Im Landesinneren der Präfektur Tokushima, südlich der gleichnamigen Hauptstadt, befindet sich inmitten von üppig bewachsenen Bergen die Region Naka 那賀. Mit 8.620 Einwohnern (Stand Oktober 2017) ist Naka eine recht abgeschiedene Gegend, die sich hauptsächlich auf Farmarbeit und Forstwirtschaft konzentriert. Die Bewohner haben dadurch eine enge Verbindung zur umliegenden Natur und die Schönheit der Region offenbart sich auch dem Besucher sofort.
Hinter den Bergen bei den sieben…Wasserlandschaften
Einige der Berge in Naka sind fast 2.000 Meter hoch und versorgen die Gegend mit klaren Bächen und dem 125 Kilometer langen Fluss Naka, der durch das Zentrum der Region fließt. Dieser schafft malerische Szenerien wie Kō no sekyō 高の瀬峡, eine Landschaft im westlichen Teil von Naka, nah des höchsten Berges Tsurugi, die vor allem als perfekter Ort zum Bestaunen von Herbstlaub populär ist.
Ein weiteres Highlight ist die Wajiki line 鷲敷 ライン, ein zwei Kilometer langer, kurviger Abschnitt des Flusses Naka. Sie gilt als eine der zwölf fantastischsten Landschaften in Awa (frühere Bezeichnung von Tokushima) und hält gleichzeitig ihren Rang als eine der 88 schönsten Wasserläufe von ganz Shikoku. Der Fluss bietet eine großartige Auswahl an Wassersportaktivitäten wie Rafting, Kajakfahren oder Fischen.
Wie es mich in diesen ländlichen Teil von Tokushima verschlagen hat? Eine eben dieser Wassersportarten ermöglichte es mir, über meine Arbeit als Koordinatorin für internationale Beziehungen die Gegend zu besuchen. 2016 begann zwischen der Naka High School in Tokushima und dem Kanu-Verband Niedersachsen ein neues Austauschprojekt im Kanusport. Die idealen Bedingungen des Flusses Naka und des nahe gelegenen Kawaguchi-Dammes dienen dabei als Trainingsstätte für die Kanuten aus beiden Länder. Naka ist ein Kanuparadies schlechthin und sogar Sudachi-kun, das Maskottchen der Präfektur Tokushima, hat hier seinen Spaß!
Der Drachentempel Tairyū-ji
Neben der bezaubernden Flusslandschaft beherbergt die Region Naka die längste Seilbahn in Westjapan, die zum Tairyū-ji-Tempel 太龍寺 太龍寺 („Großer Drachen-Tempel“) hinauf führt. Die 2.775 Meter lange Seilbahn startet von der Washi-no-Sato-Station und kann bis zu 101 Passagiere gleichzeitig transportieren. Sie bringt den Besucher zu Tempel Nummer 21 der Pilgerreise zu den 88 Tempeln Shikokus.
Während der 10-minütigen Fahrt bietet sich eine spektakuläre Aussicht auf die umliegenden Berge, die üppig mit Zedernbäumen und japanischen Zypressen bewachsen sind. Auf dem Weg nach oben kann der aufmerksame Besucher Statuen von Wölfen erspähen, die dort in Erinnerung an das am Berg einst ansässige Wolfsrudel errichtet wurden.
Auf einem aus der Gondel sichtbaren Berggipfel befindet sich eine weitere Statue, die des meditierenden buddhistischen Mönchs Kōbō-Daishi, auch Kūkai genannt. Laut einer alten Legende lebte einst ein böser Drache, der die gesamte Ernte der Region zerstörte. Kōbō-Daishi hatte Mitleid mit den Bauern, stellte sich dem Drachen und schloss ihn in den Berg ein. Die Spuren dieser Legende lassen sich heute in Form einer Drachenmalerei an der Decke der Haupthalle und der Hexagon-Halle auf dem Tempelgelände erkennen.
Der Tempel wurde ursprünglich im Jahr 796 gegründet und war damals ein Ort religiösen Trainings. Die gegenwärtigen Gebäude des Tairyū-ji wurden nach einem Feuer 1894 wieder neu errichtet. Das Tempelgelände liegt eigentlich in der an Naka angrenzenden Region Anan, doch wer nicht den 618 Meter hohen steilen Berg zu Fuß erklimmen möchte, was mehr als drei Stunden dauern würde, muss zwangsläufig nach Naka kommen, um von dort die Seilbahn zum Tairyū-ji-Tempel zu besteigen.
Kirschblüten, Wasserfälle und „halb tote“-Süßigkeiten
Das ist noch längst nicht alles, was es in Naka zu entdecken gibt. Der bereits erwähnte Kawaguchi-Damm ist im April der perfekte Ort, um Kirschblüten zu bestaunen. Die pinken Kirschblütenblätter spiegeln sich im Wasser und bieten eine spektakuläre Szenerie, die man vom Wasser selbst aus am besten genießen kann. Wer nicht bis zum Frühjahr mit einem Besuch warten möchte, kann bereits im Januar oder Februar saftige Erdbeeren von lokalen Bauern genießen oder als kleine Aktivität selber pflücken.
Darüber hinaus ist Naka bekannt für Shiitakepilze, die Zitrusfrucht Yuzu und hangoroshi mochi 半殺し („halb tot“), ein Reiskuchen, bei dem nicht alle Reiskörner ganz zerkleinert werden.
Neben kulinarischen Spezialitäten hat die Region auch viel Kulturelles zu bieten, z.B. traditionelles awa ningyō-jōruri-Puppentheater 阿波人形浄瑠璃, Awa-Japanpapier (阿波和紙) oder die besondere Webtechnik tafu ori 太布織り. Und wer Lust auf noch mehr Natur hat, kann zahlreiche Wasserfälle entdecken, von denen der 20 Meter hohe Ōgama-Wasserfall nicht ohne Grund auf der Liste der „100 schönsten Wasserfälle Japans“ steht. Es gibt so viel zu sehen, überzeugt Euch selbst!
Wer in Tokushima Stadt ankommt, kann sich dort ein Auto mieten und gelangt in circa einer Stunde in die Region. Für ganz Abenteuerlustige besteht natürlich auch die Möglichkeit, mit dem Rad oder über den Pilgerweg nach Naka und zum Tairyū-ji-Tempel zu gelangen. Entspannung, Natur und Abenteuer sind in der Region auf jeden Fall garantiert.
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