Der Kontrast könnte kaum größer sein: Startet man seine Reise im Handelsviertel Umeda (梅田), befindet man sich mitten im geschäftigen Herz Ōsakas. Rund 2,3 Millionen Passagiere nutzen den Bahnhof Umeda täglich. In der Umgebung haben sich zahlreiche Einkaufszentren wie Daimaru, Hankyu und Hanshin sowie überdachte Einkaufsstraßen angesiedelt. Hektische Menschenmengen strömen durch die riesigen unterirdischen Shoppingmeilen, Neonlichter blinken über den breiten Straßen, und der Klang vorbeirauschender Züge und hupender Taxis ist allgegenwärtig. Doch sobald man die Hauptstraßen verlässt und in die kleinen Gassen von Nakazakichō (中崎町) eintaucht, ändert sich die Szenerie schlagartig.

Der Lärm der Stadt weicht einer fast dörflichen Ruhe. Schmale Wege, gesäumt von charmanten, alten Holzhäusern, führen vorbei an Cafés und kleinen Boutiquen. Der Asphalt weicht stellenweise Kopfsteinpflaster, und an den Hauswänden ranken Pflanzen empor, als hätte die Natur sich ein Stück Stadt zurückerobert. Mit jedem Schritt scheint sich die Zeit ein wenig zu verlangsamen – bis man schließlich mitten im kreativen Herz Nakazakichōs steht, das heute für seine liebevoll restaurierten Häuser und alternativen Cafés, Galerien und Concept Stores bekannt ist. Trotz der unmittelbaren Nähe zu den gläsernen Wolkenkratzern Ōsakas bewahrt das Viertel eine entschleunigte Atmosphäre, die an das Japan der Shōwa-Ära (1926-1989) erinnert.


Ōsakas bestgehütetes Geheimnis für Künstler und Kreative
Das charmante Viertel im Herzen der Stadt zeichnet sich durch seine reiche Geschichte und seine Entwicklung zu einem kreativen Zentrum aus. Bemerkenswerterweise blieb es von den massiven Bombardierungen und Flammen des Zweiten Weltkriegs verschont, wodurch viele traditionelle Holzhäuser erhalten blieben. Diese historischen Gebäude, bekannt als machiya, verleihen dem Viertel seinen nostalgischen Charakter und erinnern an das Japan des frühen 20. Jahrhunderts. Die Architektur der machiya zeichnet sich durch eine schmale, aber tiefe Bauweise aus, die oft mehrere Stockwerke umfasst. Typische Merkmale sind bengara-Gitter (mit Eisenoxid gefärbte Gitter), mushiko-mado (Fenster mit Lüftungsschlitzen) und inuyarai (abgeschrägter Fassadenschutz aus Bambus). Heute stehen viele dieser historischen Stadthäuser unter Denkmalschutz.

In den frühen 2000er Jahren begann eine kulturelle Renaissance in Nakazakichō. Der in Ōsaka geborene Jun Amanto spielte dabei eine Schlüsselrolle. Er ist ein japanischer Tänzer, Schauspieler und Künstler, der sich intensiv mit traditionellen und zeitgenössischen Bewegungsformen auseinandersetzt. Er entwickelte den Tanzstil Kabuku Mai (傾舞), der Bewegungsqualitäten der japanischen Kultur mit den traditionellen Tänzen indigener Völker des pazifischen Raums kombiniert. Er initiierte Projekte zur Restaurierung japanischer Stadthäuser, und gründete den Salon de AManTo in Nakazakichō. Dieser multifunktionale Kulturraum dient als Café sowie Plattform für Kreative, um sich auszutauschen und ihre Arbeiten zu präsentieren. In der Folge wurden viele der alten Gebäude in Cafés, Galerien und Boutiquen umgewandelt.

