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Ukiyo-e: Einblicke in die Kunst und Populärkultur der Edo-Zeit

Carolin Becke
Carolin Becke

Japanische Holzschnitte, genannt ukiyo-e, entwickelten sich im Laufe der Edo-Zeit zu einer populären Kunstform. Ihre Abbildungen waren eng mit den kulturellen Praktiken und Präferenzen der urbanen Bevölkerung verbunden. Die Holzschnitte gewähren daher einen aufschlussreichen Einblick in diese prägende Epoche.

Ukiyoe von Hokusai
"Skizze des Mitsui-Geschäfts in der Suruga-Straße in Edo", Holzschnitt von Katsushika Hokusai (ca. 1830). Teil der Serie "36 Ansichten des Berges Fuji".

Die Edo-Zeit (1603-1868) war eine außerordentlich friedliche Zeit in der japanischen Geschichte. Geprägt von der autoritären Kontrolle des Tokugawa-Shōgunats herrschte für mehr als 250 Jahre politische Stabilität innerhalb des Landes. Während die Samurai-Elite die politische Macht innehatte, wuchs die gesellschaftliche Bedeutung von Kaufleuten und Händlern, genannt chōnin (wörtlich „Städter“) kontinuierlich an. Dieser Aufstieg war vor allem auf den florierenden Handel mit Waren und Gütern zurückzuführen, der die urbanen Zentren wie Edo (dem heutigen Tōkyō), Ōsaka oder Kyōto nachhaltig veränderte.

Die rasche wirtschaftliche Entwicklung führte schon bald zu politischen und kulturellen Spannungen. Das Shōgunat verfolgte eine soziale Hierarchie, die auf konfuzianischen Werten beruhte und damit Kaufleute und Händler als Teil der untersten Schicht einstufte. Diese Positionierung basierte auf der Annahme, dass Kaufleute weder ihren Verstand (anders als Gelehrte), noch ihre Muskeln (wie Bauern und Handwerker) einsetzten, um etwas „Wertvolles“ zu produzieren; vielmehr wurden sie durch ihre vermeintliche übermäßige Anhäufung von Reichtum als eine Bedrohung für die bestehende Gesellschaftsordnung wahrgenommen.

„Der Wohlstand der Vier Klassen“, Utagawa Kunisada
„Der Wohlstand der Vier Klassen“, Holzschnitt von 1869.

Abbildungen der „fließenden Welt“

Dieser niedrigen sozialen Positionierung standen die wachsenden finanziellen Mittel und damit der kulturelle Einfluss gegenüber, den die chōnin im Laufe des 17. Jahrhunderts ausüben konnten. Sie hatten somit einen großen Einfluss auf die Populärkultur der Zeit und prägten diese nach ihren Werten und Vorstellungen. Es war vor allem die hedonistische Zelebrierung der ukiyo (浮世), der „fließenden Welt“, welche hierbei eine wichtige Rolle spielte. Ukiyo beschreibt in diesem Kontext die vergängliche, „unzuverlässige“ Welt, in die jeder Mann und jede Frau hineingeboren wird, und der nur durch die rigorose Einhaltung der buddhistischen Praxis, geprägt durch Meditation und Abstinenz, entkommen werden kann. Edos Kaufleute hielten aber nicht viel von dieser Ansicht und feierten vielmehr alltägliche Formen des Vergnügens und der Unterhaltung.

„Kirschblüten in voller Blüte im Ninna-ji-Tempel in Omuro“, aus der Serie „ Berühmte Orte in der Hauptstadt“, Hasegawa Sadanobu I, ca. 1870.
„Kirschblüten in voller Blüte im Ninna-ji-Tempel in Omuro“, aus der Serie „ Berühmte Orte in der Hauptstadt“, Hasegawa Sadanobu I, ca. 1870.

