Die Unterschiede könnten größer nicht sein: Gähnende Leere in den Stadien bei der Leichtathletik-WM im Wüstenland Katar, tobende Stimmung bei einem Spiel der Rugby-WM in Kamaishi, einer beim Erdbeben und Tsunami 2011 schwer verwüsteten Stadt nördlich von Sendai. Und nicht nur dort – selbst bei Spielen wie Uruguay gegen Georgien, Ländernamen, die nur die wenigsten in Japan ohne Zögern auf der Weltkarte zuordnen können, herrscht ordentlich Stimmung auf den Rängen – die Partien der Vorrunde sind fast vollständig ausverkauft: Am schlechtesten verkaufte sich Russland gegen Samoa, nicht gerade ein Klassiker, doch selbst bei der Begegnung waren 75 % der Sitze belegt. Zur Euphorie trägt natürlich bei, dass sich die japanischen Rugby-Spieler außergewöhnlich tapfer schlagen – selbst das starke Irland wurde souverän nieder-getackled.
Man kann die ganze Rugby-WM gern als Probelauf für die Olympiade im kommenden Jahr ansehen, denn es gibt zahlreiche Gemeinsamkeiten. Dazu zählt das System der freiwilligen Helfer: Für die 10.000 freien Stellen gab es fast 38.000 Bewerbungen. Die Olympischen Spiele sind eine Nummer größer: Man suchte rund 50.000 Freiwillige und bekam über 200.000 Bewerber. Japan warb vornehmlich mit seiner Gastfreundschaft, omotenashi genannt, und diese wird von den Fans und Mannschaften soweit in der Tat sehr gelobt. Man sollte dazu anmerken, dass sich beide Seiten bisher sehr viel Mühe geben. Viele Fans reisen mit einem in ihren Heimatländern verteilten Leitfaden an, in dem aufgeführt wird, was man in Japan machen darf und was nicht. Das ging sogar soweit, dass einige Rugbyspieler aus Samoa in der Öffentlichkeit ihre traditionellen Tattoos abdeckten, um keine etwaigen Assoziationen mit den Yakuza zu wecken. Im Gegenzug sehen die meisten Japaner, inklusive Ladenbesitzer und Polizei, über Kleinigkeiten hinweg. Ein Supermarktbesitzer, der von einer ganzen Horde wildgewordener irischer Fans überrannt wurde, brachte das Ganze vorbildlich-pragmatisch auf den Punkt: Sicher, es gibt auch schwarze Schafe, die zum Beispiel von den offen ausliegenden Nahrungsmitteln mal kurz naschen, ohne zu bezahlen. Aber dank der Fans hatte der Besitzer einen Rekordumsatz, der den entstandenen Schaden unbedeutend erscheinen ließ. Ein weiteres symbolisches Bild waren ausländische Rugbyfans, die einen Polizisten auf ihre Schultern nahmen und ausgelassen herumhüpften. Der Arme rief wiederholt „Stop!” in sein Megaphon – allerdings mit einem breiten Grinsen auf seinem Gesicht. Niemand schritt ein, niemand wurde verletzt. Es war nur ein bisschen laut.
Von der Dimension mal abgesehen liegt der größte Unterschied zu den Olympischen Spielen darin, dass die Rugby-WM im ganzen Land stattfindet. Dennoch kann man davon ausgehen, dass die Begeisterung der Japaner für die Spiele mindestens genau so hoch sein wird. Mit anderen Worten: Man darf zurecht ein großes Fest erwarten. Und genau da liegt das Geheimnis erfolgreicher Turniere in Japan: Japaner lieben einfach Festivitäten – seien es die eigenen, traditionellen o-matsuri oder internationale Großveranstaltungen. Die ganze Nation verfällt in einen Freudentaumel und die ausländischen Besucher haben auch etwas davon, denn bei viel Stimmung macht das ganze gleich noch mehr Spaß.
Leider erhielten aber auch viele einen Dämpfer: Bei der ersten Ticketlotterie für die Olympischen Sommerspiele gingen die meisten leer aus. Und das, obwohl viele Interessierte sich für 20 oder mehr Tickets beworben hatten. Dem soll nun jedoch Abhilfe geschaffen werden: Geplant ist eine zweite Runde, an der nur die Pechvögel der ersten Runde teilnehmen dürfen. Das Kontingent ist dadurch allerdings nicht größer geworden – es geht nur um Tickets für Sportarten, die in Japan weniger populär sind.
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