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Filmkritik: „PERFECT DAYS“ von Wim Wenders

Manuel Piwko
Manuel Piwko

Der deutsche Regisseur Wim Wenders präsentiert mit „PERFECT DAYS“ eine berührende Liebeserklärung an Tōkyō, die von Japan für den Auslands-Oscar vorgeschlagen wurde. Ob zu Recht, verraten wir in unserer Filmkritik.

© 2023 MASTER MIND Ltd

Hirayama führt in Tōkyō ein zurückgezogenes und einfaches Leben. Er verdient seinen Lebensunterhalt als Toilettenreiniger. Obwohl manche diese Arbeit als minderwertig bezeichnen würden, gibt sie ihm Sicherheit und vor allem eine tägliche Routine, die er zu schätzen weiß. Hirayama hat einen ruhigen Charakter, der teilweise introvertiert wirken mag. Doch die Simplizität seines Alltags veranlasst ihn immer wieder, dankbar zu sein und vor sich hin zu lächeln. Fast schon dokumentarisch lernen die Zuschauenden einen Mann kennen, der die Einzigartigkeit eines Moments wertzuschätzen weiß, ohne diese Dankbarkeit jemals auszusprechen. Im Laufe des Films wird deutlich, warum sich Hirayama für ein einsames Leben entschieden hat, und was passiert, als die Vergangenheit ihn plötzlich einholt.

Vom stillen Örtchen zum Kunstwerk

Anfang 2022 erhielt der deutsche Regisseur des Films, Wim Wenders, eine Einladung nach Tōkyō, um sich ein soziales Projekt anzusehen. Das Projekt „The Tokyo Toilet“ umfasst 17 öffentliche Toiletten in Shibuya, die von 16 Architekten aus der ganzen Welt entworfen wurden. Die Einladung enthielt mehrere Bilder, die die genannten Toiletten zeigten und Wenders sehr beeindruckten. Im Vergleich zu öffentlichen Toiletten in Deutschland erschienen ihm diese wie künstlerische und architektonische Meisterwerke, ein Zeichen für den höheren Stellenwert der Toiletten in Japan im Vergleich zum Westen.

Eine der Toiletten des "The Tokyo Toilet"-Projekts im Yoyogi Fukamachi Mini Park © 2023 MASTER MIND Ltd

Die Einladung aus Tōkyō war mit der Hoffnung verbunden, Wenders möge sich von den Toiletten zu einem Werk inspirieren lassen. Er erhielt volle Unterstützung und freie Hand – sei es für ein Buch oder eine Kurzfilmreihe. Wenig später reiste er in die Hauptstadt, um sich vor Ort einen Eindruck zu verschaffen. Die Toiletten brachten ihn auf die Idee, vier dokumentarische Kurzfilme zu drehen. Er bemerkte jedoch schnell, dass er die Toiletten mit Hilfe eines fiktionalen Rahmens in den Mittelpunkt stellen wollte – und die Zeit, die für den Dreh angedacht war, würde reichen, einen Film in Spielfilmlänge zu machen. Seine Idee fand Anklang und nach Monaten der Vorbereitungen drehte er in nur 16 Tagen  „PERFECT DAYS“.

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Ein Symbol der Wertschätzung

Im Film verpackt Wim Wenders das Projekt „The Tokyo Toilet“ in die Geschichte des Protagonisten Hirayama. Dessen Minimalismus könnte den Eindruck erwecken, dass er nur wenig Geld zur Verfügung hat. Doch dieser reduzierte Lebensstil ist selbst gewählt: Er hört gerne Musik auf Kassette, widmet sich in seiner Freizeit der analogen Fotografie oder geht in den Buchladen. Ein Mann, der jeden Tag mit einem Lächeln begrüßt. Es ist ein Leben jenseits der Digitalisierung und steht auch deshalb in einem starken Kontrast zum allgemein vorherrschenden Konsumrausch.

© 2023 MASTER MIND Ltd

Ein Beispiel für diesen Gegensatz ist Hirayamas junger Kollege Takashi. Im Gegensatz zu Hirayama kann er die Stille kaum ertragen, bricht sie immer wieder und wirkt unkonzentriert. Hirayamas Wertschätzung des einfachen Lebens ist keine Kritik am Konsumverhalten, sondern erinnert daran, dass es nicht viel braucht, um glücklich zu sein oder Emotionen zu vermitteln. In der zweiten Hälfte des Films erhält man einen Einblick in Hirayamas Vergangenheit und mit behutsamer Sorgfalt gelingt es dem Regisseur, durch vereinzelte, emotionale Höhepunkte der Hauptfigur weitere Facetten hinzuzufügen und sein Verhalten zu erklären. Die Dramaturgie bleibt auf das Wesentliche reduziert, kommt ohne überschwängliche Melodramatik aus und alles ist perfekt inszeniert.

Fazit

Die lebensbejahende Geschichte rund um einen japanischen Toilettenreiniger zaubert einem immer wieder ein Lächeln auf die Lippen, ist voller Hoffnung und in vielerlei Hinsicht bewegend. Regisseur Wim Wenders ist es gelungen, die Bilder für sich sprechen zu lassen. In den wortlosen Momenten entfaltet „PERFECT DAYS“ seine größte Wirkung und erzählt eine scheinbar einfache, entschleunigte Geschichte, die dennoch zu fesseln vermag und zum Nachdenken anregt.

PERFECT DAYS

Kinostart: 21. Dezember 2023

Laufzeit: 123 Minuten

Originalsprache (Japanisch) mit dt. UT; Synchronisierte deutsche Fassung

Regie: Wim Wenders
Drehbuch: Wim Wenders, Takuma Takayuki 
Besetzung: Yakusho Kōji, Emoto Tokio, Nakano Arisa

Perfect Days Filmposter mit der Hauptfigur Hirayama lesend in seinem Zimmer und Bäumen, die mit dem Hintergrund verschwimmen
© 2023 MASTER MIND Ltd

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