Japan - mit dem zug von Nord nach Süd 19-Tage-Studienreise

Japans Kaiserinnen auf dem Chrysanthementhron

Isabelle Kullat
Isabelle Kullat

Nach den kaiserlichen Gesetzen dürfen seit 1889 nur Männer den japanischen Thron besteigen. Doch in der langen Geschichte Japans regierten acht Frauen das Kaiserreich. Ihre Regentschaften hatten nachhaltigen Einfluss auf die historische Entwicklung der ältesten Monarchie der Welt und verdeutlichen die Bedeutung weiblicher Herrschaft in kritischen Phasen des Landes.

Porträt der Kaiserin Genshō. © Wikimedia Commons

Japan, ein Land, das für seine tief verwurzelten Traditionen und seine reiche Geschichte bekannt ist, besitzt die älteste noch bestehende Erbmonarchie der Welt. Der Kaiser, der Tennō, gilt als der „Himmlische Herrscher“ – ein Titel, der seine göttliche Abstammung und seine zentrale Rolle im kulturellen und spirituellen Leben des Landes betont. Diese Vorstellung von der Göttlichkeit des Kaisers reicht bis in die mythologischen Ursprünge Japans zurück, als der erste Kaiser Jimmu im Jahr 660 v. Chr. den Thron bestiegen haben soll. Die Legende besagt, dass Jimmu ein direkter Nachfahre der Sonnengöttin Amaterasu sei, und somit wurde der Kaiser als eine Figur mit göttlicher Autorität verehrt.

Im Laufe der Jahrhunderte blieb diese Vorstellung von der göttlichen Abstammung unangefochten. Doch das Kaisertum erlebte in der Moderne, insbesondere nach dem Zweiten Weltkrieg, eine bedeutende Veränderung: Kaiser Hirohito sah sich nach der Kapitulation Japans 1945 gezwungen, in einer historischen Rede die göttliche Natur des Kaisertums abzulegen. Es markierte einen Wendepunkt in der Geschichte der Monarchie, indem es das Kaisertum von seiner sakralen Unantastbarkeit befreite und es in die moderne, weltliche Welt überführte.

Obwohl das Kaisertum traditionell eine männlich dominierte Institution ist, gab es in der Geschichte Japans einige bemerkenswerte Ausnahmen, in denen Frauen den Thron bestiegen. Ihre Regentschaften fanden meist in Zeiten statt, in denen politische Notwendigkeiten oder dynastische Krisen die Thronbesteigung einer Frau erforderten.

Kaiserinnen in der Frühgeschichte Japans

Kaiserin Suiko

Die erste Frau, die in Japan den Thron bestieg, war Kaiserin Suiko, die von 593 bis 628 regierte. Suiko war die Gemahlin von Kaiser Bidatsu (gleichzeitig ihr Halbbruder) und übernahm seine Rolle nach einer Periode der politischen Instabilität. Unter ihrer Herrschaft wurde der Buddhismus offiziell anerkannt und gefördert. Diese Entscheidung hatte weitreichende Auswirkungen auf die Entwicklung der japanischen Kultur, Kunst sowie Architektur und machte den Buddhismus zu einer der wichtigsten religiösen Kräfte im Land. Kaiserin Suiko wurde von ihrem Neffen, Prinz Shōtoku, als einflussreicher Berater und Regent unterstützt. Shōtoku war ein politischer Visionär und ein glühender Befürworter des Buddhismus, der eine Reihe von Reformen einleitete, die das politische System Japans zentralisierten und die Macht des Kaiserhauses stärkten. Suikos Herrschaft war daher nicht nur eine Zeit des religiösen Wandels, sondern auch eine Periode der politischen Konsolidierung, in der das Kaiserhaus seine Autorität festigte und Macht ausbaute.

Porträt der Kaiserin Suiko vom Maler Tosa Mitsuyoshi aus dem Eifuku-ji-Tempel in Taishi, Osaka. © Wikimedia Commons

Kaiserin Kōgyoku/Saimei

Nach Suiko bestieg Kaiserin Kōgyoku den Thron, zunächst als 35. Tennō (642–645) und später erneut als 37. Tennō unter dem Namen Saimei (655–661). Kōgyokus erste Regentschaft fiel in eine Zeit großer politischer Unruhen, die in der Isshi-Rebellion gipfelten, einem Putschversuch, der von Nakatomi no Kamatari und Prinz Naka no Ōe (dem späteren Kaiser Tenji) angeführt wurde. Nach dem Tod ihres Sohnes, Kaiser Kōtoku, kehrte Kōgyoku als Kaiserin Saimei auf den Thron zurück. Ihre zweite Herrschaft war geprägt von der Expansion der japanischen Macht auf die koreanische Halbinsel, wo sie das Silla-Königreich gegen das rivalisierende Baekje unterstützte. Saimeis Engagement in dieser militärischen Kampagne zeigt die aktive Rolle, die sie in der Außenpolitik Japans spielte – eine Rolle, die für eine Kaiserin außergewöhnlich war.

