Origami hat die Welt längst im Sturm erobert. Nicht wegzudenken sind sie als lustige Freizeitbeschäftigung in Schulen oder Zuhause, wo sicherlich jeder schon einmal selbst kleine Schiffe, Kraniche oder Hüte aus buntem, viereckigen Papier gefaltet hat. Origami ist die Kunst, aus Papier simple wie komplexe Figuren mit den Händen zu falten, ohne den Gebrauch von Schnitten oder Klebstoff.
Wo Origami (折り紙, zusammengesetzt aus den Wörtern oru = falten und kami = Papier) seinen Ursprung hat, lässt sich heute nicht mehr sagen. Es liegt durchaus nahe, dass das Papierfalten aus China kommt, jenem Land, in dem im Jahre 105 n. Chr. der Chinese Cai Lun die Papierherstellung erfunden haben soll. Allerdings lassen archäologische Funde darauf schließen, dass Papier bereits lange vor Cai Luns Zeit existiert habe. Darüber hinaus gibt es nur wenige Zeugnisse von Werken aus gefaltetem Papier aus China. Nicht wenige Stimmen behaupten daher, dass das Papierfalten eine japanische Erfindung sei.
Mit dem Papier kam das Papierfalten
Von China über Korea fand Papier im 6./7. Jahrhundert schließlich seinen Weg nach Japan, wo es jedoch ein kostbares und teures Gut blieb, das nur buddhistischen Mönchen und der Elite vorbehalten war. Gefaltetes Papier wurde besonders in formellen oder religiösen Zeremonien benutzt, z. B. in Form von shide, weiße Papierstreifen in Zickzack-Form, die bei shintōistischen Reinigungsritualen zum Einsatz kamen. Es scheint daher kein Zufall zu sein, dass der japanische Begriff für Papier (kami, 紙) lautgleich mit dem Wort für Gottheit ist (kami, 神). Andere bekannte Anwendungen in einem nicht-religiösen Kontext waren als Geschenkverpackungen und gefaltete Abzeichen, genannt noshi.
Auch wenn die Papierherstellung schon seit über 1.300 Jahren in Japan existiert und seither weiterentwickelt wurde, ist das Origami, wie wir es heute kennen, eine moderne Erfindung. Auch der Begriff „Origami“ entstand erst in der jüngeren Vergangenheit – in der Edo-Zeit (1603-1868) war es eher unter dem Namen „Orikata“ („Art zu falten“) bekannt. Im Jahre 1680 wurden erstmals in einem Gedicht von Ihara Saikaku aus Papier gefaltete Schmetterlinge erwähnt, die eine Sake-Flasche bei einer shintōistischen Hochzeitszeremonie schmückten. Das erste Buch, in der das Papierfalten als Freizeitbeschäftigung beschrieben wird, erschien 1797: Das Senbazuru orikata enthält einfache Erklärungen zum Falten eines Papier-Kranichs.
Origami als Freizeitbeschäftigung
Origami als Form der Freizeitgestaltung gewann während der Edo-Zeit an Beliebtheit, denn erst dann wurde Papier für das gemeine Volk erschwinglich. Die Menschen bastelten sich kleine Figuren als Geschenke, Glücksbringer oder Dekorationen für ihr Heim. Auch wenn sich keine schriftlichen Beweise für Origami in Japan finden lassen, die vor dem 17. Jahrhundert datiert sind, so gilt Japan trotzdem als das Land, das es zu einer Kunstform entwickelt hat.
Der deutsche Pädagoge Friedrich Wilhelm August Fröbel (1782-1852), wohl am besten bekannt als Erfinder des Kindergartens, war ein großer Fan des Papierfaltens und propagierte es als geeignete Beschäftigung für Kinder, um abstrakte Wahrheiten und geometrische Formen zu begreifen. Nach ihm wurde auch der sogenannte „Fröbel-Stern“ benannt, ein Papier-Stern und beliebte Weihnachtsdekoration. Fröbels Lehren fanden wiederum im 19. Jahrhundert, vor allem im Zuge der Meiji-Restauration ab 1868, ihren Weg zurück nach Japan, wo in dortigen Schulen und Kindergärten Origami als Freizeitspaß gelehrt wurde.
Origami heute
Als „Vater des modernen Origami“ gilt jedoch der Japaner Yoshizawa Akira (1911-2005), der in den 1950er-Jahren eine Art weltweite Renaissance der Faltkunst einläutete. Zu Lebzeiten erfand angeblich über 50.000 Origami-Figuren, genauso wie eine neue Technik des Papierfaltens, das sogenannte „Nassfalten“. Dabei wird das Papier leicht angefeuchtet, um runde und plastische Formen zu kreieren – ganz im Gegensatz zu den klassischen Origami-Techniken, bei denen das Papier harte und abgeschnittene Kanten aufweist.
Zusammen mit dem Amerikaner Sam Randlett entwickelte Yoshizawa das „Yoshizawa-Randlett-System“ – ein System für gedruckte Origami-Anleitungen, bei der die einzelnen Faltschritte als Diagramm mithilfe von Pfeilen und gestrichelten Linien dargestellt werden. Bis heute wird dieses System in fast jedem Origami-Lehrbuch verwendet.
Mittlerweile hat sich klassisches Origami weiterentwickelt – längst muss man nicht mehr spezielles Origami-Papier nutzen oder gar nur ein einziges Blatt. Mit sogenannten „Action Origami“ kann man z. B. aktiv spielen und interagieren. „Unit Origami“ vereint mehrere gefaltete Papierstücke, die zu einem größeren, komplexen Kunstwerk zusammengesetzt werden.
Origami für den Frieden
Unbestreitbar ist der Kranich die wohl bekannteste Origami-Figur. In Japan haben diese majestätischen Vögel einen besonderen Stellenwert. So gelten sie als glücksbringend sowie als Symbol für Wohlstand und die Erfüllung von Wünschen. Nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges wurden sie zudem zu einem Sinnbild des Friedens, was insbesondere an der Geschichte des japanischen Mädchens Sasaki Sadako liegt. Sadako und ihre Familie waren Überlebende des Atombombenabwurfes auf Hiroshima 1945, als sie noch ein Kleinkind war. Im Alter von 12 Jahren erkrankte und starb Sadako an Leukämie, wohl eine Spätfolge der radioaktiven Strahlung. Als Sadako von der Symbolik der Kraniche als Wünsche erfüllende Wesen hörte, beschloss sie, 1.000 Kraniche aus Papier zu falten, damit sich ihr Wunsch nach Heilung erfüllen möge. Doch als sie im Krankenhaus lag und andere im Sterben liegende Kinder sah, wünschte sie sich stattdessen Frieden. An ihre Geschichte erinnert heute eine ihr gewidmete Statue im Friedenspark Hiroshima, der stets abertausende Origami-Kraniche aus ganz Japan beigelegt werden.
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