Japan - mit dem zug von Nord nach Süd 19-Tage-Studienreise

Paradies für Totoro-Fans: Das Ghibli-Museum

Yasemin Besir
Yasemin Besir

Mit preisgekrönten Meisterwerken wie „Chihiros Reise ins Zauberland“ und „Mein Nachbar Totoro“ hat sich Miyazaki Hayao, Meisterzeichner des legendären Studio Ghibli, einen Namen in der Welt der Trickfilme gemacht. In Mitaka können Fans das Ghibli-Museum besuchen.

Wegweiser zum Ghibli Museum
Durch den Park ins Zauberland. Ein Wegweiser zum Ghibli Museum in Mitaka. (c) Kentaro Ohno / flickr CC BY-SA 2.0

Ghibli ist eine Welt voller Fantasie und geheimnisvoller Träume. Wo wandelnde Schlösser über die Berge ziehen, wo Magier ihre Herzen verlieren und Hexen auf Besen durch die Lüfte fliegen. Wo Menschen sich in Schweine verwandeln und kleine Mädchen zu Kriegerinnen werden. Eine Welt voller Zauber, Geister, Angst und Liebe. Skurril und verwirrend, aber niemals langweilig. Und unheimlich schön. Im Ghibli-Museum erwachen Träume zum Leben.

Das Museum der Träume

Miyazaki Hayaos Vision seines Ghibli-Museums ist sehr unmissverständlich: Ein Ort, der die Seele entspannt und einer klaren Philosophie folgt. Ein Ort, wo man viel entdecken und genießen kann. Ein Ort zum Nachdenken und Fühlen. Ein Ort voller seelischer, emotionaler, gedanklicher Bereicherung. Wer schon einmal das Ghibli-Museum in Mitaka besucht hat, weiß: Miyazakis Traum geht in Erfüllung – jeden Tag aufs Neue. Mit jedem Kind, das sich verliert in den fantastischen Welten des Ghibli-Universums, mit jedem Erwachsenen, der den Alltag für einige Stunden vergisst und zurückreist in unbeschwerte Zeiten des Kindseins und in wundersame Träume voller Rätsel und Geheimnisse.

Der Name Ghibli stammt aus dem Italienischen und bedeutet “heißer Wüstenwind”. Miyazakis Hoffnung war es vor Jahren, dass das Studio Ghibli einen frischen Wind durch die japanische Anime-Industrie wehen würde. Und der Wind weht noch heute.

Wer noch nie etwas von Ghibli gehört hat, hat akuten Nachholbedarf. Wer schon ein Fan ist, wird auf viele vertraute Gesichter treffen und darf sich dieses märchenhafte Kunstwerk nicht entgehen lassen.

Die Reise ins Zauberland

Tief im Schatten der Bäume, im Inokashira Park in Kichijōji, steht das bunt schillernde Ghibli-Museum (Mitaka no Mori Jiburi Bijutsukan, 三鷹の森ジブリ美術館). Zwar ist es auch mit einem Shuttle Bus zu erreichen, doch wer schon vor dem eigentlichen Eintritt einen besinnlichen Spaziergang durch den Park genießen und nach der weniger ruhigen Zugfahrt in die optimale Ghibli-Stimmung kommen will, sollte das auf keinen Fall versäumen. Am eher unscheinbaren Tor angekommen, empfängt ein riesenhafter Totoro die Besucher und weist ihnen den Weg zum Eingang. Wer genau hinsieht, bemerkt die vielen kleinen Rußbolde zu seinen Füßen.

 

Totoro empfängt die Besucher am Eingang des Museums.
Totoro empfängt die Besucher am Eingang des Museums. (c) nakashi / flickr CC BY-SA-2.0

Angekommen im eigentlichen Museum wird man von einem einzigartigen Zauber umschlossen: die vielen handgefertigten Fenster mit ihren bunten Glasbemalungen ziehen den Besucher in einen Bann, dem man nicht entkommen kann oder möchte. Scheint die Sonne durch die Fenster, spiegeln sich die lebhaften Farben auf den Steinböden des Museums wider – ein unwahrscheinlich schönes Schauspiel für die Sinne. Ein Blick nach oben offenbart die mit verspielten Fresken bemalte Decke des Museumseingangs. Ein strahlend blauer Himmel, wie man ihn aus Ghibli Filmen gut kennt, und die lachende Sonne bilden das Zentrum des Gemäldes; Bäume, Früchte und Blüten verzieren den verbleibenden Teil der Decke. Wer noch etwas genauer hinsieht, entdeckt hier auch Kiki auf ihrem Besen und Nausicaa auf ihrem Segler, wie sie über den Himmel gleiten.

Hier tauscht man seine zuvor gekauften Tickets gegen die offiziellen Eintrittskarten ein. Offiziell und so viel schöner: man bekommt Filmstreifen der echten 35mm Filmkopien von Ghibli Filmen, die schon in Kinos benutzt wurden. Hält man sie ins Licht, kann man sehen, welche Sequenzen aus welchem Film man erwischt hat. Und für die ganz kleinen Gäste gibt es einen speziellen Podest an der Rezeption, damit sie auch ihr eigenes Ticket ganz persönlich empfangen können. Erwachsene und Kinder sind hier eben alle (fast) gleich.

