Auf Japanisch heißt der Film von Regisseurin Kawase Naomi “An”. An bezeichnet eine Paste aus süßen roten Bohnen, die in verschiedenen japanischen Süßspeisen verwendet wird – so auch in Dorayaki, kleinen Pfannkuchen, zwischen die die Paste gegeben wird.
Hauptcharakter Sentarō (Nagase Masatoshi) betreibt einen kleinen Laden für solche Dorayaki-Pfannkuchen – mehr schlecht als recht, da er keinen großen Elan an den Tag legt. Sentarōs treuste Kundin ist die Schülerin Wakana (Uchida Kyara), die kaum Freundinnen hat.
Eines Tages bewirbt sich die etwas wunderliche, aber lebensfrohe Seniorin Tokue (Kiki Kirin) als Aushilfe. Sentarō weist die alte Frau mehrfach ab, bis sie ihm eine Kostprobe ihrer Bohnenpaste bringt. Sentarō ist davon so begeistert, dass er Tokue doch einstellt. Tokues Bohnenpaste beschert dem kleinen Dorayaki-Laden einen Kundenansturm.
Der Erfolg ist aber nur von kurzer Dauer: Tokue ist anzusehen, dass sie an Lepra erkrankt war. Die Besitzerin des Dorayaki-Ladens, den Sentarō nur führt, weil sie seine Schulden für ihn übernahm, zwingt ihn, die alte Frau wieder zu entlassen. Sentarō gerät in eine Sinnkrise – aus der Tokue und Wakana ihm zu helfen versuchen.
Persönliche Bildsprache und Charakterstudien
Der Film An – Kirschblüten und Rote Bohnen zeigt einfühlsam und in vielen Detailaufnahmen, wie die Zubereitung des Gebäcks und vor allem der Bohnenpaste den Mann und die alte Dame zusammenbringt. Fünfzig Jahren enthusiastischer Erfahrung mit der An-Paste kann sich auch Sentarō trotz seiner depressiven Lebenseinstellung nicht entziehen.
Gesellschaftlicher Hintergrund: Lepra in Japan
Die Krankheit Lepra oder Morbus Hansen war jahrzehntelang ein Tabu in Japan – und für die Betroffenen ein endgültiges Urteil, das in die Verbannung führte.
Grundlage für den gesellschaftlichen Ausschluss war ein Gesetz von 1931 zur Prävention von Lepra. Die Erkrankten wurden in Lepra-Dörfern untergebracht, die streng von der Außenwelt abgeschottet waren. Viele sahen ihre Familien und Freunde nie wieder. Erkrankte Schwangere wurden zur Abtreibung gezwungen, auch Zwangssterilisationen der Lepra-Kranken waren üblich.
Nachdem der Lepra-Erreger, das Bakterium Mycobacterium leprae, entdeckt wurde, gab es ab den 1950ern zwar medizinische Möglichkeiten zur Behandlung und Heilung. Die Ausgrenzung in Japan ging jedoch weiter. Erst 1996 wurde das Gesetz abgeschafft. Bis dahin
Auch heute gibt es in Japan noch über 2000 Lepra-Patienten in den Sanatorien – die meisten von ihnen sind mittlerweile über 80 Jahre alt. Auch wenn das Gesetz zur Prävention von Lepra im Jahr 2001 von einem Gericht in Kumamoto als verfassungswidrig anerkannt wurde, gestalten sich die Wiedergutmachungsbemühungen seitens des Staates bis heute schwierig.
Video: Trailer zur auf Deutsch synchronisierten Version, die ab Ende 2015 auch in deutschen Kinos lief.
An – Kirschblüten und Rote Bohnen bereitet sich langsam darauf vor, die Versehrten zu zeigen. Erst im letzten Drittel des Filmes wird auf die Geschichte von Tokue als Lepra-Kranke eingegangen. Im Zusammenspiel mit ihrer zuvor filmisch im Detail eingefangenen heiteren, erfahrenen Zubereitung der Bohnenpaste verweist dieser Filmabschnitt darauf, welches Wissen und welches Engagement der Gesellschaft verloren gehen, wenn ein Teil dieser ausgegrenzt wird.
An – Kischblüten und Rote Bohnen ist ein behutsames Mahnmal, das an die Ächtung der Lepra-Kranken erinnert und zu einer Auseinandersetzung mit nachwievor bestehenden Vorurteilen auffordert, ohne dabei selbst zu verurteilen.
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