho-Klamm
Die Takachiho-Klamm: Bizarre Felsformationen und türkisblaues Wasser laden zur Bootstour ein. © Takumi Tsunoda

Weit im Landesinneren des südlichen Kyūshūs, in der Präfektur Miyazaki, liegt die kleine und eher unbekannte Stadt Takachiho. Tiefe Schluchten und zerklüftete Berge kennzeichnen die Landschaft. Die Einheimischen nennen den Ort auch liebevoll shinwa no sato: das „Dorf der Mythen“. Viele Legenden ranken sich um Takachiho, das Jahr für Jahr zunehmend mehr an touristischem Interesse gewinnt. Auch wenn die spärlich ausgebauten Verkehrswege die Anfahrt mit dem öffentlichen Bus erschweren, lohnt es sich allemal diesen entlegenen nordwestlichen Winkel Miyazakis zu besuchen und sich mit den faszinierenden Legenden Japans vertraut zu machen.

Die Legende von Amaterasu und die Ama no Iwato-Höhle

Die ältesten überlieferten Schriften Japans (Kojiki und Nihongi) erzählen von einer der bekanntesten Legenden Japans. Sie handelt von der Sonnengöttin Amaterasu, deren Aufgabe es ist, über den Himmel zu wachen: Vor langer Zeit, als das Land noch sehr jung war und die Götter in Wäldern und Gewässern wohnten, begab sich die strahlende Göttin Amaterasu nach Takachiho. Sie war das erste Kind von Izanagi und Izanami, dem göttlichen Urvater und der Urmutter Japans, die zusammen drei Kinder hatten und auch alle weiteren Götter Japans schufen. Eines Tages geriet Amaterasu in einen Streit mit ihrem Bruder, dem Sturmgott Susanoo. Daraufhin zog sich Amaterasu in die Ama no Iwato-Höhle („Himmlische Felshöhle“) zurück und Finsternis breitete sich über die Welt aus.

AwajijimaIzanagi und Izanami – Der japanische GründungsmythosEine alte Göttersage aus dem Kojiki überliefert, wie die Welt, die Menschheit und die Nation Japan entstanden sein sollen - durch die Hand d...05.05.2021

Der Ama-no-Iwato Schrein

Heute wird die Sonnengöttin im Hauptschrein vom Ama no Iwato-Schreinkomplex in Takachiho verehrt. Täglich werden von 9.00 bis 16.40 Uhr kostenlose 20-minütige Führungen in das Innere angeboten. Als Vorwarnung: Wer keine Japanisch-Kenntnisse mitbringt, dem kann es unter Umständen schwer fallen an der Führung teilzunehmen, geschweige denn die kleine Informationstafel mit den genauen Uhrzeiten zu finden. Diese befindet sich direkt hinter dem Shop, der Glücksbringer (omamori) verkauft und links neben dem Haupttor (torī) am Eingang des Schreins liegt.

Ein älterer shintoistischer Priester spricht auf Japanisch von der Überlieferung der Legende von Amaterasu und zeigt den Besucher:innen die Höhle, in der sie sich versteckt hielt. Diese Höhle kann nur im Rahmen der Führung besichtigt werden. Davor nehmen alle Besucher:innen an einem shintoistischen Ritual zur Vertreibung negativer Energien teil. Die Höhle befindet sich auf der anderen Flussseite und kann nur aus der Ferne betrachtet werden. Zwischen hohen Bäumen ist eine Felswand zu sehen, an deren Fuß sich der Eingang befindet. Ein langes gewundenes Seil (shimenawa) aus Reisstroh spannt sich über den Felsen. Fotografieren des Heiligtums ist verboten.

Nishi-Hongu-Schrein
Auf den Spuren der Legende über die Sonnengöttin Amaterasu. © Takumi Tsunoda

Um Amaterasu herauszulocken, beratschlagten sich die acht Millionen Götter (yaoyorozu) in der großen Ama no Yasugawara-Höhle, die neben dem Iwate-Fluss liegt und zum Ama no Iwato-Schrein gehört. Sie entschieden, dass die Göttin Ame-no-Uzume-no-Mikoto einen Tanz aufführen sollte. Mit unzüchtigen, tanzenden Bewegungen, die sie vor der Höhle vollführte, brachte sie die Götter gehörig zum Lachen. Die Sonnengöttin vermochte ihre Neugierde nicht mehr zu zügeln und lugte scheu aus dem Höhleneingang heraus. Zuvor hatten die Götter schlauerweise den Yata no Kagami-Spiegel vor der Höhle platziert. Fasziniert von ihrem eigenen bildschönen Spiegelbild, blieb sie wie gebannt an Ort und Stelle stehen. Man zog sie sogleich aus der Höhle und das Licht kehrte in die Welt zurück. Als Amaterasu die Höhle verlassen hatte, wurde ein heiliges Siegel darauf aufgetragen, damit sie sich nie wieder darin verstecke konnte. Der Spiegel gehört heute zu den drei Throninsignien des japanischen Kaisers, die jedoch kein Mensch außerhalb der Kaiserfamilie zu Gesicht bekommt.

Der Ama no Iwato-Schrein befindet sich nur einen Kilometer entfernt vom Hauptschrein. In der Höhle und am Flussufer bezaubert der Anblick von tausenden aufgeschichteten Steinpyramiden, die das mystische Gesamtbild des Ortes vervollständigen. Nicht grundlos gilt der Ort als „Power Spot“ in Japan.

Ama-no-Yasugawara-Höhle
Die Ama no Yasugawara-Höhle: Der Ort, wo sich die acht Millionen Götter versammelten. © Marie-Louise Helling

Der Takachiho-Schrein

Im Stadtzentrum von Takachiho liegt der ca. 1200 Jahre alte Takachiho-Schrein, auf dessen Gelände bis zu 800 Jahre alte Zedernbäume stehen. Zudem werden jeden Abend zwischen 20 und 21 Uhr vier Episoden der Nachttänze (yokagura) aufgeführt, die die Legende von Amaterasu erzählen. Das Spektakel kostet 700 Yen (ca. 5 Euro) Eintritt. Zwischen Mitte November und Anfang Februar findet jedes Jahr das Yokagura Matsuri mit den vollständigen 33 Tanzepisoden zur japanischen Mythologie statt. Auf dem Festival tanzen ausschließlich die Männer, während die Frauen sich um die Verköstigung der Familie und der Festgäste kümmern.

Statue der tanzenden Göttin Ame-no-Uzume-no-Mikoto
Die tanzende Göttin: Ame-no-Uzume-no-Mikoto lockte Amaterasu aus der Höhle heraus. © Marie-Louise Helling

Die Takachiho-Klamm

Der türkisblaue Gokase-Fluss schlängelt sich durch Takachiho, eingebettet in einer tiefen Klamm, die vor mehr als 100.000 Jahren durch vulkanische Aktivitäten entstand. Gemütlich paddeln Touristen in kleinen Booten durch die Schlucht. Eine 30-minütige Bootsfahrt für 2.000 Yen (ca. 16 Euro) ist durchaus empfehlenswert, um den beeindruckenden Minai-Wasserfall in all seiner Pracht von unten bewundern zu können. Wer gerne frischen Fisch isst, der sollte unbedingt den Flusslachs (yamame) probieren. Eine Köstlichkeit aus Takachiho!

Typisches japanisches Menü mit frischem Flusslachs aus Takachiho
Frischer Flusslachs: eine besondere Speise, die in den Restaurants von Takachiho angeboten wird. © Takumi Tsunoda

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