Filmstreifen als Ticket
Die originalen Filmstreifen als Eintrittskarte. © Olivier Bruchez / flickr CC BY-SA-2.0

Miyazakis Irrgarten

Auch bei der Architektur des Museums hat Miyazaki großen Wert darauf gelegt, der Fantasie freien Lauf zu lassen und die Idee der verschachtelten Welten aus seinen Filmen in allen Ecken und Kanten des Gebäudes einzugliedern. Entstanden ist ein regelrechtes Labyrinth aus zahlreichen gewundenen Eisentreppen, Galerien, Brücken und Balkonen, die sich über das gesamte Museum erstrecken, alle irgendwie zueinander und doch in keine festgelegte Richtung führen. Zu winzigen Türen, zu Sackgassen, zu vielen kleinen Aufzügen und in besinnliche Leeren. Wegweisende Pfeile oder Schilder braucht man hier gar nicht zu suchen. Der Gast wird ausdrücklich dazu eingeladen, sich zu verirren und zu genießen, was ihm begegnet, ohne zu suchen. Innezuhalten und das Gebäude auf sich wirken zu lassen, da es in gewisser Weise selbst als ein Teil der Ausstellungen agiert.

Außenansicht des Museums
Außenansicht des Museums: In Anlehnung an den Stil des Künstlers Hundertwasser gestaltet. (c) Olivier Bruchez / flickr CC BY-SA-2.0

Wo ein Film geboren wird: Die Magie der Animation

Das Ghibli-Museum ist nicht zuletzt der Kunst und Technik der Animation gewidmet. Trickfilme kennen und lieben wir alle seit unserer Kindheit, aber wie sie entstehen und sich auf einem leeren Blatt Papier verewigen ist eine fremde, leicht verstaubte Welt, auf die das Museum ein Licht werfen will. Eine der Attraktionen ist daher eine Reihe von fünf Räumen im ersten Stockwerk, einer mit dem Namen Where a Film is Born. Hierbei handelt es sich um eine Nachbildung eines kleinen Studios der Ghibli Art Directors. Die gesamte Gestaltung des Ateliers erweckt den Eindruck, als sei der Zeichner gerade noch hier gewesen und wäre nur für einige Minuten aus dem Raum. Süßigkeiten auf dem Tisch, Skizzen an den Wänden, Alben mit Illustrationen und all die Spielzeuge im Raum spiegeln völlig mühelos und lebensnah den Alltag eines Trickzeichners und den kreativen Entstehungsprozess einer Animation wider. Sieht man die Modellflugzeuge, die von der Decke baumeln, erfährt man einmal mehr Miyazakis Leidenschaft für Fluggeräte und ihre Wichtigkeit in seinem Leben und seinen Filmen. Ein Raum voller Inspiration, voller Ruhe, voller kreativer Energie. Ein vertraulicher Blick hinter die Kulissen der Trickzeichner, wo Ideen entstehen und wieder verworfen werden und geistige Streifzüge in vollendete Filmszenen münden, die wir mit funkelnden Augen auf Leinwänden und Bildschirmen würdigen. Ein ganz kleiner Blick. Der Rest ist Magie.

Zum Saturn und wieder zurück

Das Saturn Theater ist das museumseigene Kino im Untergeschoss des Gebäudes und zeigt exklusive, eigens für das Museum produzierte Kurzfilme von Ghibli, die man sonst nirgendwo sehen kann. Jeder Film dauert etwa 15 bis 20 Minuten und läuft ausschließlich in Japanisch. Da der Dialoganteil allerdings sehr gering ist und hier vor allem die liebevollen Animationen im Fokus stehen, stellt dies auch für ausländische Besucher kein Problem dar. Einfach unter der blauen Himmeldecke des Theaters Platz nehmen und die skurrilen Kurzfilme genießen. Nach jeder Vorführung dringt das Sonnenlicht durch die sich automatisch öffnenden Fenster und erhellt den Saal. Diese Automatik hat Miyazaki ganz gezielt entworfen, da er vermeiden wollte, dass kleine Kinder sich schon beim Betreten des Kinos vor dem verdunkelten Raum erschrecken. Eine kindliche Logik, die sich an so vielen Stellen des Museums wiederfindet und den Besucher in eine lächelnde Nostalgie versetzt. Auch wir hatten mal Angst vor der Dunkelheit.

Zu beachten ist, dass es Gästen pro Besuch nur einmal erlaubt ist, den Kurzfilm zu sehen. Ein Grund mehr, das Museum öfter zu besuchen.

