Seit dem großen Anime-Boom der 1990er-Jahre ist das Medium Anime längst nicht mehr auf einen kleinen Kreis an Menschen beschränkt, die sich besonders für Japan und dessen Kultur interessieren. Mittlerweile hat der weltweite Siegeszug der japanischen Animationsserien und -filme alle Altersklassen erreicht. Zahlreiche deutsche TV-Sender und Streaming-Services wie Netflix haben das große Potenzial des Anime längst erkannt.
Wir stellen Ihnen sieben Titel vor, die es absolut wert sind, sich von Ihnen begeistern zu lassen. Doch als Autorin gebe ich zu: Die Liste ist subjektiv, denn ich habe schließlich Titel ausgewählt, von denen ich selbst überzeugt bin. So mag der ein oder andere Eintrag wirklich nicht für jeden Geschmack etwas sein. Dennoch hoffe ich, dass Sie vielleicht eine neue Lieblingsserie hierdurch entdecken – oder stolz grinsen, wenn es Ihr Liebling bereits auf die Liste geschafft hat.
1. Puella Magi Madoka Magica (2011, 12 Folgen)
Original: 魔法少女まどか☆マギカ (Mahō Shōjo Madoka Magika) // Erhältlich auf: DVD, Bluray, Netflix
Oft auch Madoka Magica abgekürzt, gehörte die Serie zu den Anime-Sensationen des Jahres 2011. Produziert vom Studio Aniplex und mit der Musik der herausragenden Komponistin Kajiura Yuki, beginnt Madoka Magica relativ unschuldig als Vertreter des “Magical Girl”-Genres, zu dem auch in Deutschland bekannte Animes wie Sailor Moon oder Card Captor Sakura gehören.
Die Schülerinnen Madoka und Sayaka treffen eines Tages auf das magische Katzenwesen Kyubey, das ihnen einen Vertrag anbietet: Im Austausch gegen magische Kräfte und die Erfüllung eines Herzenswunsches sollen sie gegen böse Hexen kämpfen, die die Welt bedrohen. Währenddessen versucht die neue Mitschülerin Homura Madoka davon abzuhalten, Kyubey zu vertrauen, doch ihre Motive bleiben unklar. Ein weiteres “Magical Girl” namens Mami nimmt die beiden Mädchen schließlich mit auf die Hexenjagd, woraufhin die ihnen bekannte Welt völlig aus den Fugen gerät.
Mehr sei von der Handlung nicht verraten. Doch der Anime ist berüchtigt für seine schockierende Wendung im ersten Drittel, die das auf Gerechtigkeit und Freundschaft ausgelegte “Magical Girl”-Genre ad absurdum führt. Die Story ist finster und brutal, die Protagonisten tragische Heldinnen – der Anime grenzt an einen Horrorthriller, bei dem man irgendwann nicht mehr weiß, wer der wahre Feind ist. Zu Recht wurde Madoka Magica von Kritikern hochgelobt und gilt als einer der besten Animes aller Zeiten. Für Anime-Fans, die ihre Welt auf den Kopf gestellt sehen wollen, aber auch für Fans des Horrorgenres ist Puella Magi Madoka Magica ein Muss.
[Video] Trailer für “Puella Magi Madoka Magica” (deutsch)
2. Garden of Sinners (2007-09; 2013, 8 Filme)
Original: 空の境界 – the Garden of Sinners (Kara no Kyōkai – the Garden of Sinners) // Erhältlich auf: DVD, Bluray
Garden of Sinners ist eine achtteilige Filmserie, die von 2007 bis 2009 sowie 2013 erschienen ist. Produziert wurde sie vom Studio ufotable, die u.a. auch für bekannte Animes wie Demon Slayer und God Eater verantwortlich sind, während die Musik aus der Feder der bereits erwähnten Kajiura Yuki stammt. Eine Besonderheit der Filme ist, dass sie nicht in chronologischer Reihenfolge veröffentlicht wurden.
Im Japan der späten 90er spielend, handelt der Anime vom jungen Pärchen Shiki und Mikiya. Shiki erhält nach einem schweren Unfall die besondere Fähigkeit, mit ihren Augen übernatürliche Strukturen und Wesen zu erkennen. Diese nutzt sie, um Jagd auf Dämonen zu machen.
