Die Burg Azuchi wurde zwischen 1576 und 1579 durch Oda Nobunaga, dem ersten Reichseiniger der Sengoku-Zeit, am Ostufer des Biwa-Sees in der damaligen Provinz Ōmi (heutige Präfektur Shiga) errichtet und gab der Azuchi-Momoyama-Zeit (1568/73-1600) ihren Namen. Sie besetzte aufgrund ihrer unmittelbaren Nähe zur ehemaligen Hauptstadt Kyōto einen strategisch sehr wichtigen Posten, denn von ihrem Burgturm aus ließen sich die Zufahrten gut überwachen, sodass das Geschehen in und um Kyōto herum hervorragend kontrolliert werden konnte. Außerdem erhielt Nobunaga einen guten Überblick über die Kommunikations- und Transportwege seiner größten Feinde: dem Uesugi-Clan im Norden, dem Takeda-Clan im Osten und dem Mōri-Clan im Westen.
Die Macht der Ästhetik
Nobunaga wollte mit dem Bau Azuchis eine neue Ära einläuten und seine Macht im gesamten Reich symbolisieren. Um dies zu erreichen, griff er auf architektonische Elemente zurück, die für die damalige Zeit sehr untypisch waren. Da die Burg jedoch 1582 niedergebrannt wurde, ist die Gestaltung der Außenfassaden und Innenräume bis heute nicht vollständig bekannt. Nur das steinerne Fundament ist erhalten geblieben, sodass die meisten Rekonstruktionsversuche auf alten Abbildungen, historischen Dokumenten und archäologischen Funden beruhen.
Wichtige Quellen zur Außergewöhnlichkeit der Anlage sind die Schriften des portugiesischen Jesuiten Luís Fróis, der die Burg 1581 mehrmals besuchte und sie mit den atemberaubendsten Monumenten Europas verglich. Wenn man ihm Glauben schenkt, so bestand der gesamte Komplex aus mehreren Gebäuden, deren Wände mit Blattgold überzogen waren. Der Burgturm habe sich über sieben Stockwerke mit sehr hohen Mauern erstreckt, die – im Gegensatz zu den typischen weißen oder dunklen japanischen Burgen – innen und außen mit bunten Motiven verziert waren. Die oberste Etage sei oktogonal geformt gewesen und habe ein goldenes Dach getragen, außerdem schmückten wunderschöne Gärten das gesamte Anwesen. Bereits aus der Ferne habe man die Burg bestaunen können – ein Symbol für Nobunagas Vision von seinem tenka (Reich).
Die Burg und ihr Schöpfer
Normalerweise wurden Burgen aus militärischen Gründen erbaut, doch Azuchi diente einem politischen und kulturellen Zweck. Chronisten gehen davon aus, dass Nobunaga von der damaligen Provinz Mino (in der heutigen Präfektur Gifu) wegzog und Azuchi am Biwa-See errichten ließ, um an dem Shōgun Ashikaga Yoshiaki, der ursprünglich von Nobunaga 1568 als “Marionetten-Shōgun” eingesetzt und 1573 aufgrund von Meinungsverschiedenheiten aus Kyoto vertrieben worden war, ein Exempel zu statuieren.
Der Historiker Naitō Akira ist der Ansicht, dass Nobunaga versuchte, das Ideal seines eigenen Reiches, seines tenka, visuell in die Gestaltung des Burgturms einfließen zu lassen, indem er unter anderem buddhistische Motive verwendete, die aus kosmologischer Sicht das Zentrum des Universums darstellten und als Zeichen der Vereinigung Japans gedeutet wurden. Darüber hinaus sind sich viele Forscher einig, dass Nobunaga mit Azuchi und dem angrenzenden Burgdorf ein neues kulturelles Zentrum erschaffen wollte.
Der Burgturm diente Nobunaga nicht nur als Prestigebau, sondern auch als Wohnsitz. Im zweiten Obergeschoss befand sich ein großer Audienzsaal, auf dessen Bühne Tänze und Theaterstücke aufgeführt wurden. Im dritten Stockwerk waren außer Nobunagas Wohnräumen auch mehrere Säle für die Ausübung der Teezeremonie untergebracht. Viele bedeutende Künstler trugen zur Verwirklichung von Nobunagas Vision bei, darunter der berühmte Maler Kanō Eitoku, der mit der Gestaltung der Innenwände beauftragt worden war.
Obwohl Nobunaga im Allgemeinen als nicht religiös galt und ein Feind vieler spiritueller Institutionen war, wurden zahlreiche buddhistische Elemente in die Architektur und Gestaltung der Burg Azuchi aufgenommen. Naitō stellt die Theorie auf, dass Nobunaga mit dem Bau versucht habe, die polytheistische Religion zu verdrängen und den japanischen Glauben im Sinne des Christentums zu verändern, indem er Azuchi zum Zentrum eines Kultes machte, dessen Mittelpunkt die Anbetung seiner Person darstellte. Die Aufzeichnungen von Luís Fróis berichten zudem von einer Megalomanie, in der Nobunaga von seinen Untertanen verlangte, ihn wie eine Gottheit zu verehren.
Ein Ende mit Schrecken
Als Nobunaga die Burg Azuchi errichten ließ, stand er kurz davor, Japan unter seiner Herrschaft zu vereinen und der Welt seine immense Macht zu demonstrieren. Er verwirklichte mit dem Bau eines Monuments, das laut Luís Fróis “aussah, als ob es die Wolken berührt hätte”, den Traum von einem Reich, das unter seiner alleinigen Herrschaft florieren sollte. Die harte Arbeit und die Energie, die er in den Bau der Burg investiert hatte, sollten ihn anspornen, seine militärischen Ziele zu verwirklichen und nach uneingeschränktem Ruhm zu streben. Darüber hinaus diente die Burg mit ihren bisweilen sehr religiösen Elementen möglicherweise dazu, Nobunaga wie einen Gott erscheinen zu lassen und die damalige Weltanschauung durch eine neue, möglicherweise beeinflusst vom christlichen Monotheismus, zu ersetzen.
Doch wie seine Träume und Ambitionen sollten auch die Burg Azuchi und das angrenzende Burgdorf durch seinen ehemaligen Vasallen Akechi Mitsuhide in Schutt und Asche gelegt werden. Im Sommer 1582, kurz nach dem Tod Nobunagas am Honnō-ji Tempel, wurde die Burg durch die Truppen von Mitsuhide eingenommen und etwa eine Woche später in Flammen gelegt. Obwohl heute nur noch die Ruinen des einst prächtigen Bauwerks stehen, ist die Burg Azuchi als eine der bedeutendsten Anlagen der Sengoku-Zeit in die Geschichte eingegangen. Selbst heute noch betritt die Nachwelt den Boden mit fast religiöser Ehrfurcht, so als habe die mächtige Aura Nobunagas diesen Ort nie verlassen.
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