Japanische Maskottchen werden auch yuru kyara (ゆるキャラ, „leichter Charakter“) genannt. Es handelt sich dabei um niedliche Figuren des kawaii-Stils: Kawaii bedeutet auf Japanisch „süß“ oder „liebenswert“ und hat sich als ästhetisches Konzept seit den 1970er und -80er Jahren etabliert. Die kawaii-Niedlichkeit wird dabei als Design-Element nicht nur in der Popkultur, sondern überall in den japanischen Alltag integriert. So findet man auch in Firmen und auf Behörden allerlei Darstellungen von süßen, stilisierten Figuren. Man geht davon aus, dass der Kult um Maskottchen auf der historischen Faszination für nicht-menschliche Fabelwesen (yōkai) wie beispielsweise tanuki (japanischer Marderhund) oder kitsune (Fuchs) basiert.
Viele Unternehmen nutzten den Boom des kawaii-Stils und erschufen unzählige Figuren, die die Herzen der Menschen eroberten. Unter ihnen sind die bekanntesten Hello Kitty oder Rilakkuma. Auch im Animebereich macht man sich den kawaii-Stil zunutze, wobei Pikachu und seine Freunde aus „Pokémon“ in den 90er-Jahren zu weltweiten Stars wurden.
Was es mit den Maskottchen auf sich hat
Im Jahr 2007 entstand dann der Begriff yuru kyara, der Maskottchen beschreibt, die für Werbezwecke von Präfekturen oder Städten, aber auch Firmen oder öffentlichen Events genutzt werden. Sie sind stets Figuren im kawaii-Stil und weisen ein simples, aber einprägsames Erscheinungsbild auf. Oftmals werden Motive integriert, die die lokale Kultur, Geschichte oder Produkte repräsentieren. Entworfen werden sie von der lokalen Behörde oder speziellen Agenturen und dienen der Förderung des Tourismus und der wirtschaftlichen Entwicklung. Es handelt sich hierbei durchaus um eine effektive Werbemaßnahme, da die Maskottchen jedes Jahr viele Milliarden Yen erwirtschaften. Seit 2010 wird jährlich auf dem sogenannten Yuru kyara-Grand Prix das Maskottchen des Jahres gekürt.
Bekannte yuru kyara
Auf der offiziellen Homepage des Yuru kyara-Grand Prix sind alle yuru kyara gelistet, die für das laufende Jahr nominiert wurden. Dort werden 685 yuru kyara für Präfekturen oder Orte in Japan und 294 für Unternehmen gelistet. Es gibt also mehr als 1.000 Maskottchen und es kommen immer neue hinzu, sodass schon Sorge besteht, dass manche japanischen Orte von einer Überzahl von Maskottchen überschwemmt werden und die lokale Integrität verloren gehen könnte. Wir möchten ein paar bekannte yuru kyara vorstellen.
Funassyi (ふなっしー)
Funassyi ist das Maskottchen der Stadt Funabashi in der Präfektur Chiba, eine Vorstadt von Tōkyō. Der Name ist ein Wortspiel und besteht aus dem Stadtnahmen Funabashi und nashi, das japanische Wort für „Birne“. Funassyi stellt letztere dar und repräsentiert damit ein wichtiges lokales Produkt der Stadt.
Das Maskottchen ist mittlerweile so berühmt geworden, dass es nicht nur als lokale Werbefigur seiner Stadt dient, sondern sogar zahlreiche Musikalben, DVDs und eine eigene Animeserie produziert und auch Merchandise-Läden eröffnet wurden, die ihm gewidmet sind.
Chiitan (ちぃたん)
Ein bekanntes und kurioses yuru kyara ist Chiitan, das inoffizielle Maskottchen der kleinen Hafenstadt Susaki in der Präfektur Kōchi auf Shikoku. Es stellt einen Otter dar und trägt eine Schildkröte auf dem Kopf, denn das letzte Exemplar des inzwischen ausgestorbenen Japanischen Fischotters wurde in einem Fluss bei Susaki gesichtet. Da es das offizielle Maskottchen Shinko-kun imitiert und eher aufbrausender und teilweise gewalttätiger Natur ist, gibt es zahlreiche Kontroversen, doch die Popularität von Chiitan bleibt dabei ungebrochen. Im Westen wurde das Maskottchen u.a. berühmt, als Talkmaster John Oliver sich dem verrückten Otter 2019 in einem Segment seiner Show “Last Week Tonight” widmete.
Dōmo-kun (どーもくん)
Ein Beispiel für ein yuru kyara eines Unternehmens ist Dōmo-Kun des japanischen öffentlich-rechtlichen Fernsehsenders NHK. Der Name besteht aus der Ansage dōmo konnichi wa, was „Schönen guten Tag“ bedeutet und dem Suffix –kun, was für die Anrede von jungen Männern genutzt wird.
Schon 1998 wurde das Maskottchen entworfen und in Japan kennt inzwischen jeder das braune, haarige Monsterchen.
Kumamon – Die Ikone unter den Maskottchen
Der Sieger des ersten yuru kyara- Grand Prix war Kumamon (くまモン), das Maskottchen der Stadt Kumamoto auf der Insel Kyūshū im Jahre 2010 und ist mit Abstand das bekannteste yuru kyara Japans. Kuma bedeutet „Bär“ auf Japanisch, und ist ein Wortspiel, da das Wort kuma auch im Stadtnamen vorkommt. Es wurde 2010 von der Stadt entworfen, um Touristen anzulocken, als die neue Schnellfahrstrecke des Kyūshū-Shinkansen eröffnet wurde.
In seiner Heimatstadt Kumamoto begegnet man ihm an wirklich jeder Ecke: Am Kumamon Square in einem großen Kaufhaus hat er sogar ein eigenes Büro, welches man während der Öffnungszeiten besuchen kann.
Kumamon ist mittlerweile in Japan omnipräsent. Es gibt zahlreiche Merchandise-Artikel, die in eigenen Länden vertrieben werden, er ist als Werbefigur auf allerlei Produkten, hat eine eigene Serie und es gibt sogar ein Kumamon-Lied und einen dazugehörigen Tanz. Im Jahr 2019 generierten Produkte mit Kumamon als Werbefigur einen Umsatz von 158 Milliarden Yen (1,21 Milliarden Euro). Teil des Erfolgs ist die Tatsache, dass die Figur Kumamon seitens der Präfektur Kumamoto lizenzfrei, sprich kostenlos von Unternehmen genutzt werden darf. Nach dem großen Erdbeben von Kumamoto im Jahr 2016 half Kumamon als Botschafter zahlreiche Einnahmen und Spenden für den Wiederaufbau der Stadt und der berühmten Burg zu gewinnen.
Sogar im Ausland ist Kumamon ein Star: So gibt es beispielsweise in Taiwan und Hongkong Kumamon-Themencafés und in Deutschland hat die Firma Steiff einen Kumamon-Teddybären kreiert. Und auch in Deutschland sieht man ihn inzwischen auf verschiedenen japanischen Produkten, die hierzulande verkauft werden.
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