Die Metropolregion Tōkyō ist das Traumziel vieler Touristen. Doch ist die Gegend auch barrierefrei und kinderfreundlich? Die Olympiade 2020/21 war für Menschen mit körperlichen Einschränkungen eine große Chance, denn sie unterstrich noch einmal die Notwendigkeit, Japan barrierefreier zu gestalten. Zwar war bereits im Jahre 2006 ein nationales Gesetz über die Barrierefreiheit verabschiedet worden, dieses wurde jedoch jahrelang nicht erweitert, sodass Japan internationale Standards nicht erfüllen konnte. Im Rahmen der Vorbereitungen der Olympischen und Paralympischen Spiele wurden das Gesetz überarbeitet und sehr viele Orte zugänglicher gemacht. Dennoch sind nicht alle Wege barrierefrei und man sollte seine Reise vorab gut planen.
Barrierefreies Reisen mit dem Zug
Die gute Nachricht für Rollstuhlfahrer:innen ist, dass die meisten Bahnhöfe im Stadtgebiet Tōkyōs mit Fahrstühlen, barrierefreien Toiletten und (teilweise) mit rollstuhlgerechten Rolltreppen ausgestattet sind. Allerdings kann es hier zur berühmten Rush Hour zwischen 7.30 und 9.00 Uhr wie in einem Bienenstock zugehen, was vor allem auf schmalen Bahnsteigen zum Problem werden kann. Vermeiden Sie daher die Hauptverkehrszeit am Morgen sowie am Nachmittag ab 17 Uhr.
In riesigen Bahnstationen mit mehreren Ausgängen wie Shinjuku ist man eventuell auf die Hilfe von Bahnhofsmitarbeitern angewiesen, die einen nach vorheriger Anmeldung zum Zug begleiten und am Start- und Zielbahnhof eine Rampe zur Verfügung stellen. In einigen älteren Bahnstationen gibt es nur einen Rollstuhllift anstelle eines Aufzugs. Neben dem Treppeneingang befindet sich i.d.R. eine Gegensprechanalage (in Form einer kleinen Box) über die man zunächst das Personal informieren muss, das einen dann über eine tragbare Rampe nach unten führt.
Was man außerdem beim Reisen mit dem Zug beachten muss, ist, dass Rollstühle eine bestimmte Normgröße nicht überschreiten dürfen. Bei der Bahngesellschaft Japan Railways (JR) sind es eine Maximalhöhe und -länge von 1,20 m und eine Breite von 70 cm. In den Nahverkehrszügen gibt es sog. Priority Seats für Menschen, die auf einen Sitzplatz angewiesen sind, während man in den Fernzügen (z.B. Shinkansen) vorab einen Platz reservieren sollte.
Sightseeing in Tōkyō
Leider sind aufgrund der vielen Treppen nicht alle Sehenswürdigkeiten und Gastronomiebetriebe barrierefrei zugänglich, dies gilt besonders für Tempel und Schreine, traditionelle japanische Restaurants sowie historische Gebäude wie den Kaiserpalast, aber auch für bestimmte Viertel mit eher kleineren Geschäften. Es gibt aber auch zahlreiche Ausnahmen, wie z.B. den Tempel Sensō-ji in Asakusa, der über einen Fahrstuhl zugänglich ist und in dessen Umkreis sich mehrere rollstuhlgerechte Toiletten befinden.
Für Menschen mit Seh- und Hörbehinderung
Sehr viele Straßen in Tōkyō und ganz Japan sind mit gelben Bodenleitsystemen (jap. tenji burokku) versehen, die Menschen mit eingeschränktem Sehvermögen den Weg erleichtern. Automatische Ansagen an Bahnhofstoiletten und in Aufzügen dienen zudem der Orientierung und Schilder in Zügen und an öffentlichen Orten sind zusätzlich mit Braille beschriftet. Hier heißt es allerdings aufpassen: An stark touristisch besuchten Orten findet man zwar häufig die englische Brailleschrift vor, normalerweise wird aber die japanische verwendet. Im Zweifel sind einem Mitarbeiter gerne bei der Orientierung behilflich.
