Egal in welchem Land Sie leben, wenn es eine Tradition gibt, die von allen Kulturen gleichermaßen gefeiert wird, ist es ohne Zweifel die Verbindung zweier Menschen: Hochzeiten. Für Europäer bedeutet das meist ein weißes Kleid, das Werfen des Brautstraußes und oft kitschige Musik in Kombination mit grauenvollen Tanzeinlagen.
In Anbetracht dieser Erwartungshaltung ist es nicht verwunderlich, dass Sie eine Faszination verspüren, wenn Sie während Ihres Besuchs in den wichtigsten Shintō-Schreinen wie dem Meiji-Schrein in Tōkyō oder dem Heian-Schrein in Kyōto unerwartet auf eine japanische Hochzeit stoßen und die prachtvollen Kimonos und eleganten Kostüme bewundern können. Doch es sind nicht nur die glanzvollen Gewänder, die die Unterschiede zwischen japanischen und europäischen Hochzeitsbräuchen verdeutlichen – von den Einladungen über den Dress-Code bis hin zu den Geschenken gibt es eine Menge zu beachten, bevor Sie einer japanischen Hochzeit beiwohnen.
Vier Arten von Hochzeiten
Bevor es überhaupt dazu kommt, die Art der Hochzeit auszuwählen, müssen japanische Paare, wie überall anders auf der Welt auch, erst mal einen Tag festlegen. Anders als ihr europäisches Pendant wird das japanische Brautpaar hierbei jedoch nicht emotional, sondern entscheidet das Datum für die Hochzeit basierend of rokuyō – dem japanischen Kalender, der angeblich das Glück der einzelnen Tage voraussagen kann.
Diese sechs kleinen Kanji (chinesische Schriftzeichen), die wiederholt unter jedem Datum in japanischen Kalendern auftauchen, reichen von shakku (schlechtes Omen) bis hin zu taian (das Beste in rokuyō), der angeblich am besten geeignete Tag für Hochzeiten. Entsprechend wird die Hochzeit an einem Samstag mit der Kennzeichnung taian dem Paar viel Glück für ihre Ehe bringen, was allerdings auch bedeutet, dass sie möglicherweise den doppelten Preis für die Zeremonie und Feier zahlen müssen, da der Tag so gefragt ist.
Neben dem Datum, haben auch japanische Bräute eine konkrete Vorstellung von ihrer Hochzeit, sodass die Wahl des richtigen Monats der erste Schritt zur Erfüllung ihrer Träume ist. „Juni-Bräute“ sind eine Tradition, die bis zu Zeiten der Römer zurückgeht. Überlebt hat sie über die Jahrhunderte hinweg vor allem, weil im Juni nicht nur das europäische Wetter recht schön ist, sondern auch eine breitgefächerte Auswahl an Blumen in voller Blüte steht. Da westliche Kulturen auf viele japanische Traditionen einwirken, ist die Idee der „Juni-Braut“ bei vielen japanischen Frauen hängengeblieben, sodass im Juni auch in Japan besonders viele Hochzeiten gefeiert werden.
Aber wie das Schicksal so spielt, ist Juni auch der Monat, in dem die Regenzeit ihren Höhepunkt erreicht. So gehen japanische Paare auf die Suche nach der perfekten Location, wo sie ihre Hochzeit im Trockenen feiern können, anstatt sich auf einer sonnigen Gartenhochzeit zu entspannen. Dies führt auch dazu, dass sie, im Vergleich zu für Hochzeiten unpopulären Monaten wie August, Dezember oder Januar, ein Vermögen zahlen müssen.
Wenn erst einmal das Datum steht, stellt sich als nächstes die Frage, welche Art von Hochzeit es werden soll. In Europa bezieht sich diese Frage normalerweise auf die Location und die Dekoration, während in Japan gemeint ist, wie genau Japaner heiraten. Offiziell gibt es in Japan vier verschiedene Arten von Hochzeiten. Die Elemente der drei Haupttraditionen – Shintō, Buddhismus und Christentum – werden jedoch oft Seite an Seite praktiziert.
Der christliche Stil
Unter dem Einfluss von Filmen und Büchern sehnen sich viele japanische Frauen danach, an ihrem Hochzeitstag ein weißes Kleid zu tragen, was den christlichen Hochzeitsstil sehr populär gemacht hat. Laut einer häufigen Äußerung über Japans religiösen Synkretismus („Als Shintō geboren, als Christ heiraten, als Buddhist sterben“), muss man nicht unbedingt christlich sein um in Japan auf christliche Art getraut zu werden. Möglicherweise ist der Priester selbst kein echter, christlicher Priester, und die Kirche, die Kapelle sowie die Zeremonie ebenso wenig.
Viele Orte wie Hotels arbeiten eng mit Hochzeitsplanern zusammen, um die Wünsche der jungen Bräute zu erfüllen, ihre Traumhochzeit genauso zu erleben, wie sie es schon so oft im Fernsehen gesehen haben. Die Vorstellungskraft spielt hier eine grundlegende Rolle: Der Priester ist normalerweise kein Japaner und führt die Zeremonie auf Englisch durch. Da ist es nicht verwunderlich, dass das Brautpaar nicht weiß, wann es sich das ausschlaggebende Ja-Wort geben muss. Daher ist es wichtig, dass die gesamte Atmosphäre, die prachtvolle Kapelle und der Gang zum Traualtar in einem weißen Kleid wie ein romantischer Hollywoodfilm erscheint. Und da der Priester mit einem kleinen Zeichen aushilft, besteht auch kein Risiko, dass man den richtigen Moment für das „Ja, ich will“ verpassen könnte.
