Warum haben Sie die JINKINOKO GALLERY eröffnet?
Früher war ich im Baugewerbe tätig. In Shinkoiwa hatten wir ein Grundstück – ein Wohngebäude mit einem großen Parkplatz. Eines Tages kontaktierte mich ein Künstler aus dem Ausland, er wollte auf eine der Wände ein Bild malen. Wir stimmten zu und vier Tage lang übernachtete der Künstler vor Ort. Ohne dass wir ihn bezahlten, malte er ein 15 m großes Bild an die Wand. Street Artists reisen umher und wenn sie eine gute Wand finden, kontaktieren sie direkt den Gebäudeeigentümer. In Japan kommt es in solchen Fällen oft zu Sprachbarrieren, oder das Gebäude wird nicht vom Eigentümer, sondern von einem separaten Unternehmen verwaltet. Viele der Kunstwerke überdauern nicht. Nachdem der Künstler wieder abgereist war, erhielten wir nonstop Anfragen weiterer Interessenten und ich versuchte so gut es ging, die Wände zu vermitteln. Alle Künstler, die ich so kennenlernte, baten mich, ihnen die Galerien Tōkyōs vorzustellen. Ich gab mir sehr viel Mühe, die Künstler zu unterstützen und vereinbarte Termine mit den Galerien. Doch wir stießen nur auf Ablehnung. Einer der Galeriebesitzer sagte, er hätte noch nie Straßenkunst gesehen, die sein Herz berührt hätte. An dem Tag entschloss ich mich, meine eigene Galerie zu eröffnen.
Wie reagieren Japaner auf Ihre Galerie?
Viele sind sehr glücklich, meine Galerie besuchen zu können, denn sie lieben Street Art. Je mehr Einzelausstellungen es gibt, desto mehr Besucher kommen. Nach und nach wächst so auch das allgemeine Interesse an Urban Art. Das Bewusstsein für Straßenkunst ist noch recht gering, deshalb gebe ich mein Bestes, mehr Informationen zur Verfügung zu stellen.
Kennen viele der Galeriebesucher bereits Street Artists?
Viele Besucher haben über die sozialen Netzwerke von der Galerie erfahren und fanden sie interessant. Die meisten verfolgen schon lange die Szene und kennen sich viel besser aus als ich. Viele Aspekte der Kunst kenne ich noch nicht. Seien es Leute, die das erste Mal die Galerie besuchen, Leute, die ich lange kenne oder die Künstler, mit denen ich die Ausstellungen vorbereite – ich versuche immer, mit den Leuten zu reden und ihre Geschichten zu erfahren. Wie die Werke dann letztlich ankommen, ist den Besuchern selbst überlassen.
Wie wählen Sie Werke aus, die Sie in der Galerie ausstellen?
Ursprünglich kontaktierte ich die Künstler, die die Wände meiner damaligen Firma für ihre Kunst nutzten. Wenn ich jemanden noch nie persönlich getroffen habe, tauschen wir uns erst intensiv per Mail oder Telefon aus, bevor ich ein Angebot mache. Über den französischen Street Artist Invader konnte ich Freundschaften mit anderen Leuten aus der Szene aus Amerika, Frankreich, London und Hong Kong schließen. Auch sie bieten Straßenkünstlern Wände an und stellen mir diese vor.
Gibt es einen Moment, der sich Ihnen seit der Eröffnung der Galerie besonders eingeprägt hat?
Der mexikanische Künstler TimComix bereitete eine Solo-Ausstellung vor, er wurde von der mexikanischen Botschaft gefördert. Die Vorbereitungen liefen reibungslos ab und da wir noch etwas Zeit hatten, besuchten er und ich gemeinsam andere Künstler, um die Ausstellung anzukündigen. Er verkaufte jedes einzelne Werk und ich war so glücklich. In Magazinen und online gibt es viel Berichterstattung und ich bin jedes Mal froh, wenn ich Artikel über die Galerie oder die Künstler sehe.
Unterscheidet sich japanische Street Art von der in Europa?
Die Perspektive und das Interesse an Kunst sind sehr unterschiedlich. Überall auf der Welt besuchen Japaner Kunstmuseen, aber ich habe das Gefühl, diese werden oft einfach nur als Teil der Szenerie wahrgenommen. Tendenziell haben Japaner eher wenig Interesse an Kunst, wenn diese nicht internationalen Ruhm erlangt. Der britische Street Artist Banksy bekommt kaum Aufmerksamkeit, außer es wird über den Verkauf eines seiner Werke für mehrere Millionen Dollar berichtet. Wenn der US-amerikanische Graffiti-Künstler KAWS in Tōkyō aktiv ist, interessiert das nur, wenn ein Magazin darüber schreibt.
Urban Art ist generell eher unbekannt in Japan. Wie hat sich die Szene entwickelt?
Seit den 2000ern kommt langsam etwas Bewegung in die Szene. Vor kurzem wurde eine Mauer mit einem vermeintlichen Banksy abgetragen und während der Feiertage in der Tōkyōter Stadtverwaltung ausgestellt. Auch in Japan steigt der Nachrichtenwert von Berichten über Banksy, das sollte die Aufmerksamkeit erhöhen. Aber noch ist Street Art eine Nischenkunst.
Was für Menschen sind Urban Artists in Japan? Betreiben sie die Kunst hauptberuflich?
Es gibt viele Vollzeit-Street Artists in Japan. Jeden Tag suchen sie nach passenden Wänden und Ausstellungsmöglichkeiten. Das Künstlerehepaar HITOTZUKI ist repräsentativ für die Szene in Japan. Auch die schwarz-weißen Werke von LY tauchen mehr und mehr auf. Der japanische Künstler AITO KITAZAKI ist auf der ganzen Welt aktiv. RoamCouch arbeitet mit Schablonen und trägt seine Werke in über 50 Schichten auf.
Urban Art findet im öffentlichen Raum statt. Welche Probleme und Hindernisse gibt es?
Seit ich die Galerie eröffnet habe, bin ich immer auf der Suche nach neuen Wänden. Bisher konnte ich zwei Mal zwischen Künstlern und Hausbesitzern vermitteln und das Werk blieb zunächst erhalten. In beiden Fällen kam es jedoch zu Beschwerden der Anwohner und nach etwa einem Monat musste die Kunst weichen. Man befürchtet, dass die Werke mehr unerwünschtes Graffiti anziehen könnten. Es gibt aber auch Erfolge, deshalb werde ich mich weiter dafür einsetzen, legale Straßenkunst zu fördern.
Haben Sie Pläne für die Zukunft?
Urbane Kunst hat die Möglichkeit, eintönige japanische Städte zu lebhaften Räumen zu transformieren. Bilder, die die geschlossenen Läden und Wände leer gewordener Einkaufsstraßen bedecken, bringen wieder Leben in die Viertel. Ich werde weiterhin internationale Künstler ausstellen. Ich möchte außerdem eine Galerie in Hong Kong eröffnen, als Stützpunkt für japanische Künstler.
JINKINOKO GALLERY: Galerie für Urban Art
Die Galerie wurde im Oktober 2018 in Tōkyō eröffnet. Sie widmet sich der japanischen und internationalen Straßenkunst.
22-1 Sarugakuchō, Shibuya, Tōkyō
www.jinkinokogallery.com
Dieser Artikel wurde für die Juli-Ausgabe des JAPANDIGEST 2019 von Kei Okishima verfasst und für die Veröffentlichung auf der Website nachbearbeitet.
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