Die Glasproduktion auf Okinawa begann etwa ab der Mitte der Meiji-Zeit (1868-1912), als die ersten Glasarbeiter aus Satsuma (Präfektur Kagoshima) kamen. Später folgten weitere aus Ōsaka und Nagasaki, die das Handwerk perfektionierten und sich die damals in Japan noch neue Technik der Glasbläserei zu Eigen machten. Vor allem in der Großstadt Naha, im Zentrum von Okinawa, entstanden zahlreiche Glasmanufakturen und das Handwerk hatte Hochkonjunktur. Im Zweiten Weltkrieg wurde Okinawa allerdings flächendeckend zerstört, wovon auch die Werkstätten massiv betroffen waren.
Glückliche Fügung
Nach Kriegsende bemühten sich die Glasbläser, das Geschäft wiederzubeleben, hatten aber kaum Ressourcen zur Verfügung. Daher entstand die Idee, aus leeren Limonaden-, Bier- und Colaflaschen des auf Okinawa stationierten US-Militärs neue Glaswaren herzustellen. Diese wurden gewaschen, eingeschmolzen und weiterverarbeitet, enthielten jedoch Unreinheiten wie Reste von Flaschenetiketten, die nicht vollständig entfernt werden konnten. So entstanden bei der Produktion Bläschen, die schließlich zum Markenzeichen der aus Okinawa stammenden Glaswaren wurden.
Das Souvenir der Heimkehrer
Ryūkyū-Glas ist unregelmäßig geformt und in leuchtende Farben gekleidet, doch ursprünglich handelte es sich um schlichte, einfarbige Gebrauchsgegenstände. Die Farben ergaben sich aus der Verarbeitung der aus den USA stammenden Flaschen der 1950er Jahre, deren Glas hellblau, grün und braun war. Violett und Dunkelblau konnten durch die Beigabe von Mangandioxid und Kobalt erzeugt werden. Heutzutage ist der Herstellungsprozess ein anderer und sowohl das Farbspektrum als auch die Formgebung hat sich deutlich erweitert, von Trinkgläsern bis hin zu fantasievollen Deko-Objekten. Da die Glaswaren zunächst als Souvenirs bei heimkehrenden US-Soldaten beliebt waren, spezialisierte man sich von Anfang an auf ein westliches Design. Der Name Ryūkyū-Glas wurde ab 1962 verwendet, als der Export in die USA begann und man sich aus Marketinggründen für die Bezeichnung „Ryūkyū“ als Alternative zu „Okinawa“ entschied, da letzterem aus amerikanischer Sicht noch das Image des Kriegsschauplatzes anhaftete. Mit dem Königreich Ryūkyū, dem Okinawa vom 15. bis 19. Jahrhundert angehörte, haben die Gläser nichts zu tun.
Farblexikon Ryūkyū-Glas
Rot: Sonne; Glück in der Liebe und Reichtum
Orange: Okinawas Morgen- und Abendrot; Demut, Selbstreflexion; Glück für gute Geschäfte, Gesundheit, menschliche Beziehungen
Gelb: Fortschritt, Optimismus, harte Arbeit, Frieden, Familienglück
Grün: die reichhaltige grüne Erde Okinawas; Frieden, Vitalität, Stabilität
Blau: das Meer als repräsentatives Element Okinawas; Erfolg in der Liebe, bei der Arbeit und im Studium
Hellblau: Himmel; Freundschaft, Gesundheit
Farblos (transparent): Transparenz symbolisiert, dass sich die Dinge zum Guten wenden; Geradlinigkeit, Ehrlichkeit, Vertrauen, Erfolg
Dieser Artikel erschien in der JAPANDIGEST Mai 2024-Printausgabe und wurde für die Veröffentlichung auf der Website nachbearbeitet.
Kommentare