Wenngleich japanische Burgen architektonische Kunstwerke darstellen, dienten sie in erster Linie zur Verteidigung. Die Baumeister überließen nichts dem Zufall, denn Sicherheit und Schutz waren oberstes Gebot. So errichteten sie mithilfe ausgeklügelter Baupläne, die von Historikern nawabari („ein Seil umbinden“) genannt werden, komplexe Anlagen. Der Begriff nawabari rührt daher, dass in vergangenen Zeiten Messungen mit Seilen vorgenommen wurden.
Wirft man einen Blick auf einen solchen Bauplan, lässt sich der Aufbau einer japanischen Burg mit ihren verschiedenen Bereichen deutlich erkennen. Die Hauptburg wird honmaru genannt und war der Sitz des Burgherrn. In ihr steht der tenshu (Burgturm), der heute – sofern noch vorhanden – die Hauptattraktion der Anlage darstellt und in vielen Fällen zu einem Museum umfunktioniert wurde.
Bautypen und Anordnung der Burgkomplexe
Die Anordnung der Burgmauern wird von Experten als kuruwa bezeichnet und variiert stark von Bauwerk zu Bauwerk. Bei der Burg Yonezawa (Präfektur Yamagata) beispielsweise liegt der honmaru in der Mitte der Anlage und wird von einer Zweigburg, dem sogenannten ni-no-maru, umschlossen. Dieses Konstrukt wird dann rinkaku-shiki genannt.
Sind die Zweigburgen hingegen wie bei der Burg Kōchi (Präfektur Kōchi) aneinandergereiht, spricht man von einer renkaku-shiki-Burg. Bei Bauwerken des teikaku-shiki-Typs befindet sich der honmaru in einer Ecke der Gesamtanlage. Eine beispielhafte Vertreterin ist die Burg Hiroshima.
Zuletzt folgt der kakaku-shiki-Bautyp, bei dem die Zweigburgen spiralförmig um den honmaru angelegt sind. Eine solche Struktur ist etwa bei der Burg Himeji (Präfektur Hyōgo) oder der Burg Edo in Tōkyō zu bewundern.
Von yama-jiro zu hira-jiro: Die Lage der Burg
Entsprechend ihrer Lage werden japanische Burgen in drei weitere Typen unterteilt: yama-jiro, hirayama-jiro und hira-jiro.
Die yama-jiro (Höhenburg) dominierte zu Beginn der Sengoku-Zeit (1467-1603), in der kriegerische Auseinandersetzungen zwischen den Feldherren zahlreicher Kleinstaaten an der Tagesordnung standen. Die hohe Lage auf einer Bergspitze bot zwar Schutz vor Angreifern, im Falle einer Belagerung erwies sich die Lebensmittelversorgung allerdings als problematisch. Eine berühmte Vertreterin ist die Burg Gifu in der gleichnamigen Präfektur. Besonders große Bekanntheit erlangte sie, da Oda Nobunaga, einer der drei Reichseiniger, sie von 1567 bis 1576 bewohnte.
Hirayama-jiro (flache Höhenburg) sind Verteidigungsanlagen, deren honmaru auf einem Hügel steht, während die verbleibende Struktur in einem Tal errichtet wurde. Dieser Burgtyp setzte sich in der mittleren Sengoku-Zeit durch und diente nicht nur militärischen Operationen, sondern auch politischen und wirtschaftlichen Zwecken. So boten hirayama-jiro den aufstrebenden Feudalherren bessere Möglichkeiten zur Kontrolle der eroberten Territorien, da sie weniger isoliert waren und leichter Kontakt zu ihren Untertanen aufnehmen konnten. Die Burg Himeji ist ein gutes Beispiel für ein solches Bauwerk.
Zuletzt folgten die hira-jiro (Flachlandburg), die am Ende der Sengoku-Zeit und zu Beginn der Edo-Zeit (1603-1868) vorherrschend waren. Mit der Vereinigung Japans und dem Einsetzen friedlicherer Zeiten dienten diese Burgen in erster Linie als repräsentative Bauwerke, die eine politische und wirtschaftliche Rolle erfüllten. Aufgrund ihrer Funktion als Machtzentren entwickelten sich die Burgstädte schnell zu großen Handelsplätzen mit hohem Besucheraufkommen. Bekannte Beispiele sind die Burg Ōsaka und die Burg Edo, die beide heute im Herzen der japanischen Metropolregionen liegen.
Der Burgturm: Nicht nur ein Blickfang
Obwohl der tenshu (Burgturm) nur einen kleinen Teil der gesamten Anlage ausmacht, stellt er in unseren Köpfen oft den Inbegriff japanischer Burgen dar. Historikern zufolge wurde der tenshu von Oda Nobunaga eingeführt, der mit seinem prächtigen Turm in der Burg Azuchi (Präfektur Shiga) ein Zeichen seiner Macht setzen wollte. Allerdings lassen sich auch Burgen finden, die keinen tenshu aufweisen – etwa, weil er durch unglückliche Umstände zerstört wurde, wie im Fall der Burg Edo durch einen verheerenden Brand; oder weil einige Feudalherren verhindern wollten, dass der Shōgun sich bedroht fühlte.
Grob lassen tenshu sich in vier verschiedene Kategorien einteilen:
- Dokuritsu-shiki: ein tenshu, der aus einem einzigen Gebäude besteht (z. B. Burg Kōchi)
- Fukugō-shiki: ein tenshu, der mit einem kleinen Anbau erweitert wurde (z. B. Burg Matsue in der Präfektur Shimane)
- Renketsu-shiki: ein tenshu, der mit einem kleineren Turm verbunden ist (z. B. Burg Nagoya)
- Renritsu-shiki: ein tenshu, der mit zwei oder mehreren kleineren Türmen verbunden ist (z. B. Burg Himeji)
Jeder Stein ist wichtig: Unterschiedliche Mauerwerke
Exemplarisch für japanische Anlagen sind hohe Mauerwerke, die als Fundament für die Burgmauern dienen. Diese werden in der Fachsprache als ishigaki bezeichnet. Gemäß der bautechnischen Chronologie wird zwischen drei ishigaki-Typen unterschieden.
Bei der notsuratsumi–Bautechnik bestehen die Fassaden hauptsächlich aus unbearbeiteten Steinen. Dies hatte zwar den Vorteil, dass Regenwasser durch die vielen Zwischenräume gut abfließen konnte, allerdings waren sie für Feinde auch leicht zu erklimmen. Um Letzteres zu vermeiden, wurde die Bauweise des uchikomi-hagi entwickelt, bei der man die Hohlräume mit kleineren Steinen auffüllte. Schließlich entstand die fortschrittliche kirikomi-hagi-Bauweise, bei der die Steine so zugeschnitten wurden, dass sie lückenlos aufeinander passten. Da diese Mauern das Regenwasser nicht ableiten konnten, wurde zusätzlich ein separater Wasserablauf angelegt.
Neben den oben genannten Merkmalen wiesen viele Bauwerke auch Wachtürme, Gräben, Wälle und zahlreiche andere Vorrichtungen auf. Jede Burg verfügt über ihre eigene Geschichte, die sich anhand ihrer Struktur und Merkmale gut ablesen lässt. Daher sollten sie nicht einfach nur als schöne Sehenswürdigkeiten betrachtet werden, sondern als eine Kombination aus Ästhetik und dem Geist einer kriegerischen Ära, die für die Nachwelt greifbar wird.
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