Japan - mit dem zug von Nord nach Süd 19-Tage-Studienreise

Die Burgstadt Obi: Das kleine südliche „Kyōto“

Marie-Louise Helling
Marie-Louise Helling

Großflächige Burgruinen, duftende Zedernwälder und traditionelle Tänze: Die kleine Stadt Obi auf der Insel Kyūshū ist ein wahrer Geheimtipp für Japan-Reisende.

Die Burg Obi: Das Wahrzeichen der Stadt Obi. © photo-ac / kanoekana

Im Nordwesten der Stadt Nichinan, in der Präfektur Miyazaki, liegt das beschauliche Örtchen Obi abseits der Touristenströme. Die historische Atmosphäre erinnert an ein Kyōto in Kleinformat: Ruhig schlängeln sich die Straßen von Obi vorbei an alte Wohn-, Samurai- und Gasthäusern. Neben einigen Straßen befinden sich kleine, künstlich angelegte Wasserläufe, in denen bunte Koi-Karpfen mit der Strömung schwimmen. Bemerkenswert sind die niedrigen Hecken aus grünen Teesträuchern, die vor den traditionellen Häusern wachsen und auch heute noch zur Teezubereitung genutzt werden. In den Teehäusern und Restaurants der Stadt ist die herzerwärmende Gastfreundlichkeit der Einheimischen Anlass genug einzukehren und sich eine köstliche Mahlzeit zu gönnen. Im Süden fließt der klare Sakatani-Fluss, an dessen Ufer sich das begrünte Gelände der Burgruine Obis schmiegt. Im Frühling blühen dort prächtige, rosafarbene Kirschblütenbäume.

Straßen mit Samurai-Residenzen: In der Burgstadt Obi lebten bis zur Edo-Zeit Samurai. © photo-ac / 頭上注意

Die Burg Obi

Die Geschichte der Stadt begann mit der Gründung der örtlichen Burg: In der Nambokuchō-Periode (1336-1392) ließ der Tsumochi-Clan das Fundament einebnen und errichtete die Grundpfeiler. Der eigentliche Bau erfolgte jedoch erst im Jahr 1475 durch Shimazu Tadakane aus Kagoshima. Während der Sengoku-Periode (1467-1603), als auf den Hauptinseln die Krieger-Clans um die Vormachtstellung Japans kämpften, eroberte Itō Yoshisuke im Jahr 1562 die Burg Obi, verlor sie jedoch gleich darauf wieder an die Shimazu. 1568 kämpften die Itō erneut um die Festung und gingen am Ende als Sieger hervor. Doch schon neun Jahre später fiel die Burg wieder in die Hände der Shimazu zurück. Das kämpferische Tauziehen um den Machtanspruch auf die Burg endete 1587, als der berühmte Kriegsherr (und Verbündeter der Itō-Familie) Toyotomi Hideyoshi die Burg endgültig für sich beanspruchte. Als Zeichen der Loyalität schenkte Hideyoshi der Familie Itō die Regierungsgewalt über Obi.

1684 erschütterten drei gewaltige Erdbeben die Region, viele Teile der Burgmauern stürzten ein. Daraufhin erweiterten die Itō das Burggelände durch Anbauten und machten sie erdbebensicher. Vierzehn Generationen lang herrschten sie über Obi – doch ab der Meiji-Restauration 1868 standen die Gemäuer leer und wurden teilweise aufgrund einer neuen rechtlichen Verordnung abgerissen. Erst 1978 widmete sich die Gemeinde von Obi der Renovierung des Burggeländes sowie anderer verfallener Gebäude der Stadt. Durch dieses fleißige Engagement erblühte Obi nur wenige Jahre später in neuem Glanz und erinnert heute an eine authentische Burgstadt der Edo-Zeit (1603-1868). Obis Berühmtheit stieg 2004 mit dem Dreh der japanischen TV-Serie “Wakaba”, in der eine junge Frau aus Kōbe nach Obi zieht, um Landschaftsarchitektur zu studieren. Seit dem Jahr 2006 zählt das Burggelände sogar zu den “100 schönsten in Japan”.

Wer Obi preiswert erkunden möchte, der kann den Ayumi-chan Pass für 1.600 Yen in der Tourist Information kaufen. Dieser enthält fünf Gutscheine für örtliche Restaurants und Cafés sowie freien Eintritt zu sieben Museen, darunter das Burggelände und das Historische Museum. Eine Besichtigung der Burg ist von Montag bis Sonntag (9:30 bis 17:00 Uhr) möglich. Vom JR-Bahnhof Obi ist sie fußläufig in 15 Minuten erreichbar.

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Die Zedern von Obi

Mitten auf dem Burggelände finden sich moosbewachsene Flächen mit hohen alten Zedernbäumen. Obi ist berühmt für seine Zedern: Dank des warmen und feuchten Klimas wachsen die Bäume schnell. Ihr Holz ist außergewöhnlich leicht und weich. Während der Edo-Zeit war die Obi-Zeder ein begehrtes Produkt, da sie sich bestens für den Schiffsbau eignete. Heute erfreut sich das duftende Zedernholz nach wie vor großer Beliebtheit und wird in ganz Japan unter anderem zum Bau von Brücken, Möbeln und Dächern verwendet. Die Präfektur Miyazaki ist landesweit die Nummer eins der Holzproduktion. Um den Holzkreislauf von Anbau und Abbau im Gleichgewicht zu halten, setzten sich die Holzfirmen in Obi und Miyazaki für die ressourcenschonende Verwendung von Zedernholz ein. In und rund um Obi wird großer Wert darauf gelegt den Bestand der Zedernbäume zu erhalten. Jedes Jahr werden mit großer Sorgfalt kleine neue Zedernsetzlinge gepflanzt.

Zedernbäume auf dem Burggelände: Ein ruhiges Wäldchen zum Innehalten. © photo-ac / kanoekana

Das Obi Jouka Fest

Mitte Oktober treffen sich die Einwohner:innen der Stadt Obi zum Tanzen und Feiern. Tänzer in bunten Kimonos und ins Gesicht gezogenen Strohhüten mit dicken Kordeln bewegen sich anmutig vor dem großen Burgtor. Die Tanzbewegungen des taihei odori erinnern an eine Verschmelzung der Samurai-Kampfkunst und der Einfachheit des bürgerlichen Lebens. Der Ursprung des Tanzes lässt sich in den Auseinandersetzungen zwischen den Shimazu und den Itō finden. Jahrhunderte lang kämpften die Familien um die Vorherrschaft, auch das Volk litt unter den ständigen Kämpfen. Als endgültig die Itō-Familie an die Macht kam, atmeten die Samurai und die Bürger Obis erleichtert auf und feierten bis in die Nacht hinein – das Obi Jouka Fest war geboren. Seit 1962 zählt es zum Kulturgut Miyazakis und lockt jedes Jahr zahlreiche Touristen an. Wer will, kann ausgelassen mittanzen!

Der Bahnhof von Obi: Davor steht die Statue einer taihei odori Tänzerin. © photo-ac / kanoekana

Anfahrt

Mit dem Auto: Eine Stunde Fahrt von der Stadt Miyazaki aus. Von Aoshima dauert es mit dem Auto 40 Minuten.

Mit der Bahn: Von Miyazaki aus dauert mit der Nichinan-Linie es ungefähr zwei Stunden bis nach Obi, von Aoshima etwa eine Stunde.

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