Japan - mit dem zug von Nord nach Süd 19-Tage-Studienreise

Inunaki: Das verfluchte Dorf

Maria-Laura Mitsuoka
Maria-Laura Mitsuoka

Glaubt man der Legende von Inunaki, existiert auf Kyūshū ein Dorf, das nicht der japanischen Legislative untersteht. Ein Ausflug in den angrenzenden Wald geschieht auf eigene Gefahr: Diejenigen, die das Dorf besuchen, kehren nie wieder lebend zurück.

Inunaki-Tunnel
Der Eingang des alten Inunaki-Tunnels. © Pontafon (wikipedia.jp)

Der Mythos über das verfluchte Dorf Inunaki in den düsteren Bergen der Präfektur Fukuoka ist mittlerweile eine der bekanntesten Schauergeschichten Japans. Die Legende zieht nicht nur Touristen und YouTuber aus aller Welt in die verwunschene Gegend, sondern dient auch als Vorlage für Horrorfilme und Videospiele. Doch was hat es mit dem mysteriösen Dorf auf sich? Existiert in Japan tatsächlich eine isolierte Minderheit, die über dem Gesetz steht?

Was bedeutet Inunaki?

Die Region ist nach dem Berg Inunaki (犬鳴) benannt, was wortwörtlich „Heulen des Hundes“ bedeutet. Der wahre Ursprung des Namens ist unbekannt, doch drei Erklärungsansätze konnten sich durchsetzen. Zum einen wird gemunkelt, dass die Einheimischen den Berg so benannten, weil ihre Hunde sich in seiner Nähe unwohl fühlten und zu jaulen begannen.

Eine zweiter Erklärungsansatz beruht auf einer Geschichte, die sich in den Wäldern zugetragen haben soll. Einst ging ein Mann mit seinem Hund auf die Jagd. Da sein Haustier aber durchgehend bellte und all die Beute in die Flucht trieb, wurde der Jäger so zornig, dass er den Vierbeiner tötete. Erst später stellte er fest, dass der Hund ihn eigentlich vor einem schwarzen Drachen (in anderen Versionen wird dieser als schwarze Giftschlange gedeutet) warnen wollte. Der Mann beschloss vor lauter Reue Mönch zu werden und Buße zu tun.

Eine dritte Erzählung besagt, dass der Name auf die verzweifelten Hilferufe einer Frau zurückzuführen sei. Der Wind verzerrte ihre Stimme so sehr, dass diese aus der Ferne wie das Heulen eines Hundes klang.

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Wasserfall beim Berg Inunaki
Wasserfall beim Berg Inunaki. © ヒデ HIDE

Die Lage des Dorfes

Ein Dorf namens Inunakidanimura existierte tatsächlich von 1691 bis 1889 am Fuße des Berges Inunaki und fusionierte anschließend mit benachbarten Örtlichkeiten zur heutigen Stadt Miyawaka (Präfektur Fukuoka). Wie zu erwarten, untersteht diese Region der japanischen Legislative und weist keine besonders hohe Kriminalität auf. Wer sie besucht, kehrt bei bester Gesundheit zurück und kann sich nicht über die Einwohner beklagen.

Allerdings sind das heutige Miyawaka und das Inunaki aus der Legende nicht ein und dieselbe Stadt. Das verfluchte Dorf ist nämlich auf keiner Karte verzeichnet und laut den Erzählungen nur sehr schwer zu finden. Angeblich befindet sich der Eingang beim Inunaki-Tunnel und wird durch ein Schild als solches gekennzeichnet.

„Ab hier gilt das japanische Gesetz nicht mehr“

1999 schickte ein unbekannter Verfasser japanischen Fernsehsendern erste Informationen über das Dorf zu und legte den Grundstein für den Inunaki-Mythos. Heutzutage wird der Inunaki-Tunnel in der Nähe des Berges als gespenstischster Ort Japans bezeichnet. 

Laut der Legende existierte das verfluchte Dorf bereits in der Edo-Zeit (1603-1868). Man erzählt sich, die Bewohner seien diskriminiert und von der Außenwelt abgeschnitten worden, nachdem sich eine ansteckende Seuche in der Siedlung ausgebreitet hatte. Dies soll dazu geführt haben, dass die japanische Regierung das Dorf aus den Karten entfernte. In den 30er-Jahren sei zudem ein Mann Amok gelaufen und habe dabei fast alle Bewohner auf blutrünstige Weise getötet. Die Überlebenden sollen angeblich bis heute tief in den Wäldern anzutreffen sein. 

