Am äußersten östlichen Rand des Stadtbezirks Shibuya und im Osten angrenzend an den Bezirk Shinagawa liegt das Viertel Hiroo – wobei diese Definition nicht ganz so einfach ist, denn der japanische Name kennzeichnet zum einen die vier verschiedenen “chōme” genannten Verwaltungseinheiten von Hiroo und zum anderen die Gegend rund um den Bahnhof Hiroo an der Hibiya-Linie.
Begehrtes Wohn- und Akademieviertel
Hiroo beginnt direkt am kleinen Shibuya-Fluss, der in seinem kleinen Betonbett in Richtung Bucht von Tokyo mäandert. Nur zwei oder drei Häuser trennen den Fluss von der Meiji-Straße, einer der wichtigsten Verkehrsstraßen im Zentrum von Tokyo. Interessant wird es nördlich davon, denn hier geht es rund 10 bis 20 Meter aufwärts zu einem kleinen Plateau, welches seit Jahrhunderten als eines der erlesensten Wohnviertel der Stadt gilt. Dabei ist fast ein Drittel des Viertels noch nicht einmal öffentlich zugänglich, denn neben dem weit verzweigten Wohngebiet gibt es hier auch noch das Japanische Rotkreuzzentrum nebst Medizinischer Universität, die Hiroo Gakuen Mittel- und Oberschule sowie die “University of the Sacred Heart”, eine 1908 gegründete Frauen-Universität.
Die Universität ist ein eigenes Phänomen – ihr sogenannter “Hensachi-Koeffizient”, welcher vereinfacht bezeichnet den Schwierigkeitsgrad einer Universität bezeichnet (50 = Durchschnitt, 70 = sehr hoch), liegt hier gerade mal bei 40. Dennoch sind die Studiengebühren enorm hoch und das Einkommen der Eltern offensichtlich auch, denn die Studentinnen können es sich problemlos leisten, in den teuren Restaurants der Umgebung regelmäßig zu speisen.
Heimat vieler Botschaften
Schon seit Jahrzehnten ist Hiroo ein sehr populäres Viertel bei lange in Japan lebenden Ausländer:innen – vor allem aber bei diplomatischem Personal. Im Viertel befinden sich die Botschaften von Oman, Peru, Tschechien und Kroatien. In der näheren Umgebung, oft nur wenige hundert Meter entfernt, findet man zudem die Botschaften Deutschlands, der Schweiz, der VR China, Griechenlands, Pakistans, Frankreichs und Rumäniens. Da auch noch viele andere Botschaften, wie die amerikanische Botschaft, nicht allzu sehr entfernt liegen, entstand in Hiroo im Jahr 1962 der National Azabu Supermarket – der wohl internationalste Supermarkt in ganz Japan. Hier findet man eine große Auswahl amerikanischer und europäischer Lebensmittel, aber auch einen kleinen Schreibwaren- und Buchladen.
Die deutsche Botschaft liegt quasi gleich nebenan und beinhaltet unter anderem die schöne Botschafterresidenz mit einem erstaunlich großen traditionell japanischen Garten dahinter. Beide sind natürlich nicht öffentlich zugänglich – man kann sie nur sehen, wenn man zu einer Veranstaltung offiziell eingeladen wird. Zum Trost kann man sich im großen Arisugawa-no-miya-Park auf der anderen Straßenseite wunderbar die Beine vertreten. Neben einem kleinen Teich gibt es hier kleine auf und ab führende Pfade durch einen regelrechten Wald, der vor allem im Sommer angenehm Schatten spendet. Im Westteil des Parks steht, falls das Wetter mal schlecht wird, die Zentralbibliothek der Stadt Tokyo.
Das beinahe dörfliche Hiroo
Läuft man vom U-Bahnhof Hiroo gen Westen, so gelangt man in eine kleine, mit Geschäften gesäumte Einbahnstraße mit dem alten Tempelviertel am Ende. Die Häuser entlang dieser kleinen Straße sind allesamt eher niedrig gehalten und ein paar der Geschäfte sind sehr, sehr alt. Aus den Lautsprechern schallt tagsüber leise Musik – eine kleine Besonderheit, die man nur noch selten in Japan findet. In den kleinen Gassen befinden sich viele kleine Wohnhäuser mit Bewohner:innen, die hier oftmals schon seit Generationen wohnen und sich dementsprechend gut kennen.
Hier geht es fast ein bisschen dörflich zu, und dennoch sorgen vor allem die vielen Ausländer:innen – sehr viele von ihnen Botschaftsangehörige oder deren Familien – dafür, dass es auch ein bisschen international ist. Hier kann man unter anderem mexikanisch, indisch, kubanisch oder sogar arabisch essen gehen. Und was die Ausländer:innen und Studentinnen Hiroos anbelangt, so läuft man diese Straße nicht einfach entlang, sondern man flaniert. Ein weiterer Schlechtwettertipp: Das Yamatane-Kunstmuseum ist die erste Adresse für Moderne Kunst in der weiteren Umgebung. Und dann wäre da auch noch ein sehr altes Sentō, ein öffentliches Badehaus, mitten an der kleinen Ladenstraße.
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