Was wiederum die Gebärdensprache angeht, so wird in Japan sowohl die internationale als auch die japanische verwendet. Auch spezielle Apps können für Gehörlose bei der Kommunikation sehr hilfreich sein. In Museen und auf Gruppenreisen empfiehlt es sich für Hörgerätenutzer, nachzufragen, ob der jeweilige Audio-Guide hörgerätekompatibel ist.
Reisen mit Kindern
Eine aufregende Gegend wie Tōkyō hat Kindern natürlich einiges zu bieten, dennoch muss man achtgeben, dass sie im Trubel nicht verlorengehen. Da die Züge gerade in der Hauptstadt häufig überfüllt sind, empfiehlt es sich, statt eines ausladenden Kinderwagens ein zusammenklappbares Modell oder eine Trage zu verwenden.
Wer mit kleineren Kindern unterwegs ist, wird erfreut sein, dass nicht nur in den o.g. barrierefreien und geräumigen Bahnhofstoiletten ein Wickeltisch zur Grundausstattung gehört, sonders dies auch in den großen Einkaufszentren und Kaufhäusern der Fall ist. Neben Spielbereichen für Kinder und einem Kinderwagenverleih werden häufig auch Mikrowellen zum Erwärmen von Milch und Babynahrung zur Verfügung gestellt. Eine weitere gute Anlaufstelle hierfür sind Supermärkte und Convenience Stores, wo die Mitarbeiter an der Kasse dies gerne übernehmen. Windeln (jap. o-mutsu) bekommt man in den Drogeriemärkten, die man an dem großen Schriftzeichen für „Medizin“ (kusuri, 薬) erkennen kann.
Für Familien wunderbar geeignet sind auch, wie man schon am Namen merkt, sog. Familienrestaurants, die für jeden Geschmack etwas bieten und gut bebilderte Speisekarten (meist auch auf Englisch) zur Verfügung stellen. Noch mehr Freizeit- und Spielmöglichkeiten bietet die Metropolregion Tōkyō mit diversen Aquarien und interaktiven Museen, Vergnügungs- und Themenparks sowie Game Centern für Kinder und Jugendliche.
Hotels und Unterkünfte
In Tōkyō gibt es eine Reihe von Hotels und Unterkünften in der oberen und mittleren Preisklasse, die einen barrierefreien Zugang zum Zimmer und ein geräumiges Badezimmer mit Haltestangen zur Verfügung stellen. Allerdings muss man teilweise per Telefon oder E-Mail anfragen, ob das gewünschte Zimmer über die nötige Ausstattung verfügt, da dies bei der Online-Reservierung leider nicht immer ersichtlich ist. Dies gilt auch für Familien, die beispielsweise auf eine Kinderkrippe angewiesen sind.
Obwohl 2019 im Zuge der Vorbereitungen für die Paralympischen Spiele eine Verordnung der Präfekturregierung Tōkyō in Kraft trat, laut derer neu erbaute Hotelzimmer bestimmte Kriterien zur Barrierefreiheit erfüllen müssen, gibt es bei weitem nicht ausreichend barrierefreie Unterkünfte für die Massen an Besuchern, die (außerhalb der Pandemiezeiten) normalerweise nach Tōkyō strömen. Zumal die gesetzlichen Vorgaben auch erst ab einer Fläche von über 1.000 qm gelten und vor Inkrafttreten der Verordnung erbaute Hotels davon ausgenommen sind. Viele Unterkünfte verfügen nur über ein oder höchstens zwei barrierefreie Zimmer. Eine der wenigen Ausnahmen bildet z. B. das Keio Plaza Hotel Tokyo, das ganze zehn solcher Räume anbietet.
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