Japan - mit dem zug von Nord nach Süd 19-Tage-Studienreise

Buchrezension: „Tamons Geschichte – Roman einer Reise nach Süden“ von Hase Seishū

Manuel Piwko
Manuel Piwko

Hase Seishū alias Bandō Toshihito ist vor allem als Autor von Yakuza-Romanen bekannt. Mit "Tamons Geschichte" wagt er etwas Neues und erzählt in mehreren, zusammenhängenden Kurzgeschichten, wie ein Hund das Leben vieler Menschen zum Positiven verändern kann. Doch hält das Buch, was es verspricht?

Rückansicht Schäferhund, der in die Landschaft schaut
© John Tuesday / Unsplash

Am 11. März 2011 ereignete sich das Tōhoku-Erdbeben, welches vor allem durch die zerstörerische Tsunami-Katastrophe im Gedächtnis der Menschen blieb und weltweite Aufmerksamkeit auf sich zog. Dieses Ereignis wurde bereits in vielen Filmen, Dokumentationen und auch Büchern behandelt. „Tamons Geschichte – Roman einer Reise nach Süden“ ermöglicht nun einen anderen Blickwinkel darauf: Ein halbes Jahr nach der Katastrophe nimmt sich Nakagaki Kazumasa eines herrenlosen Schäferhundmischlings namens Tamon an, den er am Rande eines Parkplatzes entdeckt hat. Kazumasa hat eine demenzkranke Mutter, um deren Pflege sich seine Schwester aufopferungsvoll kümmert.

Ein Streuner als Schutzengel auf vier Pfoten

Als Kazumasa eines Tages den Hund mit zu seiner Mutter bringt, rückt die Pflege dank seiner Anwesenheit für einen Moment in den Hintergrund und der Hund beschert der Mutter endlich wieder klare und glückliche Momente. Kazumasa nennt Tamon bald seinen mamorigami, seinen Schutzengel, da er das Leben seiner Familie innerhalb kürzester Zeit veränderte. Doch die Pflege der Mutter verschlingt nicht nur viel Zeit und Arbeit, sondern auch Geld, welches die Familie nicht hat. Daher nimmt Kazumasa einen illegalen Auftrag von seinem zwielichtigen Arbeitgeber an – Sie ahnen schon, dass das nicht gut gehen kann.

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Ein Hundeleben in Kurzgeschichten

„Tamons Geschichte – Roman einer Reise nach Süden“ erzählt die Geschichte über den namensgebenden Hund in sechs verschiedenen Kurzgeschichten. Neben Kazumasa trifft Tamon im Laufe seiner abenteuerlichen Reise mehrere Personen: Einen Dieb, ein altes Ehepaar, eine Prostituierte, einen alten Mann und einen Jungen. Alle Geschichten funktionieren eigenständig und berichten davon, wie Tamon deren Leben durch seine treue, beruhigende Art verändert. Doch jeder, der mit Tamon in Kontakt tritt, bemerkt auch, dass der Hund nur auf der Durchreise ist. Sein Blick ist immer wieder in Richtung Süden gerichtet. Langsam kommt er seinem Ziel immer näher und mit der letzten Geschichte schließt sich der Kreis und nimmt Bezug auf Ereignisse aus vorangegangenen Kurzgeschichten und rundet damit das Abenteuer ab.

Die Aufteilung in abgeschlossenen Kurzgeschichten sorgt dafür, dass der Roman nie langatmig wirkt und durchgängig interessant bleibt. Eine erzählerische Varianz wäre dennoch wünschenswert gewesen, denn die einzelnen Kurzgeschichten unterscheiden sich zu wenig in ihrer Struktur und vor allem die Enden der jeweiligen Erzählungen ähneln sich so sehr, dass es auffällt – oder man sie schon weit im Voraus erahnt. Ein hilfreicher Zusatz zum Inhalt des Buches wäre es gewesen, eine Karte mit den japanischen Standorten hinzufügen. Nicht-Japaner:innen hätten dadurch die Möglichkeit gehabt, die Reise geographisch besser einordnen zu können. Die gleiche Problematik stellt sich auch bei der zeitlichen Einordnung: Die Geschichte des Hundes Tamons erstreckt sich auf insgesamt sechs Jahre. Dies wird jedoch nicht immer klar und man fragt sich, wie viel Zeit zwischen den einzelnen Erzählungen vergangen ist.

Fazit

„Tamons Geschichte – Roman einer Reise nach Süden“ ist nicht nur etwas für Tierliebhaber:innen, sondern auch für Leser:innen, die auf der Suche nach einer kurzlebigen, emotionalen Geschichte sind. Es ist eine Geschichte über menschliche Schicksale, Verlust, Tod, aber auch das Wiedererlangen von Hoffnung. Eine lesenswerte Geschichte, der es dennoch an erzählerischer Abwechslung fehlt.

Buchcover "Tamons Geschichte"

Hase Seishū ist das Pseudonym von Bandō Toshihito, ein bekannter japanischer Schriftsteller von Yakuza-Romanen. Er überwachte als Drehbuchautor auch die Geschichte der Videospiele Yakuza 1 & 2, die ersten Teile einer weltweit bekannten Videospielreihe. „Tamons Geschichte – Roman einer Reise nach Süden“ gewann 2020 den renommierten Naoki-Literaturpreis, welcher bereits seit 1935 vergeben wird.

Originaltitel: Shōnen to inu

288 Seiten

Aus dem Japanischen von Luise Steggwentz

Erschienen am 02. Februar 2022 (Hoffmann und Campe Verlag)

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