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Ukiyo-e („Bilder der fließenden Welt“) wurden somit zu einem Mittel, um die Unbekümmertheit dieser „fließenden Welt“ visuell einzufangen. Besondere Anlässe wie die Erkundung eines nahegelegenen Tempel-Gartens wurden in Form von Holzschnitten ebenso dargestellt wie der Besuch im örtlichen Badehaus. Die Abbildung von Sehenswürdigkeiten und beliebten Orten diente als Inspiration für touristische Reisen, während sich die Menschen mit bekannten Szenen aus Volksmärchen und der Geschichte im Alltag amüsierten. Attraktive und stilsichere Männer und Frauen gehörten ebenfalls zu den bevorzugten Motiven vieler Ukiyo-e-Künstler. Kabuki-Schauspieler und bekannte Kurtisanen, gekleidet nach der neuesten Mode, wurden durch die Holzschnitte zu Trendsettern.

Holzschnitt von Utagawa Hiroshige und Teil der Serie "Die 53 Station des Tōkaidō".
Holzschnitt von Utagawa Hiroshige und Teil der Serie "Die 53 Stationen des Tōkaidō".

Teehaus-Töchter als kulturelle Ikonen

Eine weitere beliebte kulturelle Figur, die oft in Holzschnitten abgebildet wurde und so ihren sozialen Stellenwert markierte, war die chaya musume (wörtlich „Teehaus-Tochter”). Um einen Tee zu genießen und einher ein paar Snacks zu konsumieren, war ein Besuch eines chaya ein alltägliches Ritual vieler Städter. Während die Inhaber dieser Lokale oft ältere Herrschaften waren, wurde die Anstellung junger Frauen, die Tee servierten und ein bisschen mit den Kunden plauderten, schnell zu einer beliebten Marketingstrategie.

Eine recht berühmte chaya musume war Naniwaya Okita (geb. 1778), eine Angestellte eines Teehauses in der Nähe des bekannten Sensōji-Tempels in Asakusa. Sie wurde zu einer Art Muse des ukiyo-e-Künstlers Kitagawa Utamaro, welcher sie in einem gleichnamigen Schnitt als eine der „drei Schönheiten der Gegenwart“ verewigte. Aufgrund der Berühmtheit, die sie durch die Verbreitung des Druckes erlangte, wurde Okita zum „Aushängeschild“ des Ladens. Es wurde sogar gemunkelt, dass einige Kund:innen eine weite Strecke zurücklegten, nur um einen kurzen Blick auf diese junge Schönheit erhaschen zu können.

„Drei Schönheiten der Gegenwart“, Holzschnitt von Kitagawa Utamaro,1792–93.
„Drei Schönheiten der Gegenwart“, Holzschnitt von Kitagawa Utamaro,1792–93.

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Wichtige Kulturgüter

Dieses Beispiel verdeutlicht, wie wir durch ukiyo-e einen tieferen Einblick in die Edo-Zeit erhalten können – eine Ära, die stark von den hedonistischen Neigungen und Vergnügungen der städtischen Arbeiterklasse geprägt war. Diese Klasse wurde aufgrund ihrer Vorliebe für Unterhaltung und Unbeschwertheit vom Shōgunat kritisch betrachtet. Trotz, oder vielleicht sogar gerade wegen dieser Kritik schufen die chōnin eine visuelle Kultur, die verschiedenste Künstler sowohl innerhalb als auch außerhalb Japans beeinflusste. So inspirierten die flachen Kompositionen, präzise Linienführung und kräftige Farbgebung die Werke europäischer Impressionisten des 19. Jahrhunderts, unter ihnen Vincent van Gogh, Claude Monet und Edgar Degas. Heute sind ukiyo-e in renommierten Museen auf der ganzen Welt zu finden und werden auch in Japan für kommerzielle Anwendungen in Bereichen wie Werbung und Design genutzt. Sie bleiben ein Symbol für die japanische Kultur und haben dazu beigetragen, ihre Identität bis in die heutige Zeit zu prägen. 

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