Japan - mit dem zug von Nord nach Süd 19-Tage-Studienreise

Shinagawa: Hochhäuser und Samurai-Legenden

Matthias Reich
Matthias Reich

Der heutige Ausflug in die verschiedenen Stadtviertel Tōkyōs führt uns nach Shinagawa – bekannt vor allem für seinen eigenen Shinkansen-Bahnhof, seine reichlich moderne Stadtplanung und interessante Geschichte.

Shinagawa Hochhäuser
Die Hochhäuser von Shinagawa gehören zum Stadtbild der Gegend. © Photo AC / makoto.h

Man kann es schon fast als Faustregel ansehen: Sieht man in Tōkyō ein teures und/oder extravagantes Auto herumfahren, so ist die Wahrscheinlichkeit hoch, dass am Nummernschild die Schriftzeichen „Shinagawa“ (品川) prangen. „Shinagawa“ als Ortsname hat dabei zwei Bedeutungen, kennzeichnet es doch sowohl einen der 23 Innenstadtbezirke von Tōkyō als auch, im engeren Sinne, die Gegend rund um den Bahnhof Shinagawa. Um die Verwirrung (wie so oft in Tōkyō) perfekt zu machen, liegt der Bahnhof Shinagawa noch nicht einmal im gleichnamigen Bezirk, sondern etwas nördlich davon, im Bezirk Minato. Heute geht es um die Gegend rund um den Bahnhof Shinagawa.

Einst Meer, jetzt Meer aus Wolkenkratzern

„Shinagawa“ setzt sich aus zwei sehr, sehr einfachen Schriftzeichen zusammen, dem für „Waren“ (品) und dem für „Fluss“ (川). Bei Shinagawa floss einst der Meguro-Fluss in die Bucht von Tokyo, und er eignete sich dazu, Waren von und zum Meer zu transportieren. Apropos Meer: In etwa dort, wo heute die Yamanote-Linie beim Bahnhof Shinagawa von Nord nach Süd verläuft, befand sich bis vor über 200 Jahren noch die Küste – der komplette Ostteil von Shinagawa wurde im Laufe der letzten Jahrhunderte dem Meer abgerungen. Das sieht man ein paar Hundert Meter nördlich des Bahnhofs. Auf einer riesengroßen Baustelle am nagelneuen Bahnhof Takanawa Gateway wurde ein Teil der ältesten Eisenbahntrasse Japans freigelegt. Diese verband ab 1872 Shinbashi, etwas nördlich von Shinagawa, mit Yokohama. Alten Farbstichen und Fotos zufolge verlief die Trasse bei Shinagawa damals entlang des Ufers der Bucht.

Der Bahnhof Shinagawa von obe
Der Bahnhof Shinagawa von oben: Die Gegend wird bis heute modernisiert und bebaut. © Photo AC / web36

Berühmte Hotels und Sehenswürdigkeiten

Wo früher die Wellen wogten, reihen sich heute zahlreiche Hochhäuser aneinander, darunter der mehr als 150 m hohe Shinagawa East One Tower und der knapp 100 m hohe Hauptsitz von Sony. Die meisten dieser Gebäude entstanden erst nach dem Jahr 2000, und wie man an der riesigen Baustelle nördlich von Shinagawa sieht, ist die Stadtplanung hier längst noch nicht fertig.

Auf der Westseite des Bahnhofs (vom Passagieraufkommen immerhin die Nummer 9 weltweit) – wird es royal: Hier befinden sich das T-JOY Prince, ein großes Kino, der Prince Sakura Tower, das ehrwürdige Grand Prince Hotel und das „normale“ Prince Hotel. Das Grand Prince gibt es seit 70 Jahren, und das alte Gebäude ist wunderschön – der Neubau hingegen etwas gewöhnungsbedürftig. Die Prince Hotels sind, je nachdem wo man bucht, durchaus erschwinglich und von der Lage wahrhaft ideal, schließlich fährt der Shinkansen ja quasi vor der Hoteltür ab. Zum Prince-Komplex gehört auch der Maxell Aqua Park Shinagawa, ein Meereskundemuseum komplett mit Delfinshows sowie riesigen Aquarien und Spielgelegenheiten für Kinder. Mit anderen Worten ist Shinagawa ideal als Übernachtungsort, wenn man mit Kindern unterwegs ist.

Schauplatz einer Samurai-Legende

Etwas ernster geht es am Sengakuji zu, einem kleinen Tempel fast genau 1 km nördlich vom Bahnhof. Hier befinden sich die Gräber der 47 Rōnin, bekannt durch zahlreiche Verfilmungen und Romane. „Tapferkeit ist nicht die Abwesenheit von Furcht, sondern die Einsicht, dass es wichtigere Dinge gibt als Furcht“: Dieses Zitat wird einem der 47 Samurai nachgesagt, die durch den erzwungenen Selbstmord ihres Herren im Jahre 1701 plötzlich ohne Arbeitgeber dastanden. Sie sahen den Vorfall als Unrecht an, wurde ihr Herr doch provoziert, einen arroganten Hofmeister am Hofe der Burg Edo anzugreifen.

Also beschlossen sie, Rache zu nehmen und ermordeten den Hofmeister und trugen den abgeschnittenen Kopf zum Grab ihres Herren. Sie flohen nicht nach vollendeter Tat, doch Ehrenkodex hin oder her, das Shōgunat musste die Tat ahnden. Genau wie ihr Herr zuvor, mussten die Samurai zur Strafe Seppuku (fälschlicherweise auch Harakiri genannt) begehen – anschließend wurden sie im Sengakuji-Tempel bestattet. Die Gräber kann man dort besichtigen, und die Atmosphäre ist eine ganz besondere, gelten die 47 Rōnin doch seit dem Vorfall als Nationalhelden, die noch immer verehrt werden.

Die Gräber der 47 Ronin auf dem Gelände des Sengakuji-Tempels.
Die Gräber der 47 Rōnin auf dem Gelände des Sengakuji-Tempels. © Photo AC / fuku41

Lesen Sie hier mehr über die Sage der 47 Rōnin: 

47 ronin HolzschnittAuf den Spuren der Samurai: Die 47 RōninDie Sage von Chūshingura handelt von 47 herrenlosen Samurai, sogenannten Rōnin, die nach Jahren der Geheimhaltung in einer kalten Januarnach...09.05.2022

Und Kurioses zum Schluss

Doch zurück zum modernen Japan: Etwas nördlich vom neuen Bahnhof Takanawa Gateway und unweit des Sengakuji steht eine kleine Kuriosität – eine Bahnunterführung nur für Fußgänger, die auf mehr als 230 m Länge die Gleise zahlreicher Bahnlinien, inklusive des Shinkansen, passiert. Die lichte Höhe des Tunnels ist gerade mal 1,70 m. Wer etwas größer ist, kann also den Tunnel in ganzer Länge nur geduckt durchqueren. Das soll allerdings nicht für immer so sein, spätestens bis 2023 soll dort ein richtiger Tunnel entstehen.

Bahnunterführung bei Shinagawa
Nichts für große Menschen: Diese Bahnunterführung bei Shinagawa ist gerade einmal 1,70 m hoch.

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