Japan - mit dem zug von Nord nach Süd 19-Tage-Studienreise

Phänomen VTuber: Anime-Mädchen als YouTube-Stars

Emma Miesler
Emma Miesler

Berühmt werden, ohne jemals die eigene Identität Preis zu geben und das hinter der Maske eines niedlichen Anime-Mädchens? Ein Onlinetrend aus Japan macht das möglich: VTubing.

VTuber Software
Mit der entsprechenden Software können sich Internet-User selbst eine "VTuber-Identität" erstellen.

Wer an japanische Popkultur denkt, dem fallen sicher zunächst Anime und Manga, mit ihrer doch sehr Japan-typischen Ästhetik, vielleicht auch noch japanische Popmusik, (kurz J-Pop bezeichnet) ein. Doch es gibt einen neuen Trend, der innerhalb von ein paar Jahren auch langsam den Westen erobert hat: VTubing, die Produktion von Onlinestreams und Videos als Anime-Charakter.

Doch von vorne: Der Begriff VTuber steht für „Virtual YouTuber“, also für eine Person, die mit einem virtuellen Charakter, meist in einem Anime-Stil gezeichnet, Content für YouTube oder ähnliche videobasierte Plattformen produziert. Die Anime-Figuren, die dabei benutzt werden, reagieren durch eine besondere Facetracking-Software auf die Bewegungen, die die Person vor der Kamera macht und spiegeln diese: Wenn der echte Mensch blinzelt, dann blinzelt der Avatar auf dem Bildschirm auch, schüttelt dieser seinen Kopf, dann weil die Kamera registriert hat, dass sich der Mensch auch bewegt hat.

Hinter der Anime-Maske

Auf diese Art können Content Creator mit ihren Fans sprechen oder zusammen Videospiele auf Streaming-Plattformen wie Twitch spielen, ohne dabei ihr Gesicht zu zeigen – völlige Anonymität für die Online-Persönlichkeiten, aber ein vertrautes Gesicht (auch wenn es im Anime-Stil ist) für die Zuschauenden, das sie mit der Stimme verbinden können.

Zunächst mag das vielleicht etwas befremdlich klingen: Das Konzept des Live-Streaming und die Unterhaltung mit Fans, etwa während des Spielens von Videospielen, ist per se für viele noch ein recht neues Konzept und wenn dann nicht mal eine echte Person ihr Gesicht in die Kamera hält, sondern ein Anime-Mädchen – wer würde sich das anschauen? Während das allgemeine Interesse an Streamer:innen in den letzten Jahren immer weiter zugenommen hat, hat sich die VTuber-Szene ebenfalls zu einem Millionengeschäft entwickelt. Immer mehr Content Creator versuchen sich als VTuber und haben damit auch Erfolg. Denn genauso, wie es auch Fans von Animes und Cartoons statt Serien mit echten Menschen gibt, finden sich auch viele, die von der Ästhetik der VTuber begeistert sind.

Vom Nischenentertainment zum Mainstream

Während die wirkliche Erfolgswelle erst in den letzten Jahren über das Internet gerollt ist, gibt es das Konzept aber bereits seit 2011: Die Japanerin Ami Yamato postete auf ihrem YouTube-Kanal Videos von ihrem Alltag in London, in denen sie auf vorher produzierte Videos ihren 3D-animierten Charakter schnitt. Einen richtigen Durchbruch hatte die VTuber-Welt aber im Jahr 2016 mit Kizuna Ai, dem ersten sehr erfolgreichen Content Creator, der ein 3D-Model benutzte, um Videos zu erstellen – diese folgten aber einem festen Skript und wurden von einem professionellen Animationsteam vorproduziert.

[Video: Ami Yamato / YouTube]

Der erste Content, bei dem die Gesichtstracking-Technologie eine wichtige Rolle spielte, wurde von der japanischen Firma Hololive auf den Markt gebracht: Mit ihrer gleichnamigen App war es Nutzer:innen möglich, Videos aufzunehmen, wo ein Charakter im Anime-Stil auf die Gesichtsausdrücke der Menschen hinter der Kamera reagiert und diese nachahmt. Und kurz darauf debütierten die ersten professionelleren Streamer:innen unter der nun als VTuber-Agentur fungierenden Produktionsfirma Hololive, zunächst nur auf Japanisch, später dann auch auf Englisch.

Durchbruch der VTuber im Westen

Im Zuge der Corona-Pandemie blieben die Menschen zuhause, die Bildschirmzeiten schossen in die Höhe und die VTuber-Community wuchs rasant: Wie die Pilze schossen immer neue Streamer:innen aus dem Boden, die sich als VTuber versuchen wollten – und bald waren Plattformen wie Twitch, X (ehemals Twitter) und YouTube übersättigt von videospielenden Anime-Charakteren. Auch wenn seit den Lockerungen der Corona-Maßnahmen wieder weniger Zeit vor dem Computer verbracht wurde, gibt es auch jetzt immer noch VTuber, die weiter fleißig Content produzieren. Und das auch in und aus Deutschland: so zum Beispiel Jinja (Twitch: 100.000, TikTok: 482.000 Follower) oder EineLotta (Twitch: 58.000, Tiktok: 485.000 Follower). Die deutschen VTuber Takanashi Kiara (YouTube: 1,5 Mio. Follower) und Shylily (YouTube: 817.000, TikTok: 498.000 Follower) produzieren ihren Content sogar auf Englisch.

Während im Westen VTuber zwar durchaus populär, aber immer noch eine Form der Nischenunterhaltung sind, scheinen sie in Japan bereits wie Manga und Anime im „Nerd-Mainstream“ angekommen zu sein: Hier arbeiten berühmte VTuber:innen mit großen Marken wie Nissin Ramen zusammen, bringen (wie Häschen-Streamerin Usada Pekora) ihren eigenen Sake auf den Markt oder geben Konzerte vor ausverkauften Hallen. Unternehmen, wie die Streaming-Websites Netflix und Crunchyroll, aber auch Getränke-Gigant Suntory, haben ihre eigenen VTuber kreiert, welche als digitale Marken-Botschafter:innen fungieren.

[Video: “Selbstvorstellung” von Kizuna Ai / A.I.Channel / YouTube]

Etwas Fingerspitzengefühl und viel Kreativität

Aber wie funktioniert das VTubing überhaupt? Im Allgemeinen wird zwischen zwei sogenannten „Modellen“ unterschieden: 2D- und 3D-Modelle, die beide durch eine Face-Tracking-App gesteuert werden. Dafür muss man 2D- bzw. 3D-Zeichnungen allerdings zunächst aufbereiten. Während bei den 3D-Modellen die Softwares viele Arbeitsschritte übernehmen, müssen bei 2D-Zeichnungen alle Bewegungen minutiös animiert werden. Hierfür hat sich eine eigene kleine Industrie in der Online-Community von Künstler:innen entwickelt, die für viel Geld Aufträge von freischaffenden Streamer:innen annehmen und Modelle zeichnen und animieren – denn das ist ein enormer Zeitaufwand.

Wer sich im VTuber-Dasein gerne einmal ausprobieren möchte, kann dies ohne großes Vorwissen und ganz ohne Budget tun: Apps wie Reality bieten eine einfache und kostenlose Möglichkeit einen eigenen Avatar zu erstellen und mit diesem innerhalb weniger Minuten live zu gehen.

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