Japan - mit dem zug von Nord nach Süd 19-Tage-Studienreise

Tokoname: Traditionelle japanische Keramikkunst

Marie-Louise Helling
Marie-Louise Helling

Beeindruckende Brennöfen, feinste Keramik und winkende Glückskatzen: Inmitten sanfter Hügel der Chita-Halbinsel in der Präfektur Aichi liegt die Töpferstadt Tokoname. Ein Ort der Ruhe und der Kreativität.

Der von Steinguttöpfen gesäumte Dokonzaka-Weg in Tokoname
Beliebter Touristenspot mitten in Tokoname: Der Dokonzaka, gesäumt von Keramiktöpfen. © Theresa Funk und Marie-Louise Helling

Tokoname in der Präfektur Aichi ist der älteste der traditionellen Töpferorte, die zu den „Sechs alten Brennöfen Japans“ (nihon rokkoyō) zählen. Dort steht nach wie vor die Verwendung traditioneller Techniken und Rohstoffe an der Tagesordnung. Ungefähr 200 Brennöfen schmiegen sich an die Hügel der kleinen Stadt an. Am Stadteingang wird man von süßen Keramikkatzen willkommen geheißen, die die Manekineko-Straße säumen. Desweiteren locken viele kleine Töpferläden und Museen, die über die Herstellung der Keramik und die Geschichte von Tokoname aufklären. Die Keramikkunst ist ein Handwerk, das viel Geschick, Geduld und Wissen erfordert.

Eine kleine Stadt mit großer Geschichte

Im 5. Jahrhundert verbreitete sich vereinzelt die Nutzung von Brennöfen, die über China und Korea nach Japan kamen. Die ersten Öfen von Tokoname wurden Ende der Heian-Zeit (794-1185) gebaut. Es wird angenommen, dass sich bis zu 3.000 Öfen in der Stadt befanden. Charakteristisch für diese alten traditionellen Einkammer-Öfen (anagama) war die halbunterirdische Hanglage. Die Farbgebung der Keramik entstand allein durch den Brennvorgang, indem die im Ofen herumfliegende Holzasche mit dem Ton verschmolz und eine natürliche Flugascheglasur (yakishime) bildete. Je nachdem wo die Keramik im Ofen platziert wurde, ergab sich eine andere Stärke der Glasur, der Muster und der Farbe.

Die früheste geschichtlich datierte Keramik der Region wurde ungefähr 1125 gebrannt. Dabei handelte es sich um einen schlichten Krug mit drei Streifen um den Bauch herum, der heute im Nationalmuseum in Tōkyō bewundert werden kann. Ursprünglich diente die Keramik für religiöse Rituale. Aus Rücksicht auf die Bedürfnisse des Volkes verlagerte sich die Produktion auf Töpfe und Krüge für den alltäglichen Gebrauch. Vermehrt wurden „Bergschalen“ (yama-chawan) hergestellt, die als Aufbewahrungsgefäße dienten.

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Auf dem Weg zur Massenproduktion

Die Produktion und der landesweite Verkauf von größeren Keramikwaren begann in der Kamakura-Zeit (1185-1333). Von Tokoname aus fuhren Schiffe in die südlichen und nördlichen Präfekturen Japans, um dort mit Keramik zu handeln.

In der zweiten Hälfte der Edo-Zeit (1603-1868), ließen die Keramikmeister moderne Mehrkammer-Kletteröfen (renboshiki noborigama) an die Hänge bauen. Mithilfe dieser neuen Ofenbauart war es möglich, ebenfalls neue Herstellungsverfahren für Keramik anzuwenden und die einheitliche Massenproduktion voranzutreiben. Eine höhere Verbrennungstemperatur und kühlere Abgase förderten die Effizienz des Brennvorgangs, die neuen Brennräume ermöglichten einheitliche Ergebnisse. Erstmalig wurde roter Ton (hon shudei) verwendet, den die Keramiker aus dem Lehm der umliegenden Reisfelder gewannen. Die gute Qualität des nährstoffreichen Bodens verdankte die Region dem prähistorischen Tokai-See, der vor etwa 1 Million Jahren die heutige Fläche von Tokoname bedeckte. Dieser Ton wird teilweise noch heute für die Produktion der typischen kleinen Teekannen (kyūsu shudei) mit langem Stielgriff verwendet.