Der Anime ist sicher nichts für schwache Nerven, denn er behandelt auf teils brutale Weise harte Themen wie Vergewaltigung und Mord. Gleichzeitig werden religiöse und philosophische Themen aufgegriffen, sowie psychologische und paradoxe Aspekte des menschlichen Daseins näher beleuchtet und hinterfragt. Selbstverständlich spielen auch Magie und das Übernatürliche eine große Rolle. Die nicht chronologische Reihenfolge der Veröffentlichungen macht es eventuell schwer, die Zusammenhänge zwischen den Filmen zu verstehen, sofern man sie auch nach Veröffentlichungsjahr ansieht. Doch mit Garden of Sinners erwartet Sie ein außergewöhnlicher und schillernder Animationsstil, der herrliche Landschaften und aufregende Kampfsequenzen bietet, sowie ein fantastischer und ein in den Bann ziehender Soundtrack.
[Video] Trailer für den Anime “Garden of Sinners” (deutsch)
3. Steins;Gate (2011, 24 Folgen)
Erhältlich auf: DVD, Bluray, Netflix
2011 war ein starkes Jahr für Anime: Neben Madoka Magica erschien mit Steins;Gate eine weitere populäre Serie, die bis heute weltweit eine große Fangemeinde hat.
Im Tōkyōter Viertel Akihabara lebt und arbeitet der selbsternannte verrückte Wissenschaftler Rintarō. Eine seiner vielen seltsamen Erfindungen ist eine Mikrowelle, die angeblich Textnachrichten in die Vergangenheit schicken kann. Bei einem Symposium zum Thema Zeitreisen stößt Rintarō jedoch auf die ermordete Leiche der jungen Wissenschaftlerin Kurisu, die kurze Zeit plötzlich wieder am Leben ist. Es stellt sich heraus, dass seine Mikrowelle tatsächlich funktioniert und die Nachrichten, ohne dass Rintarō es bemerkt, den Verlauf seiner Gegenwart verändern. Die mysteriöse Organisation SERN tötet daraufhin Rintarōs Freundin Mayuri während des Versuches, seine Erfindung zu stehlen. So beginnt Rintarōs verzweifelte Reise, die Vergangenheit und die Zukunft zu verändern, um sowohl Mayuri als auch Kurisu zu retten.
Steins;Gate ist ein verrückter Sci-Fi-Thriller über die Auswirkungen von Zeitreisen, wie sie bereits in vielen Serien und Filmen behandelt wurden. Steins;Gate’s besonderer Charme ist jedoch nicht nur sein sympathischer, wenn auch eigensinniger Protagonist, sondern auch das nervenaufreibende Katz-und-Maus-Spiel, das er quasi mit sich selbst spielt, um seine Freunde zu retten. Zwar beginnt der Anime etwas träge, doch wer sich durch die expositorische erste Hälfte der Serie schlägt, den erwartet eine spannende Handlung, die sich Folge um Folge übertrifft.
[Video] Kurzer Clip aus “Steins;Gate” (deutsch)
4. Fullmetal Alchemist: Brotherhood (2009-10, 64 Folgen)
Original: 鋼の錬金術師 (Hagane no Renkinjutsushi) // Erhältlich auf: DVD, Bluray, Netflix
Fullmetal Alchemist prägte eine ganze Generation von Anime-Fans und nicht umsonst zählt es zu den erfolgreichsten und populärsten Werken seiner Zeit.
Die Handlung folgt den Brüdern Edward und Alphonse, die in einer Welt leben, in der Alchemie als Naturwissenschaft existiert. Diese folgt dem absoluten Gesetz, dass das Ergebnis einer alchemistischen Reaktion dieselbe Masse haben muss wie das Ausgangsmaterial. Vom plötzlichen Tod der Mutter erschüttert beschließen die jungen Brüder, sie durch Alchemie wieder zu beleben. Doch der Versuch schlägt fehl, denn sie missachten das Gesetz jenes “äquivalenten Tausches”. Edward verliert einen Arm und ein Bein, Alphonse seinen gesamten Körper – doch Edward schafft es in letzter Sekunde Alphonses Seele an eine alte Ritterrüstung zu binden, um sein Leben zu retten. Viele Jahre später, auf der Suche nach dem “Stein der Weisen”, der das Gesetz des äquivalenten Tausches angeblich ignorieren kann, begegnen die Brüder den Homunculi, künstlich erschaffene Menschen mit außergewöhnlichen Fähigkeiten, deren Machenschaften die ganze Welt bedrohen.