Porträt der Kaiserin Kōgyoku/Saimei. © Wikimedia Commons

Kaiserin Jitō

Eine weitere bedeutende Kaiserin war Jitō, die als 41. Tennō von 686 bis 697 regierte. Jitō, die Witwe von Kaiser Tenmu, bestieg den Thron nach dem Tod ihres Mannes und führte eine der stabilsten und am besten dokumentierten Regentschaften in der Frühgeschichte Japans. Jitō war maßgeblich an der Kodifizierung des Asuka Kiyomihara-Kodex  beteiligt, einem der frühesten und umfassendsten Gesetzeswerke Japans, das die Grundlage für den späteren Taihō-Kodex (701) des japanischen Rechtssystem bildete. Unter Jitō wurde auch die neue Hauptstadt Fujiwara-kyō nach chinesischem Vorbild gebaut, die 694 Asuka-kyō als Hauptstadt ablöste. Sie befand sich in der historischen Provinz Yamato, in der Gegend der heutigen Präfektur Nara. Es war üblich, dass der Regierungssitz nach dem Tod eines Kaisers verlegt wurde: Dies geschah aus dem Glauben heraus, dass Orte des Todes beschmutzt seien.

Jitōs Regentschaft war zudem geprägt von einer engen Zusammenarbeit mit ihren Söhnen und Enkeln, was die Kontinuität der kaiserlichen Linie sicherstellte. Dies tat sie ebenfalls nach chinesischem Vorbild und wendete sich gegen die Endogamie der kaiserlichen Familie, die in China als barbarisch angesehen wurde und vermählte den zukünftigen Kaiser stattdessen mit einer Frau aus der Fujiwara-Familie. Mit diesem Schritt wurde die Betonung auf das männliche genetische Erbe des Kaisers gelegt und auch Frauen außerhalb der vermeintlich göttlichen Abstammung akzeptiert.

Gedicht von Kaiserin Jitō aus der Serie Hundert Gedichte von hundert Dichtern (hyakunin isshu no uchi). © Wikimedia Commons

Kaiserinnen Gemmei und Genshō 

Die Kaiserinnen Gemmei (43. Tennō, 707–715) und Genshō (44. Tennō, 715–724), Mutter und Tochter, setzten die Tradition starker weiblicher Herrschaft fort. Gemmei, die als Witwe von Kaiser Monmu den Thron bestieg, ist besonders bekannt für die Verlegung der Hauptstadt nach Heijō-kyō (dem heutigen Nara), die erste dauerhafte Hauptstadt Japans. Dieser Schritt markierte den Beginn der Nara-Zeit, einer Epoche, die für ihre kulturelle Blüte und die Entwicklung eines stabilen Verwaltungssystems bekannt ist. Gemmei förderte auch die Kompilierung des Kojiki, eines der ältesten erhaltenen Geschichtswerke Japans, das die mythologischen Ursprünge des Landes und des Kaiserhauses beschreibt. Genshō trat nach dem Rücktritt ihrer Mutter den Thron an und setzte deren politische und kulturelle Agenda fort. Ihre Regierungszeit war geprägt von der weiteren Festigung der zentralen Verwaltung. Sie war eine der wenigen weiblichen Herrscherinnen, die ihre Macht ohne männliche Vermittlung ausübte, da sie keine Kinder hatte und ihre Nachfolge sorgfältig plante, indem sie ihren Neffen, den späteren Kaiser Shōmu, als Erben einsetzte. Kaiser Shōmu war mütterlicherseits der Sohn der Fujiwara-Familie, was auch kritische Stimmen nach sich zog, denn er war somit nicht rein kaiserlichen Geblüts. Genshō bereitete daher seine Herrschaft gründlich und langfristig vor.

Porträt der Kaiserin Genmei. © Wikimedia Commons

Kaiserin Kōken/Shōtoku 

Kaiserin Kōken, die später als Shōtoku erneut den Thron bestieg (46. und 48. Tennō, 749–758 und 764–770), war eine der komplexesten und umstrittensten Figuren der japanischen Geschichte. Ihre Herrschaft war von politischen Intrigen, religiösen Kontroversen und Machtkämpfen geprägt. Kōken, die als Tochter von Kaiser Shōmu den Thron bestieg, war eine entschlossene und eigenwillige Herrscherin. Sie förderte den Buddhismus und unterstützte den Mönch Dōkyō, der schließlich eine so große Macht erlangte, dass er versuchte, selbst Kaiser zu werden. Dieser Machtkampf führte zu erheblichen Spannungen am Hof und endete schließlich mit Dōkyōs Exil. Kōkens zweite Herrschaft unter dem Namen Shōtoku war von dem Versuch geprägt, ihre Autorität in einer von Krisen erschütterten Zeit zu behaupten.