Mit Anbruch der Meiji-Zeit (1868-1912) wurden westliche Gips- und Kohleöfen in Japan eingeführt, mit denen die Herstellung von Tonrohren für Wasserleitungen und Terrakottafliesen für Gebäude begann.

Ältester Steinguttopf mit Riss
Historische Keramikkunst: Das älteste datierte Werk von Tokoname. © Theresa Funk und Marie-Louise Helling

Handliche Teekannen mit Charme

In den Geschäften der verwinkelten Gassen von Tokoname finden Reisende vorrangig Teekannen (kyūsu). Die hohe Elastizität und der gute Eisengehalt des puren Tons (hon shudei), der auch für die schöne rote Färbung sorgt, ermöglichten in der Edo-Zeit die Herstellung von rotbraunen Teekannen (kyūsu shudei) von hervorragender Qualität. Die Eisenionen der Kanne reagierten mit dem Grüntee und reduzierten die bekannte Bitterkeit. Allerdings sank das natürliche Vorkommen von rotem Ton bis heute sehr stark, sodass mittlerweile Eisenoxid zum Ton hinzugegeben werden muss, um die rote Farbe zu erhalten. Leider bildet dieses eine Glasur, die verhindert, dass sich der Geschmack verbessert.

Zudem entwickeln die Künstler von Tokoname ständig neue japanische Muster und Dekorationen für die Keramik. Neben den in Japan beliebten Kirschblütenmustern, sind besonders die Dekorationstechniken nerikomi, tochiri und yōhen berühmt. Bei Ersterem wird Ton mit unterschiedlichen Farben verwendet, um spiralförmige Marmorierungen zu erzeugen. Bei Zweiterem kratzt der Keramikmeister mit einer Rasierklinge linienförmige Muster in den Ton, bevor er gebrannt wird. Die dritte Technik benötigt die größte Handfertigkeit. Durch besondere Brennbedingungen und den ausgewählten Ton erhält die Keramik imposante Farbverläufe von Schwarz zu Rot oder von Gelb zu Grün.

Traditionelle Teekanne und japanische Süßigkeiten
Die perfekte Kombination: Bitterer Grüntee, serviert in einer Kyūsu und dazu süße Mochi. © Chris Lawton / unsplash.com

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Touristische Sehenswürdigkeiten

Vom Bahnhof Tokoname führt der Weg zur Manekineko-Straße, deren Steinwand von 39 Tonkatzen geschmückt ist. Ganz oben thront die größte aller Katzen, die Tokonyan. Es besteht die Möglichkeit zwischen zwei Routen zu wählen: Auf dem kürzeren Kurs von 1,5 Kilometern warten einladende Töpferläden, der mit Steinguttöpfen gesäumte Dokonzaka-Weg und Werkstätten, die Töpferkurse anbieten. Besonders schön ist das Museum in der Takita-Familienresidenz, deren Besitzer in der Edo-Zeit für den Handel zwischen Tokoname und Edo verantwortlich waren. Das Anwesen wurde 1850 gebaut, zur Jahrhundertwende renoviert und wird seitdem für den Tourismus genutzt. In der Ausstellung finden sich kostbare alte Lampen und filigrane Schiffmodelle. Zudem gibt sie spannende Einblicke in die Geschichte der Handelsschifffahrt von Japan.

Die längere Route schlängelt sich vier Kilometer durch die Stadt, vorbei am Keramikkunst-Institut, das bekannt für erstklassige Ausbildungen im Bereich der Töpferkunst ist. Zudem beeindruckt das Tokoname-Volksmuseum mit zahlreichen historischen alten Keramiken. Den Abschluss bildet die weitläufige Anlage des INAX-Museums, wo man tiefer in die Geschichte der Stadt eintauchen und zusätzlich handwerkliche Kurse buchen kann.

Winkende Glückskatze hinter einer Steinwand
Das Glück auf dem Weg nach Tokoname: Die winkende Tokonyan. © Theresa Funk und Marie-Louise Helling

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