Das Remake Fullmetal Alchemist: Brotherhood ist nicht zu verwechseln mit seinem Vorgänger Fullmetal Alchemist aus dem Jahre 2003. Da die Manga-Vorlage zu diesem Zeitpunkt noch nicht abgeschlossen war, weicht die zweite Hälfte des Animes deutlich ab. Brotherhood hingegen orientiert sich eng an der Original-Handlung. Doch nicht nur die Story, sondern auch der Animationsstil unterscheiden sich grundlegend von der ersten Adaption. Technisch versierter und mit mehr Liebe zum Detail wird Brotherhood der Manga-Vorlage absolut gerecht und besticht mit interessanten Charakteren und viel Action. Fullmetal Alchemist: Brotherhood begeisterte Anime-Fans weltweit und gehört freilich zu den besten Animes der letzten Jahrzehnte. Neben diversen Filmablegern gibt es auch eine Live-Action-Verfilmung, die auf Netflix zu sehen ist.
[Video] Trailer zu “Fullmetal Alchemist: Brotherhood” (deutsch)
5. Gintama (2006-18, 367 Folgen)
Erhältlich auf: DVD, Bluray, Netflix, Crunchyroll
Gintama spielt in einem alternativen Japan zur Edo-Zeit, das eines Tages von Aliens angegriffen wird. Um die Erde zu verteidigen, stellt sich eine Armee aus Samurai den Invasoren entgegen, doch letzten Endes verlieren die Menschen den Krieg und die Aliens zwingen sie zu einer Koexistenz. Der Protagonist ist der ehemalige Samurai Sakata Gintoki, Inhaber des Geschäfts “Alles-Agentur Gin-chan”, das alle möglichen Gelegenheitsarbeiten durchführt. Unterstützung hat er dabei von den eigenwilligen Teenagern Shinpachi und Kagura.
Gintama ist vor allem eins: verdammt lustig. Der Anime erzählt pro Episode kurze, in der Regel in sich geschlossene Geschichten, die sich stets an Absurdität und Komik zu übertreffen versuchen. Er schreckt auch nicht davor zurück, alles und jeden der japanischen Anime-, Manga- und Entertainment-Welt zu parodieren (selbst Politiker bleiben nicht verschont). Wenn man den Kontext der Witze nicht versteht (vor allem für ausländische Zuschauer, aber auch für so manchen Japaner ein gewisses Problem), wird die Erfahrung durchaus getrübt – wenn man ihn versteht, ist es aber umso amüsanter. Gintama ist selbstironisch und sich seiner selbst viel zu sehr bewusst. Man merkt sofort, dass sowohl der Autor der Manga-Vorlage, Sorachi Hideaki, wie auch das Produktionsteam des Animes etwas zu viel Spaß bei der Produktion hatten.
Es dauert eine Weile, bis Gintama seine Nische findet, die ersten Folgen erscheinen recht träge. Doch die Kurzgeschichten werden regelmäßig unterbrochen von ernsteren, actionreichen Handlungsbögen und hier zeigt sich der Anime von seiner besten Seite. Die Situationskomik wird zugunsten von spannenden Kampfszenen, sympathischen Pro- und Antagonisten und oft tragischen Wendungen hinten angestellt, wie man es aus Animes des Shōnen-Genres gewohnt ist.
Gintama ist nichts für jeden, soviel sei gesagt. Als Zuschauende, besonders als deutsche, muss man sowohl den Humor als auch die Ausdauer haben, um am Ball zu bleiben. Doch wer sich darauf einlässt, wird mit einem Anime belohnt, der bis heute seinesgleichen sucht. Mein Tipp: Schauen Sie sich den Anime, wenn möglich, in der japanischen Originalvertonung an. Auch wenn die deutsche Synchronisierung eine großartige Arbeit leistet, so ist es der Verdienst der japanischen Synchronsprecher:innen, dass der Anime so amüsant ist.