Die Kaiserinnen der Edo-Zeit

Kaiserin Meishō

Die Edo-Zeit (1603–1868) war eine Periode des relativen Friedens und der Isolation von der Außenwelt, die von der strengen Kontrolle des Tokugawa-Shogunats geprägt war. In dieser Zeit bestiegen zwei Frauen den Thron, obwohl die politische Macht zunehmend vom Shogunat kontrolliert wurde und die Rolle des Kaisers weitgehend zeremonieller Natur war. Die erste dieser Kaiserinnen war Meishō, die als 109. Tennō von 1629 bis 1643 regierte. Meishō war die Tochter von Kaiser Go-Mizunoo und wurde nach dessen Abdankung als kindliche Kaiserin auf den Thron gesetzt. Meishō spielte eine wichtige Rolle bei der Aufrechterhaltung der traditionellen kaiserlichen Rituale und Zeremonien, die in einer Zeit der strengen gesellschaftlichen Kontrolle wichtiger waren denn je.

Kaiserin Go-Sakuramachi

Die letzte Kaiserin Japans, Go-Sakuramachi, regierte als 117. Tennō von 1762 bis 1771. Go-Sakuramachi war die Tochter von Kaiser Sakuramachi und trat den Thron an, nachdem ihr Bruder, Kaiser Momozono, kinderlos gestorben war. Sie war eine gelehrte Frau, die sich für die Erhaltung der kaiserlichen Traditionen und die Förderung der Künste einsetzte. Unter ihrer Herrschaft wurde das kaiserliche Zeremoniell weiter gefestigt, und sie spielte eine bedeutende Rolle bei der Ausbildung und Unterstützung ihres Neffen, des späteren Kaisers Go-Momozono. Nach ihrem Rücktritt trat sie in das Klosterleben ein, wie es in der Edo-Zeit für abdankende Kaiserinnen und Kaiser üblich war. Ihre Abdankung markiert das Ende weiblicher Herrschaft in Japan. 

Der ausdrückliche Ausschluss von Frauen als Erben und Monarchen wurde erstmals 1889 gesetzlich verankert und im aktuellen „Gesetz über den kaiserlichen Haushalt“ von 1947 beibehalten: „Der kaiserliche Thron von Japan soll von legitimen männlichen Nachkommen aus der männlichen Linie der Kaiserlichen Ahnen bestiegen werden.“

Porträt der Kaiserin Go-Sakuramachi. © Wikimedia Commons

Die moderne Kaiserfamilie: Herausforderungen der Thronfolge

Das japanische Kaiserhaus, das einst eine Vielzahl von Prinzen und Prinzessinnen hervorbrachte, ist heute stark geschrumpft. Die strikte Regelung der männlichen Thronfolge hat die Zukunft der ältesten Monarchie der Welt unsicher gemacht. Mit dem Ende der Polygamie und des Konkubinats, die in der Vergangenheit zur Sicherung der kaiserlichen Dynastie beitrugen, steht die moderne japanische Kaiserfamilie vor ernsthaften Herausforderungen: Der amtierende Kaiser Naruhito (126. Tennō) hat nur ein einziges Kind, Prinzessin Aiko. Da Frauen nach dem geltenden Recht den Thron nicht besteigen können, stellt sich die Frage, wie die Thronfolge in den kommenden Generationen gesichert werden kann.

In den letzten Jahren hat es wiederholte Diskussionen über eine mögliche Änderung des Thronfolgegesetzes gegeben, um auch Frauen die Möglichkeit zu geben, den Thron zu besteigen. Diese Debatte hat sowohl in Japan als auch international Aufmerksamkeit erregt, da sie nicht nur die Zukunft des Kaiserhauses betrifft, sondern auch die Rolle von Frauen in der japanischen Gesellschaft. Ein weiterer Vorschlag, der in Erwägung gezogen wird, ist die Wiedereinführung von Nebenlinien des kaiserlichen Hauses, die in der Vergangenheit abgetrennt wurden, um den männlichen Thronfolgerkreis zu erweitern. Doch auch dieser Vorschlag stößt auf Widerstand, da er das moderne Verständnis von Familie und Geschlecht in Frage stellt und an die Praxis des Konkubinats erinnert, die im modernen Japan als veraltet gilt.

Derzeit steht Kronprinz Akishino in der japanischen Thronfolge auf Rang eins für den Chrysanthementhron und wird ihn von seinem älteren Bruder Kaiser Naruhito übernehmen. Mit der Geburt von Prinz Hisahito (*6. September 2006), Kronprinz Akishinos einzigem Sohn, verlief die Debatte über das Thronfolgegesetz im Sande. Nun lastet der Druck der Generationen auf den Schultern des einzigen männlichen Erben der japanischen Kaiserfamilie.

Von links nach rechts: Japans Prinzessin Mako, Kronprinz Akishino, der amtierende Kaiser Naruhito, Kaiserin Masako, Kronprinzessin Kiko und Prinzessin Kako winken Gratulanten während ihrer ersten öffentlichen Begrüßung auf der East Plaza des Kaiserpalastes in Tōkyō am 4. Mai 2019. © Alamy Stock Foto/UPI

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