Der Shinzen-Stil (神前式/ Shintō-Stil)
Fast 80% der japanischen Bevölkerung praktizieren den Shintō-Glauben, was wörtlich als „Weg der Götter“ übersetzt werden kann. Dennoch identifizieren sich nur wenige als „Shintōisten“. Shintō vereinigt verschiedene örtliche und regionale Rituale und Traditionen und basiert auf dem Glauben, dass Gott in allem vertreten sein kann. Dies macht es sehr viel einfacher, wenn man verschiedene religiöse Traditionen miteinander vermischt.
Obwohl viele Japaner ihre eigenen Traditionen von verschiedenen Religionen aussuchen wie es ihnen gefällt, entscheidet sich ein großer Teil der Paare für eine traditionelle Shintō-Zeremonie in einem Schrein. Im Hauptgebäude des Schreins führt ein Shintō-Priester eine Reinigung für das Paar durch und bringt Gebete für die Götter dar. Im Kontrast zu Hochzeitszeremonien in christlichen Kirchen, ist es hier nur nahen Familienangehörigen erlaubt, dem Gottesdienst beizuwohnen. Die übrigen Gäste schließen sich dem Paar und ihren Familien erst beim Empfang an.
Nach der Zeremonie laufen die Braut und der Bräutigam in ihren eleganten hakama und shiromuku – traditionelle Kimonos, die nur zu Hochzeiten getragen werden – durch die Schreinanlage, begleitet vom Priester, jungen Schreinarbeiterinnen und Familienangehörigen. Die Mütter tragen traditionellerweise schwarze Kimonos, die nur unterhalb der Hüfte gemustert sind und kurze Ärmel haben, sogenannte kurotomesode. Dieser Kimono ist der feierlichste Kimono für verheiratete Frauen und sollte nur von Familienangehörigen des Brautpaares getragen werden.
Noch auf dem Gelände des Schreins werden viele Fotos geschossen und das auch, wenn Besucher des Schreins einen Blick auf den Festzug erhaschen und vielleicht sogar selbst einige Fotos machen können. Wenn Sie einen kleinen Hauch einer japanischen Hochzeit erleben wollen, sollten Sie einen von Japans Hauptschreinen an einem Samstag besuchen, wo Sie vielleicht einen Glückstreffer landen könnten.
Was passiert bei einer Shintō-Hochzeit?
Das Folgende ist ein kurzer Überblick darüber, was während einer shinzen shiki (Zeremonie im Shintō-Stil) passiert.
Sanshin: Geführt vom Shintō-Priester und den Schreinarbeiterinnen läuft das Paar zum Schrein, gefolgt von ihrer engen Familie. Im Hintergrund spielt ein Musiker altertümliche Hofmusik, die man gagaku nennt.
Toyosaka no mai: Schreinarbeiterinnen tanzen um den Schutzgeistern ihre Wertschätzung entgegenzubringen.
Sankon no gi (auch genannt san-san-kudo): Das Paar trinkt drei Becher Sake. Bei dem ersten Becher trinkt der Bräutigam zuerst und überreicht ihn dann der Braut, die ebenfalls einen Schluck nimmt und ihn zurückgibt. Der zweite Becher wird andersherum geteilt, während der dritte wieder beim Bräutigam beginnt. Am Ende hat das Paar neun Schlucke Sake miteinander geteilt.
Seishisojo: Der Bräutigam liest vor dem Schreinpriester die Worte der Verpflichtung.
Der Butsuzen-Stil (仏前式/ Buddhistischer Stil)
Obwohl Hochzeiten in buddhistischen Tempeln deutlich weniger verbreitet sind, ist es dennoch die dritthäufigste Art für Hochzeiten in Japan. Aus europäischer Perspektive betrachtet hat dieser Stil Ähnlichkeiten mit christlichen Hochzeiten. Anstatt einer Kirche, wird die Zeremonie jedoch logischerweise in einem Tempel durchgeführt.
Die Braut kann sich zwischen einem Kimono und einem Brautkleid entscheiden. Es gibt sogar den für uns üblichen Brauch des Ringwechsels sowie des gemeinsamen Gebets. Außerdem können hier auch Gäste der Zeremonie beiwohnen, sodass Sie den tatsächlichen Moment der Eheschließung miterleben können auch wenn Sie nicht zur Familie gehören.
Der Jinzen-Stil (人前/ Nichtreligiöse Hochzeitszeremonie)
Der letzte, übliche Hochzeitsstil in Japan ist jinzen, welcher nichtreligiös ist und mit der standesamtlichen Trauung in Europa verglichen werden kann. Für die Zeremonie selbst gibt es keine Regeln und da es in Japan niemanden gibt, der die Eheschließung vollzieht, ist diese Zeremonie nicht rechtlich bindend. Sie wird von dem Paar selbst gestaltet, was sie sehr einzigartig macht. Dennoch geht es auch hier hauptsächlich darum, dass das Paar seine Ehe vor seinen Gästen bekanntgibt bevor, während oder nachdem gemeinsam gegessen wird. Zwar ist dieser Stil nicht christlich, übernimmt jedoch nach wie vor einige westliche Elemente wie das Hochzeitskleid oder den Smoking und findet oft in Hotels oder Bankettsälen statt.
Dieser Artikel wurde am 15. Dezember 2016 für Japan Travel Centre verfasst und für die Veröffentlichung auf JAPANDIGEST von Yasemin Besir übersetzt und nachbearbeitet.
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