Über insgesamt sieben Präfekturen mit zahlreichen kleineren und größeren Inseln erstreckt sich die Setouchi-Region im Südwesten Japans. Alle drei Jahre wird hier im Rahmen der Setouchi Triennale Kunst und Kultur groß in Szene gesetzt, und zwar an insgesamt 14 Standorten, zu denen neben 12 Inseln die Küstenstädte Takamatsu und Tamano zählen.
Am bekanntesten ist wohl die Kunstinsel Naoshima in der Präfektur Kagawa, die Reisende gleich am Fährhafen mit dem berühmten Kürbis der Künstlerin Kusama Yayoi begrüßt. Er ist das Wahrzeichen der Benesse Art Site, zu der auch Naoshimas Nachbarinseln Inujima und Teshima gehören. Die drei Inseln werden auch als Benesse-Inseln bezeichnet und sind zwar in das Kunstfestival eingebunden. Doch sind sie längst nicht alles, was das Festival zu bieten hat.
Facetten einer Region
Die Veranstaltungsorte der Triennale, einschließlich des Setonaikai-Nationalparks, Japans erstem Nationalpark, wurden während des Wirtschaftsaufschwungs der 1960er Jahre zum Zentrum der Industrialisierung. Rund ein Drittel aller neugebauten Fabriken befanden sich dort. Aufgrund mangelnder Kontrollen entstanden dort in den 1970er und -80er Jahren illegale Mülldeponien. Auf der Insel Teshima häuften sich über 700.000 Tonnen Industriemüll an, der erst 2019 vollständig abtransportiert wurde – dies gilt als einer der größten Umweltskandale der japanischen Geschichte.
Die Triennale wurde 2010 ins Leben gerufen, u. a. mit dem Ziel, die angeschlagene Region wiederzubeleben, die nicht nur mit den Folgen der Umweltzerstörung zu kämpfen hat, sondern auch mit Überalterung und Abwanderung der Einheimischen. Der Fokus liegt auf Gegenwartskunst und umfasst ein sehr breites Spektrum von Bildender und Darstellender Kunst, über Architektur, bis hin zu lokalem Kunsthandwerk und Kulinarik. Bei den einzelnen Kunstprojekten wird Wert darauf gelegt, die individuelle Kultur der lokalen Gemeinden und die Umweltbedingungen vor Ort thematisch einzubinden. Das Event dauert jeweils acht Monate und ist in drei Phasen (Frühling, Sommer und Herbst) eingeteilt.
Highlights der Triennale 2022
Die fünfte Triennale fand 2022 von April bis November, mit 184 teilnehmenden Künstler:innen aus 33 verschiedenen Ländern und Regionen, statt. Wichtig für den Erfolg war auch das Engagement vor Ort, wie z. B. im Artists’ Village, einem ehemaligen Schulhaus auf Awashima, das seit 2013 Teil der Triennale ist. In dem Gebäude waren Mori Nana und Satō Yū als „Artists in Residence“ tätig, die auf interaktive Kunst setzten, die Einheimische und Gäste dazu anregte, kreativ zu werden.
Shōdoshima, die zweitgrößte Insel im Seto-Binnenmeer (auch als Oliveninsel bekannt), gilt als einer der Hauptschauplätze der Triennale. Eines der dortigen Highlights war die beeindruckende Skulptur „DAIDARAURUTORABOU“, die aus regionalen Materialien wie auf den Setouchi-Inseln gesammelten Wurzeln und Steinen aus der Kleinstadt Kamiura gefertigt wurde.
Am Strand von Teshima wiederum schuf das australische Künstlerduo aus Heather B. Swann und Nonda Katsalidis ihren ikonischen „Place for sea dreamers“.
Auf der kleinen Insel Megijima nahe Takamatsu gibt es eine Höhle, in der angeblich die oni (Dämonen) aus dem Märchen Momotarō hausten. Mit seiner Installation „Navigation Room“, die an Seekarten erinnern soll, die sich wie ein Netz über ein imaginäres Meer spannen, schuf der französische Künstler Nicolas Darrot eine symbolische Meeresroute zwischen Japan und Europa. In Anlehnung an Homers Odyssee und die oni in Momotarō platzierte er bunte, einäugige Wesen zwischen den Stäben und verknüpfte auf diese Weise auch die japanische und europäische Mythologie miteinander.
Dieser Artikel erschien in gekürzter Fassung in der JAPANDIGEST Mai 2024-Printausgabe und wurde für die Veröffentlichung auf der Website nachbearbeitet.
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