Das Wort Manga (漫画) besteht aus zwei Zeichen: zwanglos (man) und Bild (ga). Manga bedeutet also sinngemäß, nach Lust und Laune Bilder zu zeichnen. Es ist nicht ganz klar, seit wann das Wort verwendet wird, aber bereits vor etwa 200 Jahren trat es im Sinne von „Skizzen, Scribbles“ oder „humorvolle Bilder“ auf. Gegen Ende des 19. Jahrhunderts wurde der Begriff dann auch für die europäischen und amerikanischen „comics“ oder „cartoons“ übernommen. Zwar spricht man auch in Japan gelegentlich von „Comics“ aus Europa oder den USA, doch bezeichnet „Manga“ den Überbegriff des Mediums, in dem Geschichten durch die Verbindung aus Sprache und Bildern erzählt werden.
Manga: Nur für Kinder?!
Vergleicht man die Situation heute mit der vor zehn Jahren, so ist die Zahl der Manga-Leser in Deutschland gestiegen. An dem Vorurteil, dass Manga nur an Kinder gerichtet seien, hat sich jedoch nicht viel geändert. Allerdings war die Situation in Japan früher ähnlich: Vor etwa 60 Jahren noch waren Manga auch in Japan meist für Kinder ausgelegt oder traten als sozialkritische Bildergeschichten in Zeitungen auf.
Doch dann tauchte ein Genie auf, das es schaffte, Themen für Erwachsene auch für Kinder verständlich im Manga zu verpacken: Tezuka Osamu (1928-89), der „Gott des Manga“. In einer Zeit, in der Manga abschätzig betrachtet wurde, hatten seine Serien gigantischen Erfolg. Die Themenbereiche seiner Manga reichten von Technologie und Medizin über Weltanschauungen bis zu Geschichte und Literatur. Sie wurden daher auch von einer älteren Leserschaft aufgenommen, die bisher noch keinen Manga gelesen hatten. Durch dieses breite Themenspektrum erweiterte Osamu die Möglichkeiten des Mediums für die Zeichner, die nach ihm kamen.
Heutzutage stellen Manga 40% der gesamten Publikationen in Japan und bieten diverse Genres für alle Altersgruppen. Für Japaner ist es kein großer Unterschied, Inhalte in Text- oder Manga-Form zu lesen. So werden etwa Biographien historischer Persönlichkeiten als Manga auch für Erwachsene veröffentlicht. Andere schreiben keine Blog-Einträge mehr, sondern posten lieber selbstgezeichnete Manga.
Manga folgen eigenen Regeln, an die man sich beim Lesen erst gewöhnen muss. Hat man diese Hürde jedoch einmal überwunden, schafft es der Manga, den Leser in seinen Bann zu ziehen. Die Bilder machen es leicht, sich den Schauplatz der Geschichte auszumalen. Und durch das stille Mitlesen des Textes reflektiert der Leser die Handlung und „erlebt“ die Erzählung mit. Auf diese Art ergänzen sich Geschichte und Bilder im Manga gegenseitig und erzeugen eine tiefe Erfahrung.
ZUR AUTORIN: Karin Nagao. Geboren 1980 in Osaka, seit 2003 wohnhaft in Berlin. Manga-Zeichnerin und Übersetzerin Japanisch-Deutsch. Leitet Workshops zum Thema Manga und Japan.
Der Artikel von Karin Nagao erschien im JAPANDIGEST 2012. Für die Online-Ausgabe nachbearbeitet wurde er von Hannah Janz.
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