Japan - mit dem zug von Nord nach Süd 19-Tage-Studienreise

Kitakyūshū: Historische Burg- & Toilettenstadt

Diana Casanova
Diana Casanova

Nordöstlich von Fukuoka liegt Kitakyūshū – eine alte Burgstadt, die nur dank schlechter Sichtverhältnisse von der Atombombe verschont blieb. Gleichzeitig ist sie die Heimat der berühmten japanischen Hightech-Toiletten.

Mojiko Retro Town,
Mojiko Retro Town, das Hafengebiet von Kitakyūshū. © iStock.com/Sanga Park

Mit dem Shinkansen dauert die Fahrt von der Metropole Fukuoka nach Kitakyūshū nur 15 Minuten. Unser heutiges Ziel trägt gemäß seiner Lage den passenden Namen „Nord-Kyūshū“: Kitakyūshū ist die nördlichste Stadt der japanischen Hauptinsel Kyūshū und mit einer Bevölkerung von etwas mehr als 900.000 auch ihre zweitgrößte nach Fukuoka. Die praktische Lage an der Kanmon-Seestraße, welche die Hauptinseln Kyūshū und Honshū voneinander trennt, macht sie zu einem historisch wichtigen Fähr- und Handelshafen. Darüber hinaus gehört die Region zu Japans ältesten und bedeutendsten Industriezentren, vor allem in der Stahl- und Chemieindustrie, aber auch in der Baumwoll- und Maschinenproduktion sowie im Kohleabbau und -transport.

Von der Atombombe verschont

Kitakyūshū ist eine vergleichsweise junge Stadt. Sie wurde 1963 nach dem Zusammenschluss von fünf Gemeinden gegründet. Eine davon war das während der Edo-Zeit (1603-1868) für die Region wichtige Kokura mit seiner gleichnamigen Burg, die heute das Zentrum Kitakyūshūs bildet. 1871, als die neue Meiji-Regierung das feudale Lehenssystem abschaffte und stattdessen Präfekturen gründete, ernannte man Kokura zunächst zu einer eigenständigen Präfektur. Fünf Jahre wurde diese Teil der heutigen Präfektur Fukuoka, 1900 erhielt Kokura das Stadtrecht.

Während des Zweiten Weltkrieges wurde Kokura durch Luftangriffe schwer verwüstet. Darüber hinaus galt die Stadt (wo sich eines der größten Stahlwerke des Landes sowie militärische Waffenarsenale befanden) als das primäre Ziel der US-amerikanischen Atombombe „Fat Man“, deren Abwurf am 9. August 1945 erfolgte. Schlechte Sichtverhältnisse, verursacht von Rauchschwaden vorangegangener Bombenangriffe im benachbarten Yahata, die der Wind nach Kokura trieb, verhinderten trotz mehrerer Anläufe den Abwurf über Kokura – stattdessen wurde das Ausweichziel Nagasaki angegriffen. Dort, wo einst das Waffenarsenal stand, befindet sich seit April 2022 das Kitakyūshū City Museum of Peace, das u. a. über die Stadtgeschichte vor und während des Krieges aufklärt.

Burg Kokura: Wahrzeichen der Stadt

Eine der bekanntesten Sehenswürdigkeiten der Stadt ist die Burg Kokura. Erbaut 1602 von Hosokawa Tadaoki, ein mächtiger Feudalherr und treuer Freund des Reichseinigers Tokugawa Ieyasu, war sie von 1632 bis 1866 im Besitz der über die Region herrschenden Ogasawara-Familie, bevor sie im Zuge eines Krieges rivalisierender Clans niedergebrannt wurde. Erst 1959 wurde der Burgturm rekonstruiert, wobei es sich nicht um einen originalgetreuen Wiederaufbau handelt. Im Inneren können Besucher:innen historische Exponate sowie einen interaktiven Bereich rund um das Leben der Samurai während der Edo-Zeit besichtigen. Unweit der Burg befindet sich zudem der altehrwürdige Yasaka-Schrein, der besonders für die Ausrichtung des 400 Jahre alten Kokura Gion Matsuri-Festivals im Juli bekannt ist.

Die Burg Kokura
Die Burg Kokura. © Photo AC / grace*

Das Burggelände wird vom Katsuyama-Park umgeben, einem weitläufigen Park mit japanischem Garten sowie hunderten Kirschbäumen, die Mitte März bis Anfang April zahlreiche Menschen anlocken. 1632 lebte zudem der berühmte Schwertkämpfer und Schriftsteller Miyamoto Musashi in der Burg Kokura, weshalb ihm zu Ehren eine Statue im Park errichtet wurde.

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Moji-Hafen: Internationale Einflüsse im Retro-Stil

Am nördlichen Zipfel Kitakyūshūs liegt der Moji-Hafen, von dem man direkt die Stadt Shimonoseki (Präfektur Yamaguchi) auf der anderen Seite der Kanmon-Seestraße erblicken kann. Seit seiner Eröffnung 1889 war das Hafengebiet ein essenzieller Wirtschaftsstandort, wo sich im Laufe der Jahre zahlreiche Finanzinstitute und Handelsunternehmen ansiedelten. Mit dem Schrumpfen der Kohleindustrie sowie dem Bau eines moderneren Hafens, den größere Fähren und Schiffe heutzutage anlaufen, verlor Moji jedoch mehr und mehr an Bedeutung.

