„Mondkrieger“ lautet die deutsche Übersetzung des Gruppennamens Tsuki no Senshi, eine Hommage an Sailor Moon. Ursprünglich war Tsuki no Senshi als Sailor Moon-Musicalgruppe konzipiert, denn zur Zeit der Gründung 1998 erlebte dieser japanische Manga und Anime einen regelrechten Hype in Deutschland. Inzwischen kürzt sich die Truppe mit TnS ab und blickt auf ein Anime-Show-Repertoire zurück, das schon längst nicht mehr auf Sailor Moon beschränkt ist.
Ihr führt jedes Jahr ein bis zwei Stücke bei Conventions auf. Woher stammen eure Ideen?
Jedes TnS-Mitglied kann eine ausgereifte Idee vorstellen und wir entscheiden uns gemeinsam, welches Stück wir vorbereiten. Dabei ist nicht nur die Geschichte wichtig, sondern vor allem, ob eine realistische und ansprechende Umsetzung auf der Bühne möglich ist. Eine Vorstellung dauert in der Regel eine Stunde. In dieser Zeit sollen sich alle Zuschauer, ob sie den Anime der Show kennen oder nicht, abgeholt fühlen. Es ist wichtig, dem Original gerecht zu werden, ohne großes Vorwissen vorauszusetzen.
Trotz der Anime-Thematik sind eure Shows kein Cosplay. Worin besteht der Unterschied?
Ein großer Unterschied sind die Kostüme: Auf der Bühne tanzen und bewegen wir uns. Funktionalität geht bei den Kostümen über Authentizität. Zwar sollen die Kostüme dem Original weitestgehen entsprechen, aber für uneingeschränkte Bewegungsfreiheit und starke visuelle Effekte auf der Bühne nehmen wir Veränderungen durchaus in Kauf.
Beim Cosplay stellt die einzelne Person das Kunstwerk dar, durch das Kostüm und das charakterhafte Posieren auf Fotos oder beim tatsächlichen Spielen der Figur in einer Gruppe. TnS will eine Geschichte erzählen, die den Zuschauer berührt. Dabei ist das Kostüm, genau wie die Bühnentechnik und die passende Story, nur einer der Aspekte. Cosplay malt ein Bild und wir kreieren eine Illusion.
Durch eure Auftritte seid ihr natürlich auf vielen Conventions unterwegs. Wie sind eure Erfahrungen?
TnS war die erste Anime-Showgruppe in Deutschland, wir sind mit der Convention- Szene mitgewachsen. Zwischenzeitlich gab es sicher zwischen 100 und 150 anderen Showgruppen. Da der Wettbewerb um die begehrten Bühnenplätze immer härter wird, überleben viele Gruppen nicht lange. Auch für uns sind Absagen immer schwer. Diese Anime-Showgruppenkultur gibt es interessanterweise nur in Deutschland.
Das liegt vermutlich an dem hohen Stellenwert, den Bühnendarstellungen hierzulande genießen. So konnte sich auch das Genre des Anime-Theaters zur Unterhaltungsform etablieren.
Generell sind Besucher auf Conventions in Deutschland stärker interessiert, diese aktiv mitzugestalten und sich nicht nur vom Rahmenprogramm berieseln zu lassen. Durch Fan-Initiativen und Wettbewerbe werden auch Cons mit kleinerem Budget und weniger Stargästen ein voller Erfolg. Die Besucher haben Lust, Teil des großen Ganzen zu werden. Insofern ist es ein ganz anderes Erlebnis, als Teil einer Gruppe auf den Conventions unterwegs zu sein und die TnS-Mitglieder schon von weitem an ihren roten Teamjacken zu erkennen.
Es ist eine andere Art, die Cons
zu entdecken.
Dieses Jahr feierte TnS das 20. Jubiläum. Was ist euer Geheimnis des langen Bestehens?
Wir führten 1999 auf der AnimagiC unser erstes Musical auf. Damals war die Convention-Szene in Deutschland noch jung und auch Cosplay steckte noch in den Kinderschuhen. Trotzdem merkten wir direkt, dass wir mit dieser neuen Unterhaltungsform das Publikum erreichen. So gewinnen wir immer wieder neue Mitglieder, die ihre Leidenschaft für Cosplay oder Anime gemeinsam mit uns weiter ausbauen.
Natürlich ist es ein sehr zeitaufwändiges Hobby, das wir ohne professionelle Betreuung betreiben. Wir trainieren jede Woche und wer bei uns anfängt, muss sich eigentlich
für zwei Jahre verpflichten. So können wir im ersten Jahr ein neues Stück proben und während des zweiten Jahres gemeinsam aufführen. Aber wir unterstützen uns gegenseitig und lernen voneinander, jeder bringt andere Kenntnisse mit. Wir stellen jedes Stück gemeinsam auf die Beine. Unsere Mühe lohnt sich, wenn wir die teils sehr emotionale Wirkung auf das Publikum sehen.
20 Jahre Cosplay in Deutschland
Mit der Convention-Szene hat sich auch Cosplay seit Ende der 1990er in Deutschland etabliert. Was mit einer Handvoll provisorisch Verkleideter begann – damals waren Cosplayer noch weitestgehend auf Faschingsläden angewiesen – hat sich inzwischen zu einem regelrechten Netzwerk ausgeweitet. Dabei zeichnet sich jedoch eine deutliche Tendenz des härteren Wettbewerbs ab: Es gilt nicht mehr „nur“ dazuzugehören und mit Gleichgesinnten ein gemeinsames Hobby auszuleben. Der Trend heutzutage ist „sehen und gesehen werden“ – je authentischer, eindrucksvoller und aufwändiger ein Cosplay ist, desto höher ist die Wahrscheinlichkeit, aus der Masse hervorzustechen. Aktuell liegt der Trend bei 3D-Druckern, mit denen die Kostüme gezaubert werden.
Dieser Text erschien in der April 2018-Ausgabe von JAPANDIGEST und wurde für die Veröffentlichung auf der Webseite nachbearbeitet.
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