Auf der südlichen Insel Kyūshū, westlich der Stadt Kumamoto an den Ausläufern des erloschenen Vulkans Kinpō, versteckt sich ein geschichtsträchtiger Ort inmitten der dichtbewaldeten Berglandschaft. Dort angekommen wartet bereits eine moderne große Steinfigur von Miyamoto Musashi am Parkplatz, der wachsamen Auges das Gelände überblickt. Nur wenige Minuten entfernt liegt der Uganzenji-Tempel, zu dem auch die Reigandō-Höhle („Geisterfelsenhöhle“) gehört. Bekanntheit erlangte der Zen-Tempel vor allem durch den Aufenthalt des Miyamoto Musashi, des wohl erfahrensten Schwertkämpfers Japans, welcher sich in den letzten zwei Jahren seines Lebens in die Einsamkeit der Berge zurückzog.
Im Schutz der Höhle verfasste er zwei Bücher: Zum einen das kurze Dokkōdō („Der Pfad des Alleinseins“), das streng asketische Grundsätze enthält. Zum anderen das wesentlich berühmtere Go rin no sho („Das Buch der fünf Ringe“), in dem er sein Wissen über die von ihm erfundene zweihändige Schwertkunst ni ten no ichi ryū mit den buddhistischen Weisheiten der Zen-Lehren verband.
Der legendäre Rōnin Miyamoto Musashi
Miyamoto Musashi (1584-1645), Sohn eines Schwertmeisters, verbrachte die meisten Jahre seines Lebens mit Reisen auf Kyūshū und Honshū, wo er sich länger in den Zen-Schulen Kyōtos aufhielt. Als herrenloser Samurai (rōnin) zog er jedoch oft allein durch das Land, auf der Suche nach ihm ebenbürtigen Schwertkämpfern, mit denen er sich duellieren konnte. Im Alter von nur 13 Jahren besiegte er seinen ersten Gegner. Mit 61 erfolgreichen Kämpfen, die allesamt Tote forderten, stellte er einen ungebrochenen Rekord hinsichtlich der Schwertkunst auf. Miyamoto hielt nicht nur als kensei („Schwertheiliger“) Einzug in die Geschichte Japans, sondern auch als Buddhist, Philosoph, Künstler und Schriftsteller.
1640 verschlechterte sich sein Gesundheitszustand und er musste fortan auf seine Reisen verzichten. Er ließ sich in Kumamoto nieder, um für den Fürsten Hosokawa Tadatoshi sein erstes Werk Hyōhō sanjū go („Fünfunddreißig Anweisungen zur Strategie“) zu verfassen, welches die Basis für das Go rin no sho bildete. In dem Wissen, dass sich sein Leben dem Ende entgegen neigte, zog er sich daraufhin in die Reigandō-Höhle zurück, wo er am 13. Juni 1645 in ehrenvoller Haltung, mit dem Schwert in der Hand, verstarb.
Der Uganzenji-Tempel
Nur 10 Kilometer vom Stadtzentrum von Kumamoto entfernt liegt der 700 Jahre alte Uganzenji-Tempel. Der Eingang wird flankiert von zwei furchteinflößenden Wächterfiguren (niō), die Böses abwehren sollen. 1351 erbaute der chinesische Zen-Mönch Tōryō Eiyō den Tempel zu Ehren der Boddhisatva-Statue Iwato Kannon, die sich bereits in der natürlich geformten Reigandō-Höhle befand. Die Legende besagt, dass die Statue vor mehr als 1.000 Jahren nach einem Schiffbruch an den Strand gespült worden war und auf mysteriöse Weise eigenständig in die Höhle einzog. Auch heute noch kann Statue, deren vier Gesichter in alle Himmelsrichtungen blicken, betrachtet und im Rahmen einer Pilgerreise verehrt werden.
Der Tempel ist der 14. Stopp des eher unbekannten kyūshū saigoku sanjūsan kasho („33 Kannon-Pilgerreise“). An der Wand des Tempels befindet sich ein großer Schaukasten mit Kopien von Kunstwerken und Büchern, die von Miyamoto Musashi angefertigt wurden. Rechts an einer Felswand steht ein Trinkbrunnen, aus dem der Schwertkämpfer sich bereits vor vielen hundert Jahren täglich erfrischte.
Die Reigandō-Höhle und die 500 Buddha-Schüler
Für nur 200 Yen (ca. 1,50 Euro) Eintritt kann der interessierte Reisende den Eingang zum Höhlengelände passieren und sich ein Bild davon machen, in welcher Umgebung Miyamoto Musashi seine letzten literarisch beflügelten Jahre verbrachte. Die Sehenswürdigkeit ist von 8:00 bis 17:00 Uhr täglich geöffnet und wird von einem sympathischen Mönch verwaltet.
An einem steil geneigten Hang auf dem Weg zur Reigandō-Höhle finden sich teils merkwürdig anmutende Steinfiguren mit vollkommen unterschiedlichen Gesichtszügen. Sie stellen die 500 Schüler des Buddha (arhat) dar, die den Buddhismus in die Welt hinaustrugen. Im 18. Jahrhundert arbeiteten begabte Steinmetze der Stadt Saga (gleichnamige Präfektur) 24 Jahre an den Figuren und spendeten sie nach Vollendung dem Uganzenji-Tempel. Zu ihrem Unglück wurden die Stein-Buddhas während des Aufstandes gegen den Buddhismus in der Meiji-Zeit (1868-1912) in Mitleidenschaft gezogen und manche verloren ihre Köpfe. Über die arhat, die ihren Kopf behalten haben, wird gesagt, dass manche bei genauer Betrachtung das Gesicht von eigenen Verwandten oder Bekannten widerspiegeln.
Eine Treppe führt in die Höhle, in deren Mitte ein großer Vulkanstein liegt, auf dem Miyamoto Musashi zu meditieren pflegte. Die Höhlenöffnung ist zum Meer ausgerichtet, jedoch versperren Bäume den Blick. Weiter oben führt ein Weg zu einer Aussichtsplattform, die einen fantastischen Blick über die grünen Hügel der Berge und das angrenzende Meer ermöglicht. Dort weht der Wind die frische Meeresbrise herüber und ein Gefühl von Leichtigkeit liegt in der Luft. Die Gedanken werden klar und der Reisende nimmt den Moment des Augenblicks in all seiner Schönheit wahr. Wie Miyamoto einst sagte: „Denke leicht über dich selbst und tiefgründig über die Welt nach.“
Anfahrt
Wer zum Tempel und zur Höhle hingelangen möchte, muss mit dem Auto von der JR Kumamoto Station aus ungefähr 30 Minuten fahren. Der letzte Abschnitt der Strecke ist eine steil ansteigende Straße, die sich den Berg hinaufwindet. Der Parkplatz bietet nur Platz für wenige Autos.
Mit dem Bus dauert die Anreise ungefähr 50 Minuten. Der Bus U3-1 Richtung Kawachi Onsen Center fährt vom Sakura Machi Bus Terminal ab. Da er nur bis zur Iwato Kannon Iriguchi Haltestelle fährt, muss der restliche 1 Kilometer lange Weg den Berg hinauf gelaufen werden.
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