Der zugebenermaßen etwas lange und schwer zu merkende Name ist eine Zusammensetzung zweier Städtenamen: Kiyosumi war in der Edo-Zeit (1603-1868) eine machi, eine administrative Verwaltungseinheit zwischen Dorf und Stadt, direkt am Watt der Bucht von Tōkyō (die heute ein paar Kilometer von hier entfernt ist). Shirakawa ebenfalls, wobei es nach dem damals dort ansässigen Shirakawa-Clan benannt wurde.
Das Viertel wird und war schon immer von Flüssen geprägt. Im Westen liegt der breite Sumida-Fluss, im Norden der Onagi, im Süden der Sendaibori und im Osten der Oyoko-Fluss. Die Flüsse sind bis auf den Sumida nahezu kerzengerade – ein Hinweis darauf, dass in der Gegend viel Landschaftsgestaltung, hauptsächlich in Form von Neulandgewinnung, stattfand.
Kiyosumi-Park
Der alte Ortsname “Kiyosumi” taucht auch heute noch vielerorts auf – so zum Beispiel als Bestandteil des Bahnhofsnamens “Kiyosumi-Shirakawa”, wo sich die U-Bahnlinien der Hanzōmon- und Ōedo-Linie treffen. Aber auch im Namen des großen Kiyosumi Teien genannten Parks ein paar Hundert Meter südwestlich des Bahnhofs. Teien bedeutet, dass es sich um einen gepflegten Park (hier im japanischen Stil) handelt, mit den obligatorischen Seen, Teehäusern, Brücken und Steinlampen. Der rund acht Hektar große Park wurde zu Beginn der Meiji-Zeit (1868-1912) von einem Industriemagnaten (dem Gründer von Mitsubishi, um genau zu sein) errichtet und diente wahrscheinlich als Residenz eines Adligen. Für den Park ließ man vom Wasser erodierte Felsen aus ganz Japan heranschaffen. Heute kann man dort von 9 bis 17 Uhr flanieren. Der Eintritt ist mit 150 Yen (ca. 90 Cent) pro Person sehr moderat.
Kaffee und Cafés
Apropos Flanieren: Wann die Entwicklung begann, ist nicht ganz klar, aber vor ein paar Jahren begann eine Handvoll Gastronomen in der Gegend zwischen dem Kiyosumi- und dem Kiba-Park Cafés zu errichten, viele von ihnen entlang des Sendaibori-Flusses. Heute gibt es dort mehr als 30 Cafés, einige sogar mit eigener Kaffeerösterei, die zum Verweilen einladen. Das ist insofern interessant, dass es bis in die 1990er Jahre sehr schwierig war, in Tōkyō einen anständigen Kaffee zu bekommen. Heute ist die Auswahl groß und die Qualität in den meisten Fällen sehr erlesen.
Kiba
Im Osten des Viertels beginnt der noch viel größere Kiba-Park, wobei die Gegend eine interessante Geschichte aufweist, denn “Kiba” bedeutet Holzplatz. Bis in das 20. Jahrhundert hinein wurden dort nämlich Holzstämme gelagert, und zwar im Wasser. Mit der Ernennung von Edo zur Hauptstadt Japans zu Beginn des 17. Jahrhunderts stieg der Bedarf an Bauholz sprunghaft an. Man brauchte das Material für den Bau der Burg und der vielen Feudalherren- und Samurai-Residenzen. Das Holz wurde auf dem Land, unweit der heutigen Ginza-Einkaufsmeile, gelagert, doch das erwies sich beim Großen Meireki-Feuer im Jahre 1657 als fatal. Rund zwei Drittel der Stadt brannten nieder, beschleunigt durch das herumliegende Bauholz.
Da Baumstämme im Wasser so gut wie gar nicht verrotten – und zudem viel leichter zu transportieren sind – beschloss man Anfang des 18. Jahrhunderts, alles Holz vor den Toren der Stadt, in Kiba, zu lagern. 1969 wurde aufgrund von zahlreichen Neulandgewinnungen beschlossen, den Holzplatz zu verlegen. Heute liegt er rund vier Kilometer weiter südlich und heißt schlicht Shinkiba, also “neuer Holzplatz”. Der alte Holzplatz wurde zu einem Park umgestaltet, mit zahlreichen Grün-, Sport- und Grillflächen. Mit 24 Hektar gehört er zu den größeren Parks Tōkyōs – mit freiem Eintritt rund um die Uhr. Und gerade aufgrund seiner rechteckigen Form und der vielen Hochhäuser rundherum ähnelt er ein kleines bisschen dem New Yorker Central Park.
Museum für Zeitgenössische Kunst
Ganz im Norden des Kiba-Parks liegt das kurz MOT genannte Museum of Contemporary Art Tokyo. Allein das Bauwerk des 1995 eröffneten Kunstmuseums ist bereits ein hervorragendes Beispiel für zeitgenössische Kunst, und auf fast 3 Hektar Ausstellungsfläche werden hier nicht nur berühmte japanische Künstler:innen, sondern auch Werke von Andy Warhol oder Roy Lichtenstein gezeigt. Im 1. Geschoss findet man vor allem Werke aus der unmittelbaren Nachkriegszeit – ein wunderbarer Einblick in das, was Japan zu jener Zeit bewegte. Auf den anderen Etagen befinden sich neuere Werke ab den 1970ern. Hinzu kommen ständig wechselnde Sonderausstellungen. Das Museum hat montags geschlossen, der Eintritt kostet zwischen 500 Yen für einen Teil der Ausstellung bis hin zu 2300 Yen für die gesamte Ausstellung plus zwei Sonderausstellungen. Die Tickets kann – und sollte – man online auf der Webseite des Museums im Voraus reservieren.
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