Japan - mit dem zug von Nord nach Süd 19-Tage-Studienreise

Von der Seidenraupe zum Kimono

Anji Salz
Anji Salz

Die traditionelle Seidenherstellung war eine lange Zeit einer der Exportschlager Japans. Heutzutage gibt es leider nur noch wenig Seide “Made in Japan”. Um dem Herstellungsprozess auf den Grund zu gehen, besichtigte unsere Autorin Anji Salz einen kleinen Betrieb außerhalb Tōkyōs.

Seidenraupen
© Anji Salz

Oftmals tragen wir Kleidung ohne uns zu fragen, wo diese eigentlich herkommt oder wie und unter welchen Bedingungen sie hergestellt wurde. Bei Kimonos ist das nicht anders: Vor noch nicht allzu langer Zeit wurde Kleidung und deren Stoff noch zu Hause gewebt und selbst genäht. Heute kaufen wir diese allerdings hauptsächlich in Kleidergeschäften oder großen Kaufhäusern.

Auch Kimonos erwirbt man nunmehr beim spezialisierten Händler oder Schneider. Diese bestehen traditionell aus Seide, Baumwoll- oder Hanffaser. Letztere wurden für den alltäglichen Gebrauch getragen, wohingegen die Kimonos aus Seide speziellen Anlässen vorbehalten waren.

Seidenraupenkokon mit Eiern
© Anji Salz

Aber wie wird japanische Seide, die für die Herstellung von Kleidung wie Kimonos notwendig ist, eigentlich produziert?

Am Anfang steht das Ei. Oder vielleicht doch die Seidenraupe, welche dieses legt…? Darüber kann man sich streiten. Was allerdings gewiss ist, ist dass die Seidenwürmer zunächst einmal gezüchtet werden müssen, damit man Ihre Kokonseide zu nähfertigen Stoff weiterverarbeiten kann. Ein lokaler Seidenwurmexperte hat seine Türen für mich geöffnet und mir erklärt, wie man Seidenwürmer aufzieht und ihre Seide gewinnt.

Seidenraupeneier
© Anji Salz

Der Vorgang beginnt mit einem Stück Papier, auf welchem hunderte von kleinen Eiern kleben, die von einer ausgewählten Seidenmotte nach der Paarung gelegt wurden. Vier Mal pro Jahr, vom Frühling bis in die Herbstmonate, schlüpfen kleine schwarze Raupen aus den winzigen Eiern. Nach ein paar Tagen verlieren diese ihre feinen schwarzen Haare und zeigen ihre leicht gelblichweiße Haut, die sie bis zur Umhüllung in ihren Kokon beibehalten.

Seidenraupenfütterung
© Anji Salz

Die Seidenwürmer müssen fünf bis acht Mal täglich mit Blättern des weißen Maulbeer-Baums gefüttert werden – bei Tag und Nacht, da diese konstant frische Blätter benötigen, um zu überleben. Dabei fressen sie sich unersättlich durch die verfütterten Blätter. Das Kau- und Schmatzgeräusch in der Zuchtanlage ist dabei so laut, dass es sich fast wie ein entfernt brausender Wasserfall anhört. In kurzer Zeit nehmen sie signifikant an Größe zu und häuten sich vier Mal.

Seidenraupe
© Anji Salz

Ich durfte Seidenwürmer, welche fast ihre maximale Größe erreicht haben, einmal auf die Hand nehmen und anfassen. Die Haut der Raupen ist extrem weich und ihre Form und Farbe erinnerte mich tatsächlich ein wenig an die Shinkansen-Schnellzüge.

Gitterrost für die Seienraupenkokons
© Anji Salz

Zwischen Ei und der finalen Größe der Raupe liegen circa vier Wochen. Dann stoppt der Seidenwurm seine Essensaufnahme und wird anschließend in einem Gitterrost aus Pappkarton umgelagert, wo er anfängt sich in einen weißen Kokon einzuspinnen. Zwei ununterbrochene Tage arbeitet der Seidenwurm an seinem Kokon bis dieser fertiggestellt ist. Normalerweise würde die nun entstandene Seidenmotte nach ihrer Metamorphose ein Loch in den Seidenkokon schneiden um sich zu befreien. Das jedoch würde den Seidenfaden zerstören, deshalb werden die Kokons mit heißem Dampf behandelt, was die Seidenwürmer abtötet. Nur auserwählte Tiere lässt man für die Eierproduktion der nächsten Generation schlüpfen.

Seidenmotte
© Anji Salz

Seidenraupen wurden seit Jahrhunderten für die Seidengewinnung gezüchtet und sind heutzutage komplett auf den Menschen angewiesen um zu überleben. Auch die Seidenmotten sind nicht in der Lage vernünftig zu fliegen und sterben kurz nach der Eiablage.

Spinnradanlage
© Anji Salz

Die gedampften Kokons werden anschließend in heißem Wasser aufgeweicht um das Abrollen des Fadens zu erleichtern. Während die Kokons im Wasser liegen, wird das Ende des Seidenfadens auf eine Maschine gespannt und die Fäden auf eine große Rolle gespult. Je nach gewünschter Dicke des Fadens werden dabei mehrere Kokons gleichzeitig abgerollt und in einen Faden gesponnen. Was früher müßige Handarbeit war, wurde in der Meiji-Zeit mithilfe von Technologie aus Frankreich automatisiert. Die größte Seidenfabrik Japans entstand so im Jahr 1872 in Tomioka (Gunma), welche heute noch als Weltkulturerbe erhalten ist.

Seide
© Anji Salz

Die zusammengesponnenen Seidenfäden werden dann auf einem automatischen Webstuhl installiert, welcher nun circa 40 Zentimeter breite und 12 Meter lange Stoffbahnen webt. Diese werden später bemalt und/oder bedruckt und können schließlich in Kleidung wie etwa Kimonos verwandelt werden. Zur Produktion eines Kimonos wird dabei die Seide von 2800 bis 3000 Seidenwürmer benötigt.

Seidenraupen beim Fressen:

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