Japan - mit dem zug von Nord nach Süd 19-Tage-Studienreise

Fujii-Fieber und Hifumin: Das Shōgi-Jahr 2017

Matthias Reich
Matthias Reich

9 mal 9 Felder. 40 Spielsteine. Und ein ganz charakteristisches Klacken beim Setzen der Spielsteine. Die japanische Variante des Schachspiels erfuhr im Jahr 2017 einen ungeahnten Aufwind dank zweier Phänomene.

Shogi

Seit wann Shōgi (将棋), wörtlich “das Spiel der Könige”, in Japan gespielt wird ist nicht ganz geklärt, aber es muss vor dem 16. Jahrhundert geschehen sein. Wie auch das Schachspiel hatte es seinen Ursprung in Indien, und genau wie beim Schach spielt der Zufall in diesem Spiel nicht die geringste Rolle.

Zwar gibt es beim Shōgi auch weiße und schwarze Figuren, allerdings sind diese nicht wirklich weiß oder schwarz, und auch die Spielfelder sind nicht schwarz und weiß, sondern gleichfarben. Das Spielfeld muss erhöht sein, da Shōgi meist sitzend auf dem Fußboden gespielt wird, und das Brett muss hohl sein, um das markante Klacken beim Setzen der Steine zu erzeugen. Die Spielsteine sehen auf den ersten Blick kompliziert aus: Die Rolle der Figur ist nämlich nur mit Schriftzeichen gekennzeichnet. Zudem haben die Spielsteine alle die selbe Form (die Größe ist jedoch etwas unterschiedlich). Wer sich mit Schriftzeichen nicht auskennt, muss zudem genau hinschauen, denn ōshō (“Königsgeneral”) und gyokushō (“Jadegeneral”) sind zum Beispiel unterschiedliche Figuren.

Shogi

Shōgi ist nach wie vor ein beliebtes Brettspiel in Japan, doch ähnlich dem Schachspiel ist es mehr bei älteren Menschen beliebt als bei jüngeren. Es gibt zahllose Shōgischulen und -clubs in Japan, sowie eine Profiliga.

Im Jahr 2017 kam zum ersten Mal seit Jahren Bewegung in die Shōgiszene. Das äußert sich unter anderem in der alljährlich erstellten Auswahl der “30 Schlagwörter des Jahres”, zusammengestellt vom Bildungskonzern U-Can: In diesem Jahr finden sich in der Liste gleich zwei Wörter, die direkt mit Shōgi zu tun haben: Fujii-Fieber und Hifumin.

Bei Fujii handelt es sich um ein Ausnahmetalent. Er begann mit 5 Jahren Shōgi zu spielen, und mit 14 Jahren erlangte er 2017 den 4. Dan (das Prinzip ist ähnlich wie beim Judo) und stieg in die Profiliga ein – im zarten Alter von 14 Jahren und zwei Monaten. Das war der früheste Einstieg in die Profiliga überhaupt. Und der Start war fulminant: Fujii gewann 29 Spiele in Folge (der vorherige Rekord lag bei 28). Als er sich dem alten Rekord näherte, verfolgte ihn die Presse mit zunehmendem Interesse, und das besagte Fujii-Fieber brach aus – begünstigt auch von der eloquenten Art des Mittelstufenschülers, mit dem Medienrummel umzugehen.

Der bisherige Träger des Titels “Jüngster Profispieler” gehörte bis dahin Hifumi Katō – ein 77-jähriger Shōgispieler mit dem 9. Dan (zurzeit gibt es keinen 10. Dan-Träger), und auf diesen traf Fujii in seinem ersten Profispiel. Damit war erneut ein Rekord gebrochen, lag doch der Altersunterschied der beiden Spieler zu dem Zeitpunkt bei 62 Jahren. Und Fujii schaffte es tatsächlich, Katō zu schlagen – in 110 Zügen.

Besagter Katō war bereits vorher außerhalb der Shōgi-Szene bekannt, doch richtig berühmt wurde er 2017, nach seiner Begegnung mit Fujii – unter dem Namen Hifumin (eine Verniedlichung seines Vornamens Hifumi (一二三) ; die Zeichen stehen für 1-2-3!) Hifumi ist ein echtes Unikat – ein rundlicher, älterer Mann mit nur ein oder zwei Zähnen im Mund und einem ansteckenden Lächeln. Müsste man ihn mit einem Wort beschreiben, so ist “drollig” der einzig passende Begriff. So richtig bekannt wurde er mit seinem Lied “Hifumin-ai“, in dem es natürlich um Shōgi geht. Singen zählt zwar rein gar nicht zu seinen Stärken, aber das war in diesem Fall egal.

Shogi

Obwohl das Spiel dem Schachspiel ähnelt, ist es aufgrund der Regeln ein bisschen komplizierter – unter IT-Experten gilt es als komplexeste Variante des Schachspiels. So dauerte es bis 2010, bis zum ersten Mal ein Computer einen professionellen Spieler schlug. Ein weiterer Meilenstein wurde im Jahr 2016 gesetzt, als die Software “Ponanza” einen 8. Dan-Spieler schlug. Die Auseinandersetzung dauerte über 7 Stunden und brachte den Spieler sowie den (bei Profispielen immer anwesenden) Schiedsrichter an ihre Grenzen. Ponanza bleibt bis heute das Maß aller Dinge beim Computer-Shōgi, und dank Hifumin, Fujii und Ponanza hat das Spiel so viele Freunde in Japan wie schon lange nicht mehr.

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