Das heute als Craft Beer bekannte Bier hat seine Anfänge im Amerika der 1960er Jahre und verbreitet sich seitdem, von dessen Westküste aus, in der ganzen Welt. Auch in Japan gibt es nunmehr ca. 300 solcher Brauereien, welche ständig an der Erarbeitung neuer Geschmacksrichtungen feilen. Die 2012 im Herzen von Kōfu City gegründete Brauerei Outsider Brewing stellt als Kleinbrauerei pro Jahr etwa 60.000 Liter Bier her. Dieses, an Einzigartigkeit kaum zu überbieten, wurde bereits drei Jahre in Folge zum besten Microbrew Japans gekürt.
Unendliche Möglichkeiten: Was macht Craft Beer aus?
Während die Großbrauereien Japans hauptsächlich ein Lagerbier mit erfrischendem Geschmack verkaufen, das leicht die Kehle hinuntergeht, zeichnet sich Craft Beer vor allem durch seine vielfältigen Farben, Bittergrade, Aromen und Alkoholgehalte aus, welche sich von Getränk zu Getränk unterscheiden. Kunstvoll hergestellt wird dieses von den sogenannten „Brewern“, den Braumeistern der „Microbreweries“.
Die große Bandbreite des Craft Beers wird auch von Outsider Brewings Niwa Toshi bestätigt, Schöpfer des drei Mal in Folge zum besten Craft Beer Japans gewählten Bieres: „Die Biervariationen sind unendlich, deswegen wird es mir nie langweilig.“ Seit der Schöpfung seines ersten Bieres in seiner Heimatpräfektur Gifu, gab er sich voll und ganz der Welt des Bieres hin. „Seit 22 Jahren denke ich konstant und ohne Pause über Bier nach.“
„Als ich 1996 noch beim örtlichen Steinhandel angestellt war, rief man dort ein Projekt ins Leben, ein lokales Bier zu brauen. Wie es der Zufall so wollte, wurde ausgerechnet ich als Team-Mitglied ausgewählt. Damit fing wohl alles an.“ Hintergrund der Projektidee war die Revision des Alkoholsteuergesetzes von 1994. In der Gesetzesänderung wurde u.a. die notwendige Produktionsquote von Brauereien herabgesetzt, welches die Gründung von Kleinbrauereien begünstigte und für einen regelrechten Craft Beer-Boom sorgte. Mit dem Ziel, die jeweiligen Regionen und Ortschaften zu revitalisieren, wurden zu dieser Zeit in ganz Japan ähnliche Bierbrau-Projekte aufgenommen.
„Vorkenntnisse über das Brauen hatte kaum jemand“, stellt Niwa fest. „Ich besuchte über drei Monate einen erfolgreichen Microbrew-Workshop und erlernte im anschließenden Monat von extra eingeladenen englischen Braumeistern die richtigen Produktionsweisen verschiedener Biersorten. Nach insgesamt vier Monaten hatte ich dann den Herstellungsprozess verinnerlicht und ich fing an, mein eigenes Bier zu brauen. So stellte ich nun, während meiner damaligen Arbeit beim Steinhändler, ein Bier mit dem Namen Hakusekikan bīru her – das „Steinmuseumsbier“.
Zusätzlich zum Malz und Hopfen kann man beim Brauen von Craft Beer auch Zutaten wie Früchte oder Gewürze verwenden. Neben der Beigabe gerösteten Malzes können auch verschiedene Hefen zur Fermentation oder gänzlich andere Herstellungsprozesse angewandt werden, um markante Biere herzustellen. „Man kann seine ganz eigene Herangehensweise kreieren. Das macht es schon sehr interessant. Die Möglichkeiten erscheinen grenzenlos“, erzählt Niwa, während Geschäftsführer Mark Major zustimmend nickt.
Besitzer und Brauer mit derselben Vision
In der Outsider Brewery werden jährlich 120 Chargen Bier hergestellt, welche insgesamt 60.000 Liter ausmachen. „Das ergibt alle drei Tage ein neues Bier“, berichtet Niwa lachend. „Ich möchte bis zu den Grenzen des Machbaren gehen.“ Das frisch gebraute Bier kann im anliegenden Brauereipub „Hops & Herbs“ verkostet werden.
Regulär beinhaltet das Biersortiment des Pubs sechs Sorten, darunter gewöhnlich ein Lager, ein fruchtiges Bier, eines mit bittersüßem Hopfengeschmack, eines mit festem Schaum und Körper und schließlich ein Starkbier. Damit soll das Geschäft fast doppelt so viel Auswahl anbieten als vergleichbare Craft Beer-Schänken. „Pilsner, India Pale Ale und Stout sind die drei gängigen Sorten von Craft Beer-Bars. Aber allein von der Seite der Gäste betrachtet, reicht eine solch begrenzte Auswahl nicht aus. Daher haben wir uns für ein größeres Stammsortiment aus sechs verschiedenen Bieren entschieden. Hinzu kommen dann jeden Monat zwei neue, frisch gebraute Sorten.“
Der Weg zur Exzellenz: Herstellen was andere noch nicht hergestellt haben
„Es dauert zehn Jahre bis man ein Rezept für Bier einfach so herunterschreiben kann. Der Prozess ist weitaus anstrengender, als dass er Spaß macht, aber am Ende ereilt einen ein unvergleichliches Gefühl der Erfüllung“, befindet Niwa kurz. „Ein Craft Beer ist frühestens nach einem Jahr fertiggestellt. Ich sehe dem Ende eines Brauprozesses immer mit Freude entgegen.“
Outsider Brewing stellt bereits seit drei Jahren das beste Microbrew Japans her. Fragt man Niwa, woher dieser andauernde Erfolgt stammt, antwortet dieser nur gelassen: „Liegt es vielleicht daran, dass wir Biere herstellen, die sonst niemand macht?“ Zu den Meisterleistungen Niwas gehört zum Beispiel auch Outsider Brewings zweifach preisgekrönter Pitbull Barley Wine, ein sehr starkes Ale, welches mit seinem 15-prozentigem Alkoholanteil eher an Wein als an Bier erinnert. „Ein solch hochprozentiges Bier herzustellen ist mitunter schwierig. Daher wagen sich nicht viele Brauereien an die Materie. Ich glaube, eben weil wir eine der wenigen sind, die es versuchen, kommt uns so viel Aufmerksamkeit zuteil“, stellt Niwa nachdenklich fest. „Hinzu kommt der Umstand, dass unser Pitbull Barley Wine eine Reifezeit von einem Jahr hat. Die Herstellung eines solchen Bieres benötigt daher viel Zeit und Geschick. Außerdem möchte ich mich als nächstes auch an Bier mit einer zweijährigen Reifephase versuchen.” „Wir sind eben Menschen, die gerne neue Sachen ausprobieren“, fügt Mark hinzu. Geschäftsführer und Brauer sind sich so einer Meinung: Es liegt eine gewisse Anziehungskraft und Freude darin, originelle Dinge herzustellen – vor allem jene, an die sich sonst bisher niemand gewagt hat. Auf jeden Fall sind die dreimaligen Bier-Champions auf konstanten Fortschritt aus. Dies ist wohl einer der Gründe, warum es ihrer Konkurrenz schwerfällt, Schritt zu halten.
Kobayashi Momoko, Angestelle der Outsider Brewery, erzählt über Niwa: „Er ist ein Mensch, der ständig über Bier sinniert und auf diese Weise auch uns zum Nachdenken anregt.“ Entspricht ein Bier von Frau Kobayashi zum Beispiel nicht den im Voraus festgesetzten Vorstellungen, untersucht Niwa den gesamten Brauprozess von Anfang bis Ende aufs Genaueste, um die Ursache der Abweichung zu entschlüsseln. Er stellt eine Hypothese auf, adjustiert ein paar Abläufe und nach dem zweiten Brauvorgang ist das Bier schließlich genau so, wie sie es sich in der vorangegangenen Konzeption ausgemalt hatten.
„Craft Beer hat so viele verschiedene Geschmäcker, das genieße ich besonders“, summiert Geschäftsführer und Bierliebhaber Mark. „Auch Leute, welchen ein normales Bier zu bitter ist, kommen hier sicher auf den Geschmack von Craft-Bier. In Kōfu City hat sich unter den Einheimischen zwar noch keine richtige Gewohnheit zum Craft Beer-Trinken herausgebildet, aber ich hoffe, dass die Menschen von unserem einzigartigen Bieren erfahren und diese ihnen in Erinnerung bleiben.“
Dieser Artikel wurde in der Augustausgabe 2018 des Magazins ParuPi herausgegeben und für die Veröffentlichung auf JAPANDIGEST von Nils Gärtner übersetzt und nachbearbeitet.
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