[Video] Trailer zu “Gintama” (deutsch)
6. Erased (2016, 12 Folgen)
Original: 僕だけがいない街 (Boku dake ga inai machi) // Erhältlich auf: DVD, Bluray, Netflix
Satoru, ein junger Mann aus der Präfektur Chiba, ist im Besitz einer besonderen Fähigkeit, die er selbst “Revival” nennt. Diese Fähigkeit schickt ihn einige Momente in die Vergangenheit zurück, bevor ein schrecklicher Unfall geschehen wird, was ihm erlaubt, diesen zu verhindern. Eines Abends wird Satorus Mutter von einem Fremden ermordet – was ihn prompt 18 Jahre zurückwirft und er wacht als Grundschüler in seiner Heimat Hokkaidō auf. Es beginnt ein Zeitreise-Abenteuer, in dem Satoru nicht nur versucht, seine eigene Mutter, sondern auch mehrere Klassenkameraden zu retten, die damals spurlos verschwanden.
Der Anime besticht nicht mit spannenden Kampfszenen oder einem besonders ausgeklügelten Animationsstil. Dafür bekommt die Zuschauenden eine fantastisch geschriebene Handlung: Zeitreisen und Krimi-Spannung lassen wenig Raum für Extrawünsche. Die Serie spielt mit den Gefühlen und lässt Folge um Folge um mehr betteln, bis die Verfolgungsjagd auf den Mörder seiner Mutter in einem fulminanten Höhepunkt aufgelöst wird – doch wie viele Opfer muss Satoru dafür bringen?
Erased ist ein Muss für Fans des Thriller- und natürlich des Zeitreise-Genres, auch wenn das Konzept des Zeitreisens nicht so sehr im Vordergrund steht wie etwa in Steins;Gate. Es stellt sich die Frage, wie viel Einfluss man auf den Fluss der Zeit nehmen kann und sollte. Gleichzeitig werden Tabuthemen wie häusliche Gewalt und Kindesmissbrauch angerissen, die den Protagonisten und den Zuschauenden weitere tragische Konflikte aufbürden. Nichts umsonst zählt Erased für viele zu den besten Animes des letzten Jahrzehnts, der ferner auch eine Netflix-Adaption bekommen hat.
7. Death Parade (2015, 12 Folgen)
Erhältlich auf: DVD, Bluray, Netflix
Ohne sich daran zu erinnern, wie sie überhaupt dorthin gekommen sind, steigen Menschen aus einem Fahrstuhl aus und befinden sich in einer mysteriösen Bar. Dort werden sie von Decim, dem Barkeeper des “Quindecim” begrüßt und aufgefordert, ein Spiel zu spielen – ansonsten gibt es keinen Weg zurück in die Freiheit. Der Einsatz: das eigene Leben. Im Laufe des Spiels erinnern sich die Menschen an die Umstände, die sie ins Quindecim führten. Auf dem Spiel steht nicht ihr Leben, sondern ihre Seele: Die Teilnehmer sind bereits tot und befinden sich im Jenseits, wo nicht-menschliche Wesen wie Decim darüber entscheiden, ob ihre Seelen wiedergeboren werden sollen oder nicht. Das Spiel ist nur Mittel zum Zweck, um die wahre Natur der Menschen zu offenbaren und zu sehen, wer Erlösung und wer die Verbannung ins Nichts verdient.
Was zunächst wie ein morbider Horrorfilm klingt, befasst sich in Wahrheit mit den Facetten der menschlichen Seele und hinterfragt, was es eigentlich bedeutet “Mensch” zu sein. Wann verdient jemand Absolution, welche Taten verdammen einen auf ewig? Diese Fragen scheinen im Anime fast zu leicht zu beantworten sein, doch selbst für den emotionslosen und unparteilichen Decim scheinen diese Grenzen zu verschwimmen – nicht zuletzt aufgezeigt durch Decims namenlose Assistentin, die selbst noch eine offene Rechnung im Reich der Toten hat.
Jede Episode befasst sich mit dem Schicksal und den Lebensumständen von Verstorbenen, für die man mal mehr, mal weniger Sympathie empfindet. Doch keineswegs verliert man sich in Verzweiflung und Trauer: Selbst in der Endgültigkeit des Sterbens finden sich immer wieder herzerwärmende Momente, die nicht den Tod beweinen, sondern das Leben feiern. Death Parade besticht mit einer harmonischen und in düstereren Farben gehaltenen Animation, die sich unaufdringlich in die allgemeine Handlung einfügt. Die Handlung selbst regt stark zum Nachdenken an, und auch die ein oder andere Träne mag über die Wangen rollen.
[Video]: Trailer für den Anime “Death Parade” (deutsch)
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