Shintōismus wird als schamanistisch inspirierte Urreligion Japans beschrieben. Der Weg der Götter, wie Shintō (神道) übersetzt heisst, kennt dabei viele Kami (Gottheiten) und ist eng mit Japans Geschichte verwoben. Ihren Höhepunkt fand die Religion im sogenannten Staatsshintō mit dem Tennō als Gottheit. Auch nach der „Menschwerdung des Kaisers“ nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges prägen shintōistische Traditionen das Alltagsleben der Japaner.
Der Shintōismus kennt weder eine heilige Schrift noch gibt es eine jenseitsbezogene religiöse Vorstellung. Allerdings spielt die Ahnenverehrung eine große Rolle. Es können Menschen, Tiere, Gegenstände oder abstrakte Wesen Kami sein. Diese unzähligen Gottheiten werden in Schreinen (jinja) verehrt und sind meist mit Seilen (shimenawa) und weißem Zickzack-Papier (shide) gekennzeichnet. Als Bauwerke beheimaten Schreine verehrungswürdige Gegenstände (shintai), die aber niemals zur Schau gestellt werden. Meist kennzeichnen Torii-Tore den Zugang zu einem heiligen Ort.
Schreine sind dabei in Hierarchien eingeteilt. An der Spitze steht der Ise-Schrein (Ise daijingū) in der Präfektur Mie, in dem die Sonnengöttin Amaterasu verehrt wird und in dem der Spiegel, eines der drei Reichsinsignien, aufbewahrt wird. Amaterasu ist die Urahnin des Kaisers und der Tennō als ihr direkter Nachfahre das Oberhaupt des Shintō-Glaubens.
Entstehung und Entwicklung von Japans Urreligion
Der Mythos der Weltschöpfung durch das Urgötterpaar Izanagi und Izanami und deren Nachfahrin, der Sonnengöttin Amaterasu, wird in den Werken Nihon Shoki (720) und Kojiki (712) beschrieben. Die Wurzeln reichen zurück in eine Zeit, als sich einzelne Klans verbündeten und Dynastien gründeten. Sie formten einen höfischen Kult, der einerseits die Klangottheiten, andererseits aber auch Einflüsse des chinesischen Konfuzianismus und Daoismus vereinte.
Als der Buddhismus sich im 6. und 7. Jahrhundert im Land verbreitete, kam es zu einem Neben- und Miteinander beider Religionen. Mit der Öffnung des Landes im Zuge der Meiji-Restauration (meiji ishin, 1868) wurden beide Religionen getrennt. Im sogenannten Kokka-Shintō war es sodann patriotische Pflicht, dem Kaiser als Gottheit in Schreinen die Ehre zu erweisen. Erst mit der Kapitulation 1945 entsagte der Tennō seiner Göttlichkeit.
Shintōismus heute
Heute sind viele Schreine den Gottheiten Hachiman und Inari geweiht. Neben dem Ise-Daijingū spielt der Yasukuni-Schrein in Tōkyō eine wichtige Rolle. Zum großen Ärger der asiatischen Nachbarn ist es bei Japans konservativen Politikern Tradition, am 15. August, dem Ende des Zweiten Weltkriegs, im Yasukuni-Schrein der Kriegstoten zu gedenken. Wobei zahlreiche Kriegsverbrecher, darunter General Tōjō Hideki, dort als Gottheiten verehrt werden. Einer der prächtigsten Schreine ist der Tōshōgū in Nikkō, das Mausoleum des Shōguns Tokugawa Ieyasu.
Die zentrale ethische Vorstellung ist die physische und spirituelle Reinheit, die mit Reinigungsritualen einhergeht. Es gibt dabei keine Gottesdienste im klassischen Sinn. Bei Schreinbesuchen verbeugen sich die Gläubigen, klatschen in die Hände und spenden kleine Geldsummen. Priester weihen neue Gebäude oder auch Autos. Feiern zur Hochzeit und Neujahr werden oftmals shintōistisch begangen. Höhepunkt des Shichi-Go-San-Festes im Herbst ist die spirituelle Reinigung der Kinder. Die Gewänder der Schreinpriester erinnern an Amtsroben höfischer Beamter. Auch Frauen können Priesterinnen werden.
Zentrale Feiern sind Volksfeste (matsuri), die meist für eine gute Ernte und Fruchtbarkeit abgehalten werden. Dabei wird in einem tragbaren Schrein, einem mikoshi, das Hauptheiligtum durch die Straßen getragen. Feuerwerke, Taiko-Trommeln, Tänze und viel Sake gehören zu solchen Menschenaufläufen.
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