Der Moji-Hafen.
Der Moji-Hafen. © iStock.com/Jui-Chi Chan

Als touristische Sehenswürdigkeit erfreut sich der Hafen weiterhin großer Beliebtheit, allen voran aufgrund seiner eindrucksvollen architektonischen Landschaft im charmanten „Retro-Stil“. Im Viertel befinden sich viele Gebäude im westlichen Baustil aus dem späten 19. und frühen 20. Jahrhundert. Der JR-Bahnhof Mojiko ist dem Bahnhof Termini in Rom nachempfunden und als Wichtiges Kulturgut ausgewiesen. Das ehemalige Zollamt, erbaut 1912 aus rotem Backstein, ist Mojis ältestes historisches Bauwerk und beherbergt ein Café sowie ein kleines Museum. Ein weiteres eindrucksvolles Gebäude das Dalian Friendship Memorial, welches 1994 aus Backstein und Holz errichtet wurde, um die langjährigen Handelsbeziehungen zwischen Kitakyūshū und der chinesischen Stadt Dalian zu würdigen.

Dalian Friendship Memorial am Moji-Hafen.
Dalian Friendship Memorial am Moji-Hafen. © Photo AC / アシュガー

Wirklich spektakuläre Ansichten von Kitakyūshū erhalten Sie vom 103 m hohen Mojiko Retro Observation Room, wo sich vor allem bei Nacht das Hafengebiet in ein romantisches Lichtermeer verwandelt.

Ausblick vom Mojiko Retro Observation Room
Kitakyūshū bei Nacht - Ausblick vom Mojiko Retro Observation Room. © Photo AC / ゲンキーニ

Kunstfreunde sollten Halt im Idemitsu Museum of Art machen. Ein Ableger des gleichnamigen Museums in Tōkyō, beherbergt diese Einrichtung zahlreiche Stücke traditioneller japanischer und asiatischer Malerei sowie Keramik aus der Privatsammlung des Unternehmers Idemitsu Sazō.

Ein besonderer Toilettengang

Die hypermodernen japanischen Toiletten mit ihren zahlreichen Knöpfen und Funktionen, wie beheizbare Toilettensitzen, Bidet-Modus und automatische Spülung, sorgen bei vielen Japan-Reisenden für Erstaunen und Neid. Japans größter Toiletten-Hersteller ist TOTO mit Sitz in Kitakyūshū. Das Unternehmen wurde dort 1917 gegründet und erlebte vor allem nach Ende des Zweiten Weltkrieges, als die Nachfrage nach Sanitäranlagen rasant stieg, einen wirtschaftlichen Boom. Als größter Erfolg dürfte die Entwicklung des sogenannten Washlets – eine Kombination aus Toilette und Bidet – im Jahre 1980 zu werten sein, das mittlerweile in vielen privaten und öffentlichen Waschräumen standardmäßig eingebaut wird.

Das hauseigene TOTO Museum wurde anlässlich TOTOs 100. Geburtstags eröffnet und stellt in mehreren Ausstellungsräumen die Evolution japanischer Badezimmer und der TOTO-Produktpalette sowie den Werdegang des Unternehmens vor. Der Eintritt ist frei.

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Kitakyūshūs Naturwelten

Nur zweimal im Jahr geöffnet, ziehen die magischen Tunnel des Kawachi Fujien-Gartens große Besuchermengen an. Diese zwei 100 m langen Tunnel bestehen aus Blauregen (auch Wisterien oder Glyzinien genannt), auf Japanisch fuji, die von einem kuppelförmigen Klettergerüst unterstützt werden. Insgesamt blühen dort 20 verschiedene Arten in Weiß, Rosa und Violett. Der Kawachi Fujien öffnet während der Blauregen-Saison Mitte April bis Anfang Mai sowie während der Ahorn-Saison im Herbst. Preise können je nach Reisezeit variieren. Tickets müssen während der Hochsaison zwingend im Voraus (z. B. über die offizielle Website) reserviert werden.

Blauregen-Tunnel im Kawachi Fujien
Blauregen-Tunnel im Kawachi Fujien. © iStock.com/chanawin88

Neben dem Akiyoshidai- und dem Shikoku-Karstplateau gehört Hiraodai zu den drei großen Karstplateaus des Landes. Ca. 1 ½ Stunden Bus- und Bahnfahrt vom Stadtzentrum Kitakyūshūs entfernt, beeindruckt diese Naturlandschaft mit weitläufigen, hügeligen Grasfeldern, die von Jahrtausende alten Kalksteinbauten und Höhlen durchzogen sind. Auf dem Gelände befindet sich der Hiraodai Countryside Park, wo u. a. Töpfer-Workshops und Höhlenführungen angeboten.

Hiraodai-Karstplateau
Hiraodai-Karstplateau. © Photo AC/hiro71

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Anfahrt

Kitakyūshūs Hauptbahnhof ist die JR-Station Kokura, welche vom Tōkaidō- bzw. Sanyō-Shinkansen angefahren wird. Alternativ verbindet die JR Kagoshima-Linie die Städte Fukuoka und Kagoshima mit Kitakyūshū. 

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