Viele Reisende kommen mit der Präfektur Chiba nur in Berührung, wenn sie auf dem internationalen Flughafen Narita landen oder von dort abfliegen, oder wenn sie einen Ausflug zum Tōkyō Disney Resort oder zum weitläufigen Messekomplex Makuhari Messe unternehmen. Das ist wirklich schade, denn Chiba ist nicht nur eine ziemlich große Halbinsel mit modernen Städten, Ackerland und unberührten Wäldern, sondern auch die Heimat von sehr reizvollen Orten mit tiefen kulturellen Traditionen.
Je nach Verkehrslage und anderen Faktoren kann der Flughafen Narita weit vom Zentrum Tōkyōs entfernt sein. Nehmen wir an, Sie sind früh am Flughafen angekommen und haben vor Ihrem Abflug noch etwas Zeit zur Verfügung. Oder vielleicht wollen Sie sich mit jemandem treffen, der mit einem späteren Flug ankommt. Vielleicht sind Sie auf der Durchreise, oder Sie suchen einfach ein verlockendes Ziel abseits der ausgetretenen Pfade. Sawara ist für jeden dieser Fälle die richtige Wahl.
Eine Geschichte geprägt vom Schiffstransport
Zunächst ein kurzer Ausflug in die Geschichte: In der Vormoderne herrschte der Wassertransport vor. Edo (der frühere Name Tōkyōs) war eine Stadt, die von Flüssen und Kanälen durchzogen war. Einer der drei größten Flüsse, der Tone, war ziemlich unkontrollierbar, so dass das herrschende Tokugawa-Shōgunat im 17. Jahrhundert ein langfristiges Hochwasserschutzprojekt startete, um den Fluss von der Bucht von Tōkyō weg in den nördlichen Teil der heutigen Präfektur Chiba umzuleiten. Dies war ein Segen für die Region, denn es förderte ihre wirtschaftliche Entwicklung, da Reis und andere landwirtschaftliche Erzeugnisse per Schiff nach Tōkyō geliefert wurden. Städte entlang des Tone-Flusses, die diesen Transport unterstützten, wie z. B. Sawara, florierten.
Sawara trägt zwar immer noch ihren ursprünglichen Namen, wurde aber 1951 zu Verwaltungszwecken in die Stadt Katori eingemeindet. Die Gebäude und der alte Stadtgrundriss spiegeln deutlich die Entwicklung der Stadt im Laufe der Jahrhunderte wider. Sie zeigen auch, wie die Einwohner*innen ihre Vergangenheit in Ehren halten, indem sie das Stadtbild von Werbetafeln, Lautsprechern oder Automatenreihen verschont halten.
Geschäfte und Gebäude aus der Edo- und Meiji-Zeit
Viele der wunderschön erhaltenen alten Gebäude in Sawara sind immer noch in Betrieb, z. B. Nakamura Shōten (erbaut 1855), die Buchhandlung Shōbundō (erbaut 1880) und das Kimono-Geschäft Fukushin (erbaut 1895). Das Sawara Mitsubishi Building aus rotem Backstein ist ein zweistöckiges Gebäude im westlichen Stil, das 1914 erbaut wurde und heute ein Museum ist. Es dient auch als Touristeninformationszentrum, und die freundlichen Mitarbeiter helfen gerne weiter.
Neben einem Bummel durch die Altstadt und einem Besuch in den Souvenirläden können Sie auch zur Bootsanlegestelle am Ono-Kanal hinuntergehen und eine 30- bzw. 40-minütige Kanalfahrt auf einem kleinen Boot namens sappa bune für etwa 1.300 Yen (700 Yen für Kinder) unternehmen. Und bevor Sie mit dem Zug zurück zur JR-Station Narita fahren, sollten Sie Tōkun Shuzō besuchen, eine der beiden traditionellen Sake-Brauereien der Stadt, wo Führungen (auf Japanisch) stattfinden und leckere Sake-Sorten für einen kleinen Betrag probiert werden können.
Der Vater der japanischen Kartographie
Keine Reise nach Sawara ist vollständig, ohne das Museum und die ehemalige Residenz von Inō Tadataka (1745-1818) zu besuchen, dem Mann, der Japan buchstäblich “auf die Landkarte” setzte. Inō war ein wohlhabender Kaufmann aus Sawara, den das Fernweh packte. Seit seinen Vierzigern interessierte er sich für Astronomie und Kalenderwissenschaft, was seine verborgenen Talente als Landvermesser und Kartograph zum Vorschein brachte. Er nutzte seine Fähigkeiten auch, um die Höhe des Berges Fuji zu schätzen, und als Jahre später modernere Geräte zur Verfügung standen, stellte sich heraus, dass Inos Schätzung nur um vier Prozent daneben lag.
