Baseball, auf Japanisch yakyū (野球 = Feld-Ball), wird in Japan sowohl auf Profi-, als auch auf Amateur-Ebene betrieben. Kaum ein anderer Sport ist im japanischen Alltag so präsent. Wie kam „America’s favorite pastime“ nach Japan und warum ist es so beliebt geworden?
Ein Amerikaner geht nach Japan und bringt mit… Baseball
Wenn man sich auf die Spuren des Baseball in Japan begibt, trifft man auf Horace Wilson, einen amerikanischen Professor, der im späten 19. Jahrhundert an der Tōkyō Kaisei Gakkō (heute die Universität Tōkyō) unterrichtete.
Damit seine Schüler nicht nur ihren Geist, sondern auch ihren Körper trainierten, brachte Wilson ihnen ein Spiel bei, das er selbst gerne gespielt hatte. Zwei Mannschaften auf einem Feld, vier Platten, die umrundet werden müssen, und ein Ball, der geschlagen, gefangen und geworfen wird – Baseball. So kam also – der Legende nach – Baseball nach Japan.
Zeitgleich zu Wilsons Förderung des akademischen Baseballs ging der Unternehmer Hiraoka Hiroshi nach Amerika, um Eisenbahntechnik zu lernen.
Bei seiner Rückkehr hatte er Equipment für Baseball dabei und brachte den Sport seinen Arbeitskollegen bei. Er unterstützte die Verbreitung von Baseball und gründete die erste japanische Baseballmannschaft, den Athleten-Club Shimbashi. Hiraoka gilt als Vater des japanischen Baseball.
Evolution zum Lieblingssport der Nation
Mit über 100 Jahren Spielgeschichte ist Baseball zwar die älteste moderne Sportart in Japan, doch die Anfänge entwickelten sich nur sehr langsam. Dies änderte sich erst 1934, als ein amerikanisches All-Star-Team, inklusive der legendären New York Yankees Babe Ruth und Lou Gehrig, Japan besuchte. In einem Freundschaftsspiel erlitt das japanische Amateur-Team eine bittere Niederlage – ein Ereignis, das nur zwei Jahre später zum Beginn einer professionellen Baseball-Liga in Japan führte.
Inzwischen gibt es zwei Profi-Ligen, die Central League und die Pacific League mit jeweils sechs Teams, organisiert unter dem Dachverband Nippon Yakyū Kikō (Nippon Professional Baseball, NPB). In der landesweiten Meisterschaft Nippon Series treten die besten Mannschaften der beiden Ligen gegeneinander an.
Vom Amateur zum Profi – Semiprofessionelles Baseball
Die meisten japanischen Schulen und Universitäten bieten Baseball-Clubs an, die sich entweder freizeitlich oder auf semiprofessioneller Basis treffen. Besonders mit Eintritt in die Oberschule werden Plätze in den Baseballmannschaften rar und heiß umkämpft. Beim zweimal im Jahr stattfindenden Turnier Kōshien wird die beste Oberschulmannschaft ermittelt. Diese Events werden nicht nur im Fernsehen übertragen, sondern meist auch von Scouts nationaler und internationaler Baseball-Mannschaften besucht. Das Turnier diente schon als Sprungbrett für die Karrieren einiger international aktiver Baseball-Spieler, wie zum Beispiel Tanaka Masahiro (New York Yankees, Stand 06/2020) oder Suzuki Ichirō (Seattle Mariners, Stand 06/2020).
Ebenfalls auf semiprofessioneller Basis wird das sogenannte industrielle Baseball gespielt. Unternehmen betreiben firmeninterne Baseball-Mannschaften, deren Mitglieder je nach Firma und Leistung Boni erhalten und kürzere Arbeitszeiten haben, um am Baseball-Training teilnehmen zu können. Selbst diese Mannschaften haben Scouts, die neue Talente aus Schulmannschaften rekrutieren. Für viele Baseball-Spieler ist dieser Weg eine sicherere Alternative, falls eine Karriere im Profi-Baseball scheitert, da man die Option hat, zur Firma zurückzukehren. Auch Stars der NPB haben sich den Weg aus der Firmen-Mannschaft in die Profi-Liga freigeschlagen. Landesweite Turniere können für Baseball-Spieler den großen Durchbruch bedeuten. Tazawa Jun’ichi, ehemaliger Pitcher bei den Boston Red Sox, wechselte 2008 direkt von der Betriebsliga in die amerikanische Profi-Liga.
Baseball im Alltag – Beliebter Zeitvertreib
In Japan ist Baseball eine populäre Freizeitaktivität. Abgesehen vom benötigten Equipment kann man Baseball unkompliziert auf freien Flächen in Parks oder auf Wiesen spielen. Gerade für Familien mit Kindern bietet Baseball eine spaßige Beschäftigung an der frischen Luft. Für solche Zwecke werden oft Schläger und Bälle aus Plastik verwendet, denn unbeaufsichtigt kann ein Baseballschläger, aber auch ein stark geworfener Ball zu Verletzungen führen.
Viele Firmen haben, auch abseits vom industriellen Baseball, eigene Mannschaften, die ihre Angestellten zum Sport motivieren, aber auch das Arbeitsklima durch verbesserte Team-Bildung positiv beeinflussen. In diesem Rahmen wird oft Softball gespielt. Dies ist eine Variante des Baseball, bei der ein etwas größerer Ball benutzt wird, der zwar nicht weicher als ein Baseball ist, wegen seiner Größe aber weniger schnell geworfen und leichter geschlagen wird. Außerdem wird der Ball nicht über die Schulter, sondern mit einem Bogen nach hinten von unten geworfen.
Viele Vergnügungszentren in Japan, in denen man Sportarten wie Bowling, Golf, Tennis, Basketball oder Tischtennis in einer entspannten Atmosphäre in der Freizeit ausüben kann, bieten ebenfalls Schlagkäfige. In diesen, von Netzen umgebenen Käfigen, „wirft“ eine Maschine dem Schläger Bälle zu, die dann nach Lust und Laune geschlagen werden können. Für Baseball-Spieler ein gutes Training, für andere Gelegenheit Dampf abzulassen.
Männer vs. Frauen
Wie in vielen Sportarten gibt es im professionellen Baseball nicht nur eine Trennung zwischen Männer- und Frauen-Mannschaften, sondern auch zwischen den Ligen. In Deutschland beispielsweise können Frauen ausschließlich in Freizeit-Mannschaften Baseball spielen, eine Bundesliga gibt es nur im Softball. Auch in Amerika und Japan ist die Meinung verbreitet, dass Baseball ein Sport für Männer und Softball ein Sport für Frauen sei.
Um dieser Meinung entgegen zu wirken, gründete Kakutani Ken’ichi, Präsident einer Lebensmittelfirma, 2008 eine Liga für professionelles Frauen-Baseball.
Die Hoffnung, durch die Olympischen Spiele einen Aufmerksamkeits-Schub zu bekommen, ging nicht auf. Zwar wurden sowohl Männer-Baseball als auch Frauen-Softball das erste Mal seit 2008 wieder in die Olympischen Spiele in Tōkyō 2020 aufgenommen, die selbe Diskusison für Frauen-Baseball fand jedoch nicht statt. Ob in Zukunft auch Frauen eine Chance im Baseball haben, liegt jetzt in den Händen der jeweiligen Baseball-Verbände.
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