Von Robotern und Strohhüten

Nachdem man sich zur Genüge im Museum verirrt und alle möglichen Entdeckungen gemacht hat, dürfte sich bald schon der Hunger zu Wort melden. Zum Glück bietet auch hier das Ghibli Museum eine charmante Lösung: Das Straw Hat Cafe (dt. Strohhut Café). In Anlehnung an Mei aus „Mein Nachbar Totoro“ und ihrem Strohhut gestaltet, wartet dieses liebevolle Café jeden Tag im Schatten einer seltenen Rot-Kiefer auf seine Besucher. Es heißt, das Restaurant sei mit Hilfe einer Hausfrau und Mutter von vier Kindern entstanden, da Miyazaki großen Wert auf eine authentische, häusliche Küche legte. Eine große Auswahl darf man hier zwar nicht erwarten, aber fast alle Zutaten für die sowohl warmen als auch kalten Gerichte, Snacks und Desserts kommen aus kontrolliert biologischem Anbau und werden für jeden Gast frisch und mit Liebe zubereitet.

Bücherfreunde sollten einen Besuch im TRI HAWKS nicht versäumen. Mitaka bedeutet wörtlich übersetzt tatsächlich drei Falken, daher das Wortspiel und die Namensgebung TRI HAWKS. Als stiller Leseraum und Buchladen konzipiert,  soll hier vor allem Kindern die Möglichkeit geboten werden, fremde und geheimnisvolle Dinge durch Bücher zu sehen und zu fühlen. Zudem finden sich hier von Miyazaki Hayao persönlich empfohlene Bücher zum Durchblättern und Stöbern. Wer noch eine Kleinigkeit shoppen möchte, sollte dem Souvenirshop „MAMMA AIUTO!“ (benannt nach den Luftpiraten in „Porco Rosso“) einen kurzen Besuch abstatten, sich allerdings auch auf ein eher schleppendes Vorankommen vorbereiten, da der Laden zu Stoßzeiten leider sehr überlaufen ist.

Eingang zum Museumscafé
Das Museumscafé lädt zu liebevoll zubereiteten Leckereien ein. (c) Kentaro Ohno / flickr CC-BY-2.0

Im zweiten Stockwerk wartet der (fast) lebensgroße, flauschige Katzenbus darauf, die ganz kleinen Gäste (bis zu 12 Jahren) mitzunehmen auf ein Abenteuer voller Spaß und Fantasie. Folgt man hier der Wendeltreppe hinauf zum Dach, landet man auf der begrünten Dachterrasse des Museums. Überflutet von Emotionen, Erinnerungen und der eigenen Vorstellungskraft, findet man sich bald im Schatten der fünf Meter hohen Skulptur des Kampfroboters und gewürdigten Wächters des Museums, in einem regelrechten Garten, der dazu einlädt, die jahreszeitlich wechselnde Pflanzenpracht zu genießen und über die im Museum erlebten Erfahrungen zu reflektieren.

Kupferskulptur auf dem Dach des Museums.
Fünf Meter hohe Kupferskulptur eines Kampfroboters auf dem Dachgarten des Museums. Künstler Kunio Shachimaru stellte sie in zwei Jahren fertig. (c) Richard, enjoy my life! / flickr CC BY-SA 2.0

Das Portal in eine andere Welt

Egal ob eingefleischter Fan oder Neuling in der Ghibli-Szene: Das Museum bietet seinen Besuchern die Gelegenheit, in die fantastischen Welten des legendären Animationsstudios zu tauchen und sich in ihrer völligen Liebe zum Detail zu verlieren. Sowie in den Filmen schon die kleinsten Bewegungen und Einzelheiten ausführlich gezeichnet werden, so begegnet man auch in diesem so schillernden, außergewöhnlichen und zweifellos einzigartigen Museum derselben Leidenschaft und Philosophie. Das Fotografieren und Filmen innerhalb des Gebäudes ist nicht erlaubt, weshalb es keine Bilder zu den Ausstellungen und zur inneren Architektur gibt. Das Museum verfolgt mit dieser Regel jedoch ein ganz einfaches Prinzip: Es ist ein Portal in ein Bilderbuch. Der Gast betritt als Hauptcharakter die Fantasiewelt Miyazakis und seine ganz eigene Geschichte und soll das Museum mit seinen Augen und Sinnen erleben, anstatt durch eine Kamera. Der Wunsch ist es, dass die Besucher ihre Ghibli-Erfahrung im Museum als Erinnerung mitnehmen. Eine einzige, umso wertvollere Erinnerung vor den Augen des Betrachters.

Was Miyazaki nicht will, ist ein überhebliches, arrogantes Museum, dem seine Inhalte wichtiger sind als seine Besucher. Bisher hat sich auch dieser Wunsch ein ums andere Mal erfüllt.

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Tickets kaufen… eine ganz andere Geschichte

Wie seine etwas versteckte Lage inmitten des Inokashira Parks in Mitaka, lassen sich auch die sehr begrenzt verfügbaren Tickets für das Ghibli Museum nicht so leicht finden. Eine ausführliche Anleitung zur Reservierung und zum Kauf würde hier den Rahmen sprengen, doch nur Mut! Sowohl das Museum selbst als auch eine Vielzahl von Besuchern stellen online hilfreiche Schritt-für-Schritt-Erklärungen zur Verfügung, sodass sich Ghibli-Fans und Interessierte von dieser kleinen (großen) Hürde nicht entmutigen lassen. Nicht vergessen: Am Ende des Kampfes wartet das Zauberland.

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