Die Café-Kultur von Nakazakichō
Nakazakichō ist ein Paradies für Kaffeeliebhaber: Von minimalistischen Third-Wave-Cafés bis hin zu gemütlichen Retro-Kaffeestuben – hier gibt es eine große Auswahl an einzigartigen Orten, die zum Verweilen einladen. Das Salon de AManTo (1) ist dabei natürlich eines der ältesten und bekanntesten Cafés der Gegend.
- Café Arabiq (2): Ein magisch eingerichtetes Café (sowie Buchladen / Kunstgalerie), das für seinen aromatischen, handgebrühten Kaffee bekannt ist.
- Taiyō No Tou pinkes kaffe (3): Ein verspieltes Café mit Retro-Einrichtung und kreativen Getränken.
- PAUHANA COFFEE (4): Ein modernes kleines Café in einem Containerhaus mit feinen Bohnen und einem freundlichem Besitzer hinter der Theke.
- WASABI COFFEE (5): Ein charmantes Café, das für seine japanisch inspirierten Kaffeekreationen und raffinierten Sets bekannt ist.
- Monaca Coffee (6): Eine gemütliche Kaffeerösterei mit Fokus auf handgemachte Süßigkeiten und hochwertige Kaffeebohnen.
- Kaya cafe (7): Ein verstecktes Juwel mit traditionellem japanischen Ambiente und Tōfu-Tiramisu-Spezialitäten.

Zwischen Retro und Kunst: Ōsakas Highlights
Das Viertel beheimatet einige der charmantesten und einzigartigsten Läden Ōsakas. Ein absolutes Highlight ist das Green Pepe (8), ein Vintage-Laden, der eine sorgfältig kuratierte Auswahl an Second-Hand-Mode, Vintage-Möbeln, Küchenutensilien, und Accessoires, insbesondere aus den 1970er Jahren, bietet. Kunstliebhaber sollten unbedingt die nahe Irorimura Gallery (9) besuchen – eine vielseitige Galerie mit vier Ausstellungsbereichen, die Werke aufstrebender Künstler:innen ausstellt. Eine kleinere Galerie ist die Gallery IYN mit regelmäßig wechselnden Ausstellungen, die sich darauf spezialisiert hat, Kunst für jedermann zugänglich zu machen. Neben der Hauptgalerie betreibt Gallery IYN auch den ART STORE IYN, der in einem renovierten machiya untergebracht ist. Dieser Raum bietet eine ruhige Atmosphäre, in der Besucher:innen Kunstwerke in entspannter Umgebung genießen können.
Darüber hinaus gibt es zahlreiche unabhängige Concept Stores, die handgemachte Mode, Vintage-Kleidung oder kunstvolle Wohnaccessoires anbieten und darauf warten, entdeckt zu werden. Ein ganz besonderes Juwel ist auch das kleine Kult-Kino Planet Plus One (10) mit ganz persönlicher Wohnzimmer-Atmosphäre, in dem alte Stummfilme aus den 1910er bis 1970er Jahren mit Live-Musik auf einem E-Piano liebevoll präsentiert werden.
Der Weiße-Drachen-Schrein
Der unscheinbare Hakuryū Ōkami-Schrein (白龍大神) befindet sich in einer ruhigen Ecke des Viertels, umgeben von traditionellen Häusern und kleinen Geschäften. Ein handgemaltes Schild mit einer niedlichen Darstellung des weißen Drachen weist den Weg in die schmale Gasse. Die Atmosphäre ist friedlich und einladend, ein Ort der Besinnung und des Gebets. Die lokale Gemeinschaft schätzt diesen Schrein als einen Power Spot. Hakuryū bedeutet „weißer Drache“, und ōkami steht für „Gottheit“. Die Bedeutung des weißen Drachen ist in der japanischen Mythologie tief verwurzelt. Er symbolisiert Reinheit und Glück und wird oft mit Wasser in Verbindung gebracht. Der Legende nach lebt unter diesem Schrein ein weißer Drache namens Mi-san, der als Schutzgott von Nakazakichō verehrt wird.

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