Nach vier Kartierungsexpeditionen, die er auf eigene Kosten unternahm, erhielt Inō eine Finanzierung durch das Tokugawa-Shōgunat, stellte Teams von Assistenten ein und führte in den nächsten zehn Jahren Kartierungsexpeditionen bis zu seinem 71. Lebensjahr fort. Er starb im Jahr 1818 im Alter von 73 Jahren.
Inōs Hauptwerk war ein umfangreicher Atlas Japans mit dem Titel Dai Nihon Enkai Yochi Zenzu (“Gesamtkarte der Küstengebiete Japans”), der 1821, drei Jahre nach seinem Tod, veröffentlicht wurde. Die Karten waren so genau, dass sie bis Mitte der 1920er Jahre in Gebrauch blieben. Denkmäler an den Orten, an denen Inō seine Vermessungsarbeiten durchführte, sind überall in Japan zu finden.
Das Inō Tadataka Museum mitten in der Stadt würdigt seine Karriere. Es verfügt nur über eine begrenzte Anzahl von Erläuterungstafeln in englischer Sprache, und die gedruckten Materialien sind nur auf Japanisch, aber es ist für jeden interessant, der Karten und Reisen mag. Direkt auf der anderen Seite des Ono-Kanals befindet sich Inōs ehemaliger Wohnsitz, der immer noch steht.
Blüten und Floße: Der botanische Garten und das Herbstfest
Eine weitere Attraktion in der Nähe ist der Suigo Sawara Ayame Park, der einen riesigen botanischen Garten beherbergt, welcher die natürlichen Wasserressourcen und Grünflächen optimal nutzt. Rund 1,5 Millionen Schwertlilien aus 350 Arten blühen das ganze Jahr über, und im Juli und August sind mehr als 200 Arten von indischem Lotus zu sehen. Während meines Besuchs kam ich in den Genuss eines völlig unerwarteten Vergnügens – ich durfte einer yome-iri beiwohnen, einer traditionellen Shintō-Hochzeit im Freien, bei der Braut und Bräutigam an Bord eines kleinen Bootes zum Altar gepaddelt wurden, begleitet von hörbaren Seufzern Dutzender begeisterter Schaulustiger.
Das Tolle an Sawara ist, dass die meisten Sehenswürdigkeiten – mit Ausnahme einiger großer Tempel und Schreine wie dem Katori-Jingū-Schrein – vom Bahnhof aus zu Fuß erreichbar sind. Es können auch Fahrräder gemietet werden. Ein Tipp: Am zweiten Oktoberwochenende findet das Sawara-Herbstfest mit einer Parade spektakulärer, farbenfroher Festwagen, den daisha, statt.
(Die jährlichen Feierlichkeiten wurden in den letzten Jahren abgesagt, schauen Sie also auf der Website für weitere Informationen nach. Falls Sie das Fest verpassen sollten, gibt es ein kleines Museum, in dem einige der vielen Wagen ausgestellt sind).
Orientierung: Download einer englischen Karte
Das Touristeninformationszentrum der Stadt (Öffnungszeiten von 9:00 bis 17:00 Uhr) befindet sich 50 Meter vor dem Bahnhof Sawara. Ein englischsprachiger Stadtplan kann von der Website der Katori International Friendship Association heruntergeladen werden:
Anreise
Fahren Sie zunächst mit dem Zug nach Narita (JR Narita-Linie). Von der Station JR Narita aus kostet die einfache Fahrt nach Sawara, der fünften Haltestelle und einer 30-minütigen Fahrt, 510 Yen. Vom Bahnhof Sawara aus sind es nur 15 Minuten Fußweg bis zur Altstadt.
Hinweis: Im Vergleich zu städtischen Gebieten verkehren die Züge der JR Narita-Linie etwas seltener. Um die Wartezeit am Bahnhof zu verkürzen, sollten Sie bei Ihrer Ankunft im Bahnhofsgebäude den Fahrplan für die Rückfahrt einsehen und sich mit einigen Minuten Vorlauf zum Bahnsteig begeben.
Dieser Artikel wurde ursprünglich auf Englisch bei All About Japan veröffentlicht und von JAPANDIGEST übersetzt und nachbearbeitet.
Kommentare