„Das Japan-affine deutsche Kinopublikum ist zahlenmäßig nicht so groß, dass sich auch kleinere Produktionen für deutsche Verleiher tragen“, meint Martin Bregenzer, Leiter des Programmteams von Nippon Connection, dem größten japanischen Filmfestival der Welt, das jährlich in Frankfurt stattfindet. So würden deutsche Verleihfirmen im Wesentlichen Werke von in Japan erfolgreichen Regisseuren für den hiesigen Markt aufkaufen. Zur ersten Riege dieser Filmemacher gehören Kore-eda Hirokazu, Kawase Naomi, Sono Shion und Kurosawa Kiyoshi. Entsprechend liefen in den deutschen Kinos 2015 und 2016 Kawases “Still the Water” und “Kirschblüten und rote Bohnen” sowie Kore-edas “Unsere kleine Schwester”.
Die großen deutschen Filmfestivals erlauben einem breiteren Publikum den Blick auf weniger bekannte Neuheiten aus Japan. Im Forum der diesjährigen Berlinale wurde beispielsweise “Hee” gezeigt. Die Regisseurin Momoi Kaori verkörpert zugleich die Hauptrolle. Momoi gelingt es, in ihrer Doppelrolle ein fragiles Netz zwischen einer in prekären Verhältnissen in Los Angeles lebenden Prostituierten und ihrem ehemaligen Psychiater zu spinnen. “Hee”, im Japanischen mit dem Schriftzeichen für Feuer 火 betitelt, brennt vor Spannung.
Nach Einschätzung der Programmleitung von Nippon Connection werden die japanischen Berlinale-Filme eher nicht ins deutsche Kino kommen. Dafür lief ab Mitte März 2016 der neue Film von Doris Dörrie, “Grüße aus Fukushima”. In plakativem Schwarz-Weiß erzählt die japan-begeisterte Filmemacherin von der Begegnung zweier Frauen. Auf der Flucht vor ihren geplatzten Träumen gelangt die Deutsche Marie in Japans Nordosten. Dort trifft sie Satomi, die letzte Geisha eines von der Dreifach-Katastrophe verwüsteten Ortes, gespielt von der bereits erwähnten Momoi Kaori. Marie hilft Satomi, ihr Haus in der Sperrzone wieder bewohnbar zu machen. Dörrie widmet sich mit ihrem zweiten großen Japan-Film nach “Kirschblüten – Hanami” der Verarbeitung des Traumas des 11. März 2011. Der englische Titel “Fukushima, mon Amour” ist eine Anlehnung an die Aufarbeitung des Atombombenabwurfs 1945 auf Hiroshima, den Alan Resnais 1959 mit “Hiroshima, mon Amour” gewagt hatte.
Im Frühsommer 2016 wurde zudem “The Whispering Star” von Sono Shion in den deutschen Programmkinos gezeigt. Die Science-Fiction-Fabel erzählt von der Androidin Yoko, die in einem Retro-Raumschiff durch das Universum reist, um den wenigen verbliebenen Menschen seltsame Pakete zuzustellen.
Wer Filme gerne auf großen Leinwänden schaut, pilgerte vom 24. bis 29. Mai 2016 nach Frankfurt. Das japanische Filmfest Nippon Connection zeigte zum 16. Mal rund 100 Produktionen, darunter große Kinofilme, Dokumentationen, Zeichentrick-, aber auch Independent-Filme. Dabei waren viele Deutschland- und Europa-Premieren. 2016 wartete das Festival unter anderem mit dem neusten Blockbuster von Takeshi Kitano “Ryūzō and the seven Henchmen” auf. In der Action-Komödie wird der berentete Yakuza Ryūzō von einer jungen Gang erpresst. Er sammelt seine in die Jahre gekommenen alten Wegbegleiter und stellt sich dem Kampf. Der Film gewann schließlich auch den NIPPON CINEMA AWARD 2016.
Weitere Möglichkeiten, japanische Produktionen in Deutschland auf großer Leinwand zu sehen, bot vom 8.6. bis 12.6.2016 das Japan Filmfest Hamburg. In regelmäßigen Abständen zeigte auch das Japanische Kulturinstitut in Köln japanische Originale mit Untertiteln. Für Fans der Altmeister interessant: Das Filmmuseum in München machte bis Juni in einer Reihe das komplette Werk von Ozu Yasujirō zugänglich. Es gab 2016 viel zu entdecken für japanophile Cineasten!
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