Die benachbarten Nationen Ostania und Westalis trennt ein eiserner Vorhang. Die Beziehungen erscheinen friedlich, doch in Wahrheit scheint ein Krieg nur einen Vorfall entfernt zu sein. Der Spion Loid Forger, Codename “Twilight”, aus Westalis infiltriert Ostania und hat eine Mission: Er muss den Frieden zwischen den Ländern bewahren. Dafür muss er sich eine falsche Familie besorgen und “sein” Kind in eine Eliteschule einschleusen. Er adoptiert kurzerhand die kleine Anya, doch ahnt er nicht, dass sie Gedanken lesen kann. Um den Schein perfekt zu machen, heiratet Loid die über seine Machenschaften ahnungslose Yor, die sich eigene Vorteile durch die Scheinehe erhofft. Was Loid nicht weiß: Yor ist eine Auftragskillerin…
Spy x Family ist eine actionreiche Kömodie, bei der alle Protagonisten Geheimnisse voreinander bewahren müssen. Dabei entstehen urkomische Situationen, während sich die Bindungen zwischen ihnen immer weiter vertiefen, bis die Grenzen zwischen Zweckgemeinschaft und echter Zuneigung zu verschwimmen scheinen.
Das Werk des Mangaka Endō Tatsuya erfreut sich seit seinem Start in Japan 2019 einer enormen Beliebtheit, seit Oktober 2020 ist es auch in Deutschland erhältlich. Wir haben mit dem Künstler über sein Werk, Familie und künstlerische Einflüsse gesprochen!
Seit wann wollten Sie Manga-Zeichner werden?
Etwa seit der Grundschule.
Angestellte arbeiten in der Regel mit festen Arbeitszeiten, doch die Arbeit eines Manga-Zeichners unterscheidet sich davon doch sehr. Erzählen Sie uns von Ihrem typischen Arbeitsalltag.
Spy x Family erscheint alle zwei Wochen. Innerhalb dieser zwei Wochen treffe ich mich zuerst mit meinem Redakteur und rede über die grobe Handlung. In den nächsten 4 Tagen zeichne ich die Rohskizze und wenn damit alles in Ordnung ist, kümmere ich mich in den folgenden 6-7 Tagen um den Entwurf. Die verbleibenden Tage verbringe ich mit anderen Aufgaben (z.B. mit der Arbeit am Taschenbuchformat des Mangas , Illustrationen oder Artikelbearbeitung).
Reden wir über Ihren Zeichenstil. Welche Mangas oder anderen Manga-Zeichner haben Sie beeinflusst? Haben bestimmte Personen für Ihre Zeichnungen Modell gestanden?
Was die Zeichner angeht, Toriyama Akira [Anm. d. Red.: Dragon Ball, Dragon Ball Z] und Togashi Yoshihiro [Hunter X Hunter]. In Sachen Design haben mich der Illustrator und Designer Murata Renji [vor allem bekannt für seine Mitwirkung an Animes wie Last Exile, Shangri-La und Mardock Scramble], sowie diverse Videospiele stark beeinflusst. Modell gestanden hat aber niemand.
Das Setting in Spy x Family ist zwar Fiktion, doch ähnelt es dem Deutschland der 1960er zur Zeit des kalten Krieges. Das sieht man vor allem an der politischen Landschaft und der harten Teilung zwischen Ost und West. Wieso haben Sie sich für diesen Rahmen entschieden?
Das Deutschland des Kalten Krieges ist zwar durchaus ein Motiv des Gesamtschauplatzes, aber als Thema nicht sonderlich relevant. Es begann eher mit dem individuellen Gedanken „Verbündete mit Geheimnissen“ und entwickelte sich dann zu „Spion“ -> „Spion = Kalter Krieg“ -> „Vorderste Front des Kalten Krieges = Ost- und Westdeutschland“.
Wie bereiten Sie sich auf die Ausarbeitung der Handlung vor? Recherchierten Sie z.B. viel über Spionage oder historische Ereignisse?
Nicht wirklich, diese Zeit hatte ich einfach nicht. Basierend auf dem geringen Wissen, das ich habe, überlege ich mir jedes Mal die Handlungsstränge.
Haben Sie die gesamte Handlung bereits vorgeplant? Oder bauen Sie Ihre Ideen stets spontan und flexibel ein?
Ich denke überhaupt nicht an die Entwicklung oder gar das Ende der Geschichte. Ich wähle und zeichne einfach die Dinge, die ich an jener bestimmten Stelle für gut befinde.
Spy x Family ist in erster Linie eine Komödie, aber auch ernste Themen wie Krieg, Terrorismus und politische Verschwörungen spielen eine wichtige Rolle. Warum haben Sie diese Mischung gewählt?
Ich habe diese Aspekte zwar nicht bewusst kombiniert, aber mich durchaus gefragt, ob die Mischung von Comedy und Ernstem Spannung bzw. Entspannung erzeugen kann und ob die jeweiligen Themen individuell hervorstechen würden. Allerdings mochte ich schon immer das Konzept eines „fröhlichen Charakters in einer dunklen Welt“.
Für seine Spionagemission braucht der Hauptcharakter Loid eine Scheinfamilie, doch die Bindungen zwischen dieser „Familie“ beginnen sich zu vertiefen. Haben Sie vielleicht persönliche Erfahrungen und Kritik an bzw. Probleme mit ihrer eigenen Familie einfließen lassen?
Persönliche Erfahrungen in Bezug auf Familie sind nicht eingeflossen. Ich denke eigentlich nur daran, wie sich zwischenmenschliche Beziehungen aufbauen und verarbeite das dann zeichnerisch.
Was bedeutet „Familie“ für Sie?
Ich bin in einer gewöhnlichen Familie aufgewachsen, daher habe ich keine besonderen Gedanken dazu. Mit anderen Worten, vielleicht war meine Familie also ein Ort, an dem ich mich bedingungslos entspannen konnte? Das Haus der Forgers zeichnet Unsicherheit und Chaos aus, doch hoffentlich wird es eines Tages zu einem Ort, an dem sich alle genauso wohl fühlen können.
Was gefällt Ihnen am meisten am Protagonisten Loid?
Dass er stets einen kühlen Kopf bewahrt und etwas pessimistisch ist.
Vor der Veröffentlichung von Spy x Family waren Sie bereits als Manga-Zeichner tätig, u.a. als Assistent anderer bekannter Künstler. Wie nutzen Sie diese Erfahrungen heute?
Ich habe in meiner Assistenzzeit nicht nur gelernt, wie man Panels ausfüllt oder Linien korrekt zeichnet, sondern auch viel über die Einstellung gegenüber dieser Arbeit oder die Rücksichtnahme auf Kollegen. Diese Erkenntnisse lasse ich in meinen eigenen Werken einfließen.
Spy x Family erscheint in Japan erst seit 2019, doch der Manga war von Anfang an ein großer Erfolg und ist mittlerweile auch in Deutschland erhältlich. Haben Sie mit so einer Popularität gerechnet?
Überhaupt nicht. Ich war damals an einem ziemlichen Tiefpunkt und dachte einfach nur: „Solange ich das zeichnen kann, wozu ich momentan in der Lage bin, ist es in Ordnung“.
Was, glauben Sie, macht den Charme von Spy x Family aus?
Anyas Niedlichkeit!
Spy x Family wird im Online-Magazin „Jump+“ veröffentlicht, also nicht in einem herkömmlichen Printmagazin. Welche Vor- und Nachteile, glauben Sie, hat dies?
Ich denke, das hat viele Vorteile. Man kann die Seitenzahl und den Veröffentlichungsstil frei bestimmen, und man erhält sofort eine Reaktion der Leser anhand von Kommentaren oder der Zahl der Seitenaufrufe. Es gibt zwar nicht viele Nachteile, aber… wenn man den Manga z.B. auf dem Smartphone liest, sind die Buchstaben kleiner und man kann auch keine Doppelseiten gleichzeitig sehen. Anders als bei Print-Zeitschriften kann man auch nicht entspannt durch alle Seiten blättern und an bestimmten Stellen hängenbleiben.
Haben Sie sich bei Handlung und Charakterdesign auch von Ihren früheren Werken beeinflussen lassen?
Ich habe aus drei meiner früheren One-Shot-Werke [Anm. d. Red.: Mangas, die kein Teil einer Serie sind und in nur einem Kapitel oder Band abgeschlossen sind] diverse Aspekte aufgegriffen und verarbeitet.
Welche Hobbys und Vorlieben haben Sie außer dem Zeichnen?
Ich schaue mir gerne Variety-TV-Shows im Fernsehen an, außerdem mag ich die Sakamichi-Gruppen [Anm. d. Red.: Franchise der japanischen Idol-Industrie, dazu gehört u.a. die Idol-Gruppe Nogizaka46] und das Videospiel Splatoon.
Waren Sie schon einmal in Deutschland? Was interessiert Sie daran am meisten?
Ich wollte schon immer nach Deutschland reisen. Ich würde gerne die vielen alten Gebäude und Burgen besuchen und einen Spaziergang durch Berlin als Inspiration für Spy x Family machen. Vielleicht entdecke ich sogar einen niedlichen Trabant! Wenn ich durch meine Arbeit die Gelegenheit bekomme, würde ich auch gerne meine deutschen Fans kennenlernen.
“Spy x Family” von Endō Tatsuya:
Sein Name ist Forger. Loid Forger. Deckname: Twilight. Der Auftrag: „Finde eine Familie als Tarnung. Infiltriere die berühmte Eden-Akademie. Verhindere den drohenden Krieg zwischen Ost und West!“ Was er nicht ahnt: Seine Adoptivtochter kann Gedanken lesen und seine frisch gebackene Ehefrau ist eine Auftragskillerin …?! Uff, diese Familie zu organisieren, ist eine andere Hausnummer als Terrorabwehr und Atombombenentschärfung!
Der Manga ist online und in einschlägigen Buchhandlungen in deutscher Sprache erhältlich. Aktuelle Kapitel können aber auch über die offizielle App des japanischen Verlages Shueisha, MANGA Plus, auf Englisch kostenlos verfolgt werden.
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