Wer schon einmal einen japanischen Garten besucht hat, wird sie bestimmt gesehen und bewundert haben: in Schalen wachsende Bäume im Miniaturformat, die durch ihre kunstvoll anmutenden Formen beeindrucken. Nichts scheint hier dem Zufall überlassen. Tatsächlich ist die Bonsai-Zucht und -Pflege, die seit der Weltausstellung 1889 in Paris auch in Europa bekannt ist, recht aufwendig. Bei den kleinen Bäumen handelt es sich nicht etwa um spezielle Züchtungen, sondern um ganz normale Bäume, die durch regelmäßiges Zurechtschneiden und -biegen in Form und Größe gehalten werden. Wie bei vielen anderen japanischen Kunstformen auch, lassen sich die Ursprünge von Bonsai in China finden.
Vom chinesischen penjing (盆景) zum japanischen bonsai (盆栽)
Die japanische Bonsai-Geschichte reicht etwa ins zehnte bis elfte Jahrhundert zurück, als buddhistische Mönche diese Form der Gartengestaltung aus China überlieferten. Der chinesische Begriff penjing bedeutet „Landschaft in einer Schale“ und bezeichnet die Kunst, ganze Naturlandschaften in einer Schale darzustellen. Der Baum steht dabei nicht unbedingt im Mittelpunkt sondern ist oft Teil eines harmonischen Gesamtwerks. Hierin liegt der Hauptunterschied zu Japan, wo die Abbildung einer gesamten Landschaft mit der Zeit in den Hintergrund rückte und der Fokus ganz auf die Baumgestaltung gelegt wurde. Penjing und Bonsai entwickelten sich zwar parallel zueinander, jedoch in unterschiedliche Richtungen.
In der späten Edo-Zeit (1603-1868) prägten die Literaten (bunjin), die sich intensiv mit chinesischer Kunst und Kultur beschäftigten, einen neuen Bonsai-Stil, den bunjingi. Dabei nahmen sie sich die Natur zum Vorbild und bevorzugten heimische Sorten wie die Kiefer oder den Ahorn – Bäume, die auch heute noch zu den beliebtesten Bonsai zählen. Dieser Stil war vor allem in Kyōto und Ōsaka sehr beliebt.
Seit der Meiji-Zeit (1868-1912) und der damit verbundenen Öffnung Japans verbreitete sich die Bonsai-Kunst auch in der Tōkyōter Oberschicht. Als Vorbilder für die Gestaltung dienten hier meist die Werke der chinesischen Malerei. Stück für Stück gelangte Bonsai als Hobby auch in andere Bevölkerungsschichten. Neben japanischen Gärten ist die tokonoma, die Kunstnische eines traditionellen Teehauses, ein beliebter Ort, um die kunstvollen Bäume auszustellen. Heute erfreuen sich Bonsai bei Hobbygärtnern weltweit großer Beliebtheit.
Bonsai-Zucht: Darauf kommt es an
Bonsai gibt es in zahlreichen unterschiedlichen Größen, von besonders als Zimmerpflanzen beliebten, wenigen Zentimeter großen Mini-Bonsai (mame bonsai) bis hin zu mehrere Meter großen Exemplaren, die man etwa in japanischen Gärten findet.
Die Gestaltungsmöglichkeiten sind ebenfalls sehr vielfältig. So gibt es etwa aufrecht wachsende Exemplare, stark nach rechts oder links geneigte Bäume oder aber Formen, bei denen kleine Felsen oder freigelegte Wurzeln die Aufmerksamkeit auf sich ziehen. Eine Übersicht verschiedener Bonsai-Formen finden Sie hier. Die Ästhetik, die der Bonsai-Zucht traditionell zugrunde liegt, ist geprägt von verschiedenen Faktoren, darunter die spirituelle Zen-Kultur und das damit verbundene Ästhetikkonzept wabi sabi, aber auch die klassische chinesische Malerei.
Einen Miniaturbaum in seine gewünschte Form zu bringen und ihn in Stand zu halten erfordert nicht nur einiges an Arbeit, sondern auch Geduld und Hingabe. Außerdem ist es wichtig, sich gut über die Bedürfnisse der Pflanze zu informieren. Wichtig ist auf jeden Fall, den Bonsai regelmäßig zu wässern, wobei die Erde gut durchfeuchtet, aber auch nicht zu nass sein sollte. Außerdem wirkt sich zum Beispiel ausreichend Sonne positiv auf seine Lebensdauer aus. Die Umgebung sollte zudem möglichst warm und feucht sein. Unter guten Bedingungen können Bonsai teilweise mehrere hundert Jahre alt werden.
Die Erhaltung der Form erfolgt durch regelmäßiges Beschneiden mit einer bestimmten Bonsai-Schere. Es kann sowohl ein Grund- beziehungsweise Formschnitt durchgeführt werden, aber auch ein Wurzelschnitt oder Blattschnitt. Über die verschiedenen Schneidetechniken sollten sich Gärtner am besten schon im Voraus informieren, um ihren kleinen Baum optimal zu pflegen. Eine weitere Möglichkeit, die Formgebung zu beeinflussen, ist übrigens die Drahtung, durch die einzelne Zweige in eine bestimmte Richtung gebogen werden können.
Wie man sieht, ist die Bonsai-Zucht eine Wissenschaft für sich, die sich bei nicht wenigen zu einem richtigen Hobby entwickelt. Nicht umsonst gibt es zahlreiche Bonsai-Ausstellungen, in denen die Gärtner ihre Werke präsentieren können. Und für alle, die sich die kleinen Bäume lieber anschauen, bietet sich dabei die perfekte Gelegenheit.
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