Kimono-Stoffe fallen durch ihre wunderschönen bunten Farben und Muster auf. Eine weitere Besonderheit ist die Struktur des Stoffes, die leicht erhaben ist, da es sich um sogenannte Krepp-Seide handelt. Die japanische Handwerkskunst Chirimenzaiku (chirimen = „Kreppstoff“), bei der aus Resten dieser Kimono-Stoffe kunstvolle Gegenstände gefertigt werden, war ursprünglich Töchtern aus dem Adels- und Samurai-Stand oder wohlhabenden Händlerfamilien vorbehalten und ein Ausdruck von Klasse und Kultiviertheit.
Die Chirimenzaiku-Technik
Die Chirimenzaiku-Technik hat ihren Ursprung in der zweiten Hälfte der Edo-Zeit (1603-1868). Damals wurden unter den kaiserlichen Hofdamen sowie Frauen aus der Samurai-Klasse beispielsweise Stoffbeutel und Schachteln mit jahreszeitlichen Motiven verziert, die durch das Ausstopfen mit Watte eine dreidimensionale Form erhielten. Diese sogenannten oshi-e („gepresste Bilder“) gibt es in allen möglichen Ausprägungen, bis hin zu großformatigen Kunstwerken.
Sehr beliebt waren früher auch Stoffbeutel, die mit teils äußerst detaillierten Bildern, die aus mehreren Stoffelementen bestanden, geschmückt wurden. Um diese miteinander zu kombinieren, schnitt man eine Lücke in Form des gewünschten Elementes aus dem Hauptstoff und legte ein neues Element in der gleichen Form hinein, das mithilfe feiner Stiche aufgenäht wurde. Diese Technik nennt sich kiribame-zaiku (kiribame = „schneiden und einlegen“).
Heutzutage noch am bekanntesten ist wohl die Technik tsumami-zaiku, mit der filigrane kunsthandwerkliche Gegenstände angefertigt werden (z. B. dekorative Anhänger oder Haarschmuck zum Kimono und Yukata). Dafür werden quadratische Stoffstücke mithilfe einer Pinzette mehrmals gefaltet und zum Schluss mit Leim verklebt, sodass edle Ornamente entstehen.
Weiterentwicklung in der Meiji-Zeit
Ab der Meiji-Zeit (1868-1912) war Chirimenzaiku nicht mehr nur der Oberschicht vorbehalten, sondern wurde Bestandteil des Nähunterrichts an Mädchenschulen. In dieser Zeit entstanden auch neue Formen und Motive. Kleine Beutel in Tier- oder Blumenform dienten wohl als Duftbeutel und zur Aufbewahrung von Koto-Plektra (Koto = traditionelles Saiteninstrument), während es für Kinder Täschchen in Puppenform gab, die gleichzeitig als Spielzeug und Glücksbringer dienten. Auch Stofftiere waren beliebt.
Chirimenzaiku erlebt ein Revival
Mit Beginn des Zweiten Weltkriegs geriet die Handwerkskunst allmählich in Vergessenheit, da man sich in seiner Lebensweise immer mehr dem Westen anpasste. Moderne Kleidung im westlichen Stil setzte sich durch und Kimonos wurden kaum noch getragen, weshalb auch keine Notwendigkeit zur Wiederverwertung mehr bestand.
Maßgeblich zur Wiederentdeckung der traditionellen Handwerkskunst beigetragen hat Inoue Shigeyoshi, der heutige Direktor des Japan Toy Museum in Himeji (Präfektur Hyōgo), der diese seit 1986 in zahlreichen Ausstellungen und Workshops der breiten Bevölkerung näherbringt. Er war es auch, der in den 1990er Jahren den Begriff „Chirimenzaiku“ prägte, der leichter verständlich war als die ursprünglich verwendete Bezeichnung saihō o-saikumono (etwa „Werke der Nähkunst“). Das Japan Toy Museum ist heute ein beliebter Treffpunkt für Chirimenzaiku-Fans aus ganz Japan, die sich monatlich in einer 1990 gegründeten Studiengruppe treffen und auch eigene Werke kreieren.
Anfahrt zum Japan Toy Museum
Das Japan Toy Museum liegt in der Stadt Himeji und ist bequem mit dem Zug zu erreichen. Zum nächstgelegenen JR-Bahnhof Kōro kommen Sie vom Bahnhof Himeji aus mit der Bantan-Linie. Von dort sind es etwa 15 Minuten Fußweg zum Museum (mit dem Taxi ca. 5 Minuten). Mit dem Auto ist es über die Bantan-Mautstraße (Ausfahrt Funatsu IC) oder den Chūgoku-Expressway (Ausfahrt Fukusaki IC) zugänglich.
Dieser Artikel erschien in gekürzter Form in der JAPANDIGEST Oktober 2023-Ausgabe und wurde für die Veröffentlichung auf der Website nachbearbeitet.
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