Japan ist eines der traditionsreichsten Länder der Welt. Ob Jahreszeiten, Feste oder religiöse Rituale – alles ist von traditionellen Bräuchen, einem Stück Aberglauben und Liebe zur eigenen Kultur geprägt.
Dennoch, auch in diesem Land gibt es Traditionen, die vom Aussterben bedroht sind. Darunter fällt das Ritual Nagashibina (流しびな). Das bedeutet wörtlich “hinabfließende Puppen” und bezeichnet eine mehrere hundert Jahre alte Tradition, bei der Puppen auf ein aus Stroh gefertigtes Schiffchen gelegt und vom Fluss fortgespült werden. Die Puppen, so der Volksglaube, können böse Geister in ihren Körpern einschließen, und somit das Unglück ihrer Besitzer mit zum Meer nehmen.
Nagashibina: Vom Aussterben bedrohte japanische Tradition
Früher wurde Nagashibina zu Hinamatsuri, dem Mädchenfest im März, in allen Gebieten Japans abgehalten. Heute ist diese Tradition jedoch sehr stark zurückgegangen und nur noch in einigen wenigen Gebieten zu finden.
Zu diesen Orten gehört das abgelegene Dorf Mochigase im Verwaltungsdistrikt der Stadt Tottori. Das Dorf mit gerade mal 4000 Einwohnern versteckt sich zwischen mehreren hochgewachsenen Bergen. Vom Stadtkern Tottoris aus ist es in ca. 40 Minuten mit Bus oder Bahn zu erreichen. Der größte und wichtigste Fluss der Präfektur, der Sendaigawa, fließt auch hier entlang. Die Puppen des Nagashibina werden diesen hinabgespült.
In Mochigase wird das Nagashibina-Fest nicht zum herkömmlichen Hinamatsuri am 3. März ausgeführt, sondern noch nach alter Kalenderrechnung, weswegen das Datum von Jahr zu Jahr variiert.
Mochigase: Reichhaltige Tradition um das Nagashibina-Ritual
Tagsüber finden in Mochigase alle möglichen Workshops und Vorführungen statt. Die Einwohner wie Besucher hatten zum Beispiel die Gelegenheit, das Basteln der Strohschiffchen und Puppen selbst zu erlernen und auszuprobieren.
Obwohl die Festlichkeiten zum Hinamatsuri dazuzurechnen sind, schicken nicht nur Mädchen ihre Körbchen den Fluss hinab – Jungen und Mädchen, ältere Frauen und Männer sowie Mochigases Bürgermeister – alle lassen die kleinen Puppen ins Wasser hinab und pressen ehrfürchtig die Hände zum Gebet zusammen. Zudem zieht das Event zahlreiche Hobbyfotografen an, die die hinabschwimmenden Puppen sowie die in prächtige Yukata gekleideten Kinder in künstlerischen Fotos festhalten.
Die gesamte Stadt ist mit Dekorationen geschmückt und viele private Haushalte stellen ihre Sammlungen an Hina-Puppen zur Schau. Somit stehen die Türen vieler Geschäfte sowie privater Wohnungen offen zur Besichtigung und man kann selbst in kleinen Seitengassen noch geschmückte Fenster und kleine Schätze entdecken.
Auch traditionelle Tänze (teils zum Mittanzen), Shintō-Rituale, Zubereitung von Mochi-Klebreis, Kimono-Ankleide-Kurse und Ähnliches ergänzen das Event. Im Nagashibina-Museum Mochigases kann man sich außerdem detailliert über die Entstehung und Entwicklung des Festes in einer Ausstellung informieren.
Am Vorabend des Festes wird die Kleinstadt in ihren kleinen Gassen zudem mit zahlreichen Lichtern beleuchtet und lädt zu einem romantischen Illumination Spaziergang ein.
Die Anreise ist vom Tottori Hauptbahnhof in 40 Minuten per JR-Zug oder via Bus möglich. Das Fest findet jedes Jahr zu einem wechselnden Termin im März statt.
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