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Der Eingang zur verfluchten Siedlung ist laut der Legende gut versteckt und in Form eines kleinen Pfades neben dem alten Inunaki-Tunnel gelegen. Findet man diesen, stößt man den Erzählungen zufolge auf ein Schild, das den Besucher mit folgenden Worten warnen soll:

„Ab hier gilt das japanische Gesetz nicht mehr. Betreten auf eigene Gefahr.“

Unterführung in Japan
Nicht nur der Inunaki-Tunnel lehrt Besuchern das Grauen. Auch solch kleinere Unterführungen sollen bei Geistern in ganz Japan sehr beliebt sein. © じぇぃ

Es wird gesagt, wer sein Leben wertschätze, mache sofort kehrt. Wer sich allerdings voran wage, der bekomme die Gewaltbereitschaft der Einheimischen am eigenen Leib zu spüren. Das Dorf sei von einer Mauer umgeben, die man erst überwinden müsse, um tiefer hineinzugelangen. Zudem seien verschiedenste Fallen im dichten Dickicht platziert. Stoße man eine dieser an, tauche ein Mann mit einer Axt auf, der den unerwünschten Besucher zu jagen beginne. 

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Kann man das Dorf unbemerkt betreten, sieht man am Eingang angeblich einen alten weißen Sedan. Tiefer in der Siedlung soll sich zudem eine Hütte befinden, in der sich Dutzende Leichen stapeln. Das Dorf wird wohl von dem Inunaki-Clan bewohnt, der Inzest und Kannibalismus betreiben soll. Selbst die Polizei fürchtet die Bewohner scheinbar so sehr, dass Nahrungsmittel mit Helikoptern gebracht werden müssten. Weder Internetverbindung noch das Telefonnetz funktionieren und an den Fenstern der verlassenen Gebäude würden oft unheimliche Fratzen gesichtet.

Ruinen einer alten Brücke
Ruinen einer alten Brücke, die für den Bau des Inunaki-Damms abgerissen wurde. © Inglid (wikipedia.jp)

Immer wieder Unfälle und tragische Tode

Keine der im vorigen Absatz genannten Begebenheiten konnte bisher bestätigt werden und die Hintergründe dieser Geschichten sind zum größten Teil unklar. Dennoch gibt es viele wahre Berichte aus der Region, die dem Leser Gänsehaut bereiten dürften.

Der wohl bekannteste Fall beim Inunaki-Tunnel ereignete sich am 07. Dezember 1988 und endete mit dem tragischen Tod des Arbeiters Umeyama Kōichi. Auf seinem Heimweg hielt eine Gruppe Jugendlicher ihn an und forderte ihn dazu auf, ihnen seinen Wagen zu überlassen. Nachdem er sich weigerte, zerrten die Täter ihn aus dem Fahrzeug und brachten ihn in den Tunnel, wo sie ihn gewaltsam misshandelten und seinen Körper in Flammen setzten. Angeblich hört man heute noch immer seine schmerzerfüllten Schreie aus dem Inneren der Unterführung. Die Telefonkabine am Eingang wurde abgerissen, nachdem Besucher berichteten, geisterhafte Stimmen vernommen zu haben.

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Zudem wird von unsäglich vielen Leichenfunden berichtet. Einige der im Straßenverkehr umgekommenen Jugendlichen waren „Geisterjäger“, die hinausfuhren, um Schnappschüsse für Blogs zu machen und Videos zu drehen, bei anderen handelte es sich um Menschen, die den einsamen Wald aufsuchten, um sich das Leben zu nehmen.

Die hohe Unfallrate beim Berg Inunaki zwang die Regierung im Jahr 2000 dazu, den alten Tunnel zu verbarrikadieren. Zudem warnt die Polizei jährlich vor Glatteis im Winter, Erdrutschgefahr und kriminellen Motorradgangs.

Inunaki-Damm
Der heutige Inunaki-Damm. © wikipedia.jp

Ist das verfluchte Dorf real?

Da keine Beweise die Existenz des Dorfes belegen, ist es naheliegend, dass diese Geschichte der Fantasie eines kreativen Kopfes entsprungen ist. Es wird angenommen, dass die Legende unter anderem vom Tsuyama-Massaker 1938 inspiriert wurde, bei welchem der 21-jährige Toi Mutsuo in elf Häuser eindrang und insgesamt 30 Menschen hinrichtete, bevor er sich selbst das Leben nahm.

Neben Horrorspielen wie „Forbidden Siren“ (SCE Japan Studio) und „Inunaki Tunnel“ (Chilla’s Art), die Elemente des Mythos aufgreifen oder ihn neu interpretieren, ist mit „Howling Village“ (2020) auch ein Film vom Ju-On-Regisseur Shimizu Takashi zu dieser Thematik erschienen. So wird die Legende des Dorfes und dessen Eingang beim Inunaki-Tunnel auch den kommenden Generationen im Gedächtnis bleiben.

Tsuyama-Mörder
Der Tsuyama-Mörder Toi Mutsuo. © wikipedia.jp

Wenn Sie depressiv sind oder suizidale Gedanken haben, können Sie sich telefonisch an die folgenden Hilfestellen wenden.

Hilfetelefonnummern:

Info-Telefon Depression: 0800 / 33 44 533

  • Mo, Di, Do: 13:00 – 17:00 Uhr
  • Mi, Fr: 08:30 – 12:30 Uhr

Telefonseelsorge (rund um die Uhr und kostenfrei): 0800-111 0 111 / 0800-111 0 222

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