Onomichi: Die Kultstadt am Seto-Binnenmeer

Diana Casanova
Diana Casanova

Im Südosten der Präfektur Hiroshima liegt Onomichi – das Tor zum malerischen Seto-Binnenmeer und der berühmten Shimanami Kaidō-Schnellstraße. Doch nur als einfacher Zwischenstopp für eine Radtour ist die Hafenstadt viel zu schade: Erfahren Sie, warum sich ein Ausflug mehr als lohnt!

Onomichi Senkoji Ropeway
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Mit ca. 130.000 Einwohner:innen ist Onomichi auf den ersten Blick eine typisch japanische Großstadt. Doch wer sich hierhin verirrt, wird sofort eine ganz besondere Atmosphäre spüren, die selbst in Mega-Citys wie Tōkyō oder Ōsaka nicht vorhanden ist. Zunächst fällt das allgemeine Stadtbild auf: Onomichi liegt direkt am Seto-Binnenmeer, und ist vor allem bei Radfahrenden bekannt, denn sie ist einer der beiden Zugänge zur beliebten Shimanami Kaidō-Schnellstraße. Das bedeutet, dass auf der einen Seite vor allem ein maritimes Bild dominiert. Steht man direkt am Hafen von Onomichi, blickt man auf die weißen, fotogenen Brücken, die die japanische Hauptinsel Honshū mit den angrenzenden Inseln Mukaishima und Innoshima verbinden. Entlang am Wasser liegen zahlreiche Schiffswerften und Lagerhallen dicht beieinander und sind stumme Zeugen einer einst florierenden Schiffsbau- und Metallindustrie.

Onomichi von oben
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Berge und Meer

Doch auf der anderen Seite – nur wenige 100 Meter von der Hafenpromenade entfernt – präsentiert sich Onomichi schon gänzlich anders. Die Stadt befindet sich auf einem erstaunlich bergigen Gebiet, sodass der Großteil der Wohn- und Geschäftshäuser entlang eines langen schmalen Streifens an der Küste liegen, wo es nur wenig flaches Land gibt. Entsprechend zeichnet sich Onomichi durch seine zahlreichen Hänge aus, aus denen es sich ausbreitet.

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Der Hafen von Onomichi wurde bereits 1168 gegründet und diente besonders als Verschiffungszentrum für Reis sowie als Handels- und Verkehrsknotenpunkt. Vor dem Zweiten Weltkrieg war ein bedeutendes Schwerindustrie- und Schiffsbauzentrum der Präfektur, doch seinen einstigen Glanz hat die Stadt mittlerweile verloren. Seit Jahrzehnten schwächelt die lokale Wirtschaft und zahlreiche Fabriken und Geschäfte haben ihre Pforten geschlossen.

Hinzu kommen die immer größer werdende Zahl der sogenannten akiya – leerstehende Wohnhäuser, die keine neuen Eigentümer mehr finden. Die mitunter steilen Hänge und Treppen wurden der charmanten Altstadt angesichts einer überalternden Bevölkerung allmählich zum Verhängnis: Immer mehr ältere Menschen verlassen die Gegend, da sie den anstrengenden Aufstieg nicht mehr schaffen – und für Autos oder andere Fahrzeuge ist auf den engen Straßen kein Platz. Für neue Mieter:innen ist dies nicht unbedingt attraktiv, sodass die Häuser letztlich verfallen. Allerdings in letzter Zeit haben es sich gerade junge Leute aus Onomichi von außerhalb zur Aufgabe gemacht, akiya zu kaufen und umfassend zu renovieren. Daraus entstanden viele neue Angebote wie Cafés, Kultureinrichtungen, Gasthäuser oder Galerien, die der Altstadt neues Leben einhauchen.

Auf zum Senkōji-Tempel

Umso mehr fokussiert sich die Stadt weiterhin auf den Tourismus – und da hat Onomichi so einiges zu bieten. Die wohl berühmteste Sehenswürdigkeit ist der Senkōji-Tempel: Gegründet im Jahre 806 vom legendären buddhistischen Mönch Kōbō Daishi, befindet sich diese ikonische Stätte in 144 m Höhe auf dem Senkōji-Berg und bietet einen wahrlich atemberaubenden Blick auf Onomichi, den Hafen sowie das Seto-Binnenmeer. Der weitläufige Tempel ist der Teil eines gleichnamigen Parks, der u. a. auch für seinen „Pfad der Literatur“ bekannt ist; ein gemütlicher Weg den Berg hinunter, entlang sich 25 Steine befinden, in die die Gedanken berühmter Dichter und Schriftsteller eingraviert sind, darunter Matsuo Bashō und Hayashi Fumiko. Innerhalb des Park befindet sich weiterhin das Onomichi City Museum of Art.

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Wer mag, kann den Aufstieg vom Bahnhof von Onomichi zu Fuß bewältigen – die schnellere Variante ist eine ca. dreiminütige Fahrt mit dem Senkōji Ropeway, einer Seilbahn, die bereits seit 1957 in Betrieb ist. Mit ein klein wenig Geduld und dem richtigen Aussichtspunkt lassen sich fantastische Fotos von der Gondel mit der Stadtlandschaft Onomichis und dem Binnenmeer im Hintergrund schießen. Apropos Aussichtspunkt: Einen perfekten Panorama-Blick auf die Region hat man vom Senkōji PEAK Observatory, einer 2022 eröffneten, 63 m langen Plattform auf dem Gipfel des Berges – der Eintritt ist frei!

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Pilgerreise für Gemütliche, Katzenfreunde und Film-Enthusiasten

Der Senkōji ist jedoch nicht der einzige Tempel, dem Sie einen Besuch abstatten sollten. In Laufweite befinden sich zahlreiche weitere – 25, um genau zu sein -, die man im Rahmen des sogenannten „Onomichi Temple Walk“ besichtigen kann. Die Route ist etwa 2,5 km lang und eine wunderbare Halbtagesaktivität, um gemütlich die versteckten Ecken Onomichis zu erkunden – führt sie doch entlang der Hänge, vorbei an urigen Cafés und Geschäften, und durch die engen Gassen der Wohngebiete.

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Besonders für Fotografen ist diese Retro-Landschaft attraktiv – und wer sich in Richtung „Katzengasse“ verirrt, dem vielleicht läuft auch ein Streuner auf vier Pfoten vor die Linse. Dieser steile, etwa 200 m lange Pfad befindet sich zwischen dem Ushitora-Schrein und dem Tenneji-Tempel und gewann größere Aufmerksamkeit, als der Künstler Sonoyama Shunji im Jahre 1997 108 mit lustigen Katzenmotiven bemalte Steine (sogenannte fukuishi neko, oder „Glücks-Steinkatzen“) in der Gegend verteilte. Sie gaben der Ecke auch ihren Spitznamen „Cat Alley“ – neben den zahlreichen freilaufenden Katzen natürlich. Heute können Sie dort wahrlich überall große und kleine Schätze in Katzenform entdecken. Wer von den süßen Tieren nicht genug bekommen kann, sollte Sonoyamas Maneki-Neko-Museum einen Besuch abstatten.

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Echte Cineasten werden vielleicht schon vor diesem Artikel von Onomichi gehört haben. Denn das außergewöhnliche Stadtbild ist eine beliebte Kulisse zahlreicher japanischer Filme und Werbespots – allen voran „Tōkyō Monogatari“ („Die Reise nach Tōkyō“) aus dem Jahr 1953. Es ist Regisseur Ozu Yasujirōs bekanntester Film und wird oft als einer der besten Werke der Filmgeschichte bezeichnet. Das kleine Onomichi Museum of Cinema präsentiert zahlreiche Requisiten rund um das filmische Erbe der Stadt.

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Essen & Einkaufen in Onomichi

Onomichi Rāmen

Mit leerem Magen muss in der Hafenstadt niemand rumlaufen – denn kulinarisch hat so einiges zu bieten: Eine der bekanntesten Spezialitäten Onomichis ist seine Rāmen-Variation Onomichi Rāmen. Diese Nudelsuppe zeichnet sich durch reichhaltigen Brühe auf Sojasaucen-Basis aus, in der Hühnerknochen, Schweinefett und kleine Fische aus dem Seto-Binnenmeer sorgfältig eingekocht werden. Die Nudeln sind dünn und gewellt, als Topping dienen Frühlingszwiebeln, Schweinefleisch und Bambussprossen. Onomichi Rāmen wird besonders zwischen Onomichi und Fukuyama weiter im Osten serviert. Bekannte Lokale in Onomichi sind etwa Mendokoro Miyachi, Shoya und Onomichi Rāmen Ichibankan – wobei es natürlich eine große Auswahl vor Ort gibt.

Onomichi Ramen
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Onomichi-yaki

Wer es ein wenig herzhafter möchte, sollte sich die regionale Okonomiyaki-Variation nicht entgehen lassen. Das „Onomichi-yaki“ ist verwandt mit der berühmten großen Schwester aus Hiroshima (nicht zu verwechseln mit dem in Osaka verbreiteten Okonomiyaki!), zeichnet sich aber u. a. durch Hühnerinnereien und frittierten Tintenfisch und damit einer zäheren Textur sowie reichhaltigerem Geschmack aus. Das Restaurant Iwabee ist dafür besonders bekannt!

Onomichiyaki
© Photo AC / nekko_nekon

Onomichi Purin

Eine weitere Spezialität und echte lokale Berühmtheit bietet das kleine Geschäft Oyatsu to Yamaneko an. Onomichi Purin ist ein Pudding-Dessert aus eigener Herstellung, das ein wenig an Flan oder Pannacotta erinnert. Neben der Originalvariante, das mit einer erfrischenden Zitronensauce kommt, gibt es saisonal wechselnde Sorten wie Matcha, Maronen oder Mandarine. Darüber hinaus verkauft der Laden im Retro-Look Kekse und andere Backwaren. War Oyatsu to Yamaneko zunächst nur den Einheimischen von Onomichi ein Begriff, erlangte das Geschäft (das sieht unweit des Bahnhofs befindet) eine landesweite mediale Berühmtheit, als es im beliebten japanischen TV-Programm „Matsuko no shiranai sekai“ vorgestellt wurde. Da diese gekühlt werden, sollte man den Pudding am besten sofort verzehren – das kleine Glas mit einem ikonischen Katzenlogo gibt es als Souvenir dazu!

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Hondōri-Einkaufsstraße

Einem schmackhaften Mittagessen sollte natürlich eine ausgiebige Shoppingtour folgen: Dafür eignet sich die charmante Hondōri-Einkaufsstraße, die parallel zur Hafenpromenade verläuft. Insgesamt besteht diese 1,6 km lange überdachte Fußgängerzone im Retro-Stil aus sechs Straßen, die von ca. 300 Geschäften gesäumt werden. Dort finden Sie allerlei Souvenirs, Restaurants, Cafés, traditionelle Waren, Handgemachtes, Designerprodukte, Galerien und andere Fachgeschäfte. Die Hondōri fungiert als eine Art Herzstück der Stadt, das verschiedene kulturelle und kommerzielle Aktivitäten miteinander vereint. Besonders ins Auge fallen die teils kreativen Dekorationen und Designs der Häuserfassaden auf. Wie etwa das Anago no Nedoko – übersetzt wörtlich „Schlafzimmer der Aale“ -, ein renoviertes Gasthaus, das über einen langen, sehr schmalen Gang in Richtung Hinterhof verfügt (daher der Name), welcher wiederum zu einer versteckten, unabhängigen Buchhandlung führt.

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Eine weitere Empfehlung ist das Souvenir-Geschäft Onomichi Eemonya, das allerlei regionale Mitbringsel und Spezialitäten verkauft, allen voran Produkte mit Zitrusfrüchten, für die das Seto-Binnenmeer besonders berühmt ist. Ein Besuch des Shoppingzentrums lohnt sich vor allem am Wochenende, da unter der Woche einige Geschäfte möglicherweise gar nicht oder nur verkürzt öffnen.

ONOMICHI U2

Keine 10 Gehminuten vom JR Bahnhof Onomichi entfernt befindet sich ein stilvoller Komplex, den vor allem die Fahrrad-Enthusiasten entweder bereits kennen, oder auf dem Schirm haben sollten, wenn man die Shimanami Kaidō in Angriff nehmen möchte: ONOMICHI U2 richtet sich fast ausschließlich an die Bedürfnisse von Radfahrenden. Eröffnet im März 2014, handelt es sich bei dieser stilvollen Einrichtung um ein voll renoviertes ehemaliges Versandlager, welches als Hotel, Restaurant, Bar, Café und Fahrrad- und Lifestyle-Shop dient. Auf ca. 2.000 m² soll diese „Kleinstadt in der Kleinstadt“, so das Konzept, das Wesen von Onomichi einfangen. Das dort befindliche HOTEL CYCLE ist äußerst Fahrrad-freundlich – Gäste können gemeinsam mit ihren eigenen Drahteseln einchecken (die Zimmer sind groß genug, um sie mit reinzunehmen) oder sich vor Ort Ausrüstung ausleihen. Im U2 gibt es ein geräumiges Restaurant sowie eine Bar und kleine Souvenir- und Fachgeschäfte, die zahlreiche regionale Produkte verkaufen. Auch wenn man keine Radtour auf der Shimanami Kaidō plant, ist ein Besuch dieser modernen Einrichtung, etwa zum Mittagessen, eine Empfehlung.

© Photo AC / kilmyway

Von Onomichi aus

Wie bereits erwähnt ist Onomichi – neben Imabari auf der Insel Shikoku – einer der beiden Start-/Zielorte der Shimanami Kaidō-Schnellstraße, eine malerische wie beliebte Radstrecke. Viele Reisende starten von Onomichi aus, um über die Brücken des Seto-Binnenmeers bis nach Imabari zu radeln, oder um zwischendurch auf einer der Inseln Halt zu machen. Mehr zu dieser spannenden Outdoor-Aktivität lesen Sie hier:

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© iStock.com / MasaoTaira

Ebenfalls schnell von Onomichi aus zu erreichen ist die malerische Insel Ikuchijima – genauer gesagt die dort liegende Kleinstadt Setoda. Mit der Fähre dauert die entspannte Überfahrt vom Onomichi Port Terminal ca. 40 Minuten. Ein Besuch in Setoda ist eine wunderbare Möglichkeit, die Natur und Kultur des Seto-Binnenmeeres zu erleben, denn die kleine Hafenstadt ist vor allem als Zitronenparadies bekannt. Vor Ort können Sie Fahrräder ausleihen, in der Shiomachi-Einkaufstraße nach einzigartigen Souvenirs suchen oder den opulenten Kōsanji-Tempel besuchen. Mehr über Setodas Sehenswürdigkeiten lesen Sie hier:

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Anfahrt

Von Hiroshima aus dauert die Fahrt mit dem Regionalzug ca. 1 ½ Std.: Mit der JR Sanyo-Linie (Richtung Itozaki) fahren Sie bis Itozaki, dort steigen Sie in die JR Sanyo-Linie (Richtung Osafune) und fahren weiter bis zur Station Onomichi.

Alternativ nehmen Sie von Hiroshima aus den Sanyo-Shinkansen bis zur Station Shin-Onomichi (ca. 1 Std.). Von dort sind es mit dem Bus etwa 15 Minuten bis zur Station Onomichi, oder ca. 10 Minuten mit dem Taxi.

Von Ōsaka aus nehmen Sie den Sanyo-Shinkansen bis Fukuyama, dort steigen Sie in die JR Sanyo-Linie (Richtung Mihara) um. Die Fahrt dauert insgesamt ca. 2 Stunden.


Mehr Informationen um die Sehenswürdigkeiten Hiroshimas finden Sie auf dem offiziellen Tourismusportal Dive